Leben und Sterben in Deutschland 2021

– Gedanken zu einer paradoxen Entwicklung

Leben – sterben. Leben schützen – töten. Ja, dies sind wuchtige Begriffe und zu allen ist der Mensch in der Lage. Was aber nicht in seiner Hand liegt, ist das Erschaffen von Leben. Wir können uns äußerste Mühe geben und ideale Voraussetzungen dafür organisieren, dass Leben entsteht, aber es selbst produzieren, das können wir nicht!

Heute, im Jahr 2021, sollte uns durch das Aufeinanderprallen der Diskussion um die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe, die vielen Abtreibungen und die alles bestimmenden Corona-Politik der Konflikt zwischen Leben und Sterben bewusster sein denn je. Möglicherweise sind wir persönlich davon betroffen.

Seit vielen Monaten grassiert das Corona-Virus auf der ganzen Welt. Es hallt immer wieder der Ruf nach dem Schutz der Risikogruppen, also älterer und vorerkrankter Personen, durch unser Land, der zu entsprechenden Impfreihenfolgen geführt hat und das Besuchen alter und kranker Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern deutlich erschwert bis zeitweise verbietet (Stand Mai 2021).

Jene Menschen sollen auf Kosten der Lebensqualität, die häufig insbesondere durch soziale Kontakte entsteht, vor dem Tod durch eine eventuelle Corona-Infektion geschützt werden.

Durch den momentan herrschenden Teil unserer Regierung mittels Verordnungen wird damit ein eindeutiges NEIN zum vorzeitigen, coronabedingten Tod der Alten und Kranken ausgesprochen.

Darüber, inwiefern die betroffenen Personengruppen damit einverstanden sind, gibt es in den gängigen Medien wenig zu lesen. Es könnte daran liegen, dass diese Menschen aufgrund ihres körperlichen und auch geistigen Zustandes sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, sich öffentlich zu äußern. Der Grad ihrer Selbstbestimmung ist besonders mit Blick auf die Pflegeheimbewohner häufig gering.

Etwas Einsicht in die Situation geben die Berichte über das Seniorenzentrum Mühlehof in Steinen (Baden-Württemberg), wo den Senioren trotz Impfung und Testen das gemeinsame Mittagessen verboten wurde, bis das Pflegeheim nach vielem Hin und Her vor das Bundesverfassungsgericht zog (vgl. Artikel „Corona-Isolation und Einsamkeit aber keine Lockerung in Heimen“ vom 22.03.2021 und „Geimpfte Seniorenheim-Bewohner dürfen bald wieder gemeinsam essen“ vom 13.04.2021, www.swr.de).

Während nun alte und kranke Menschen fleißig vor dem Sterben bewahrt werden sollen, zeigt die Zahl von knapp 100.000 Abtreibungen im Jahr 2020 in Deutschland (vgl. www.destatis.de) das eindeutige JA zum Tod von ungeborenem Leben. Das Recht auf Selbstbestimmung der Schwangeren wiegt juristisch inzwischen mehr und rechtfertigt den Tod des Kindes. Nach dem Willen des Kindes kann faktisch nicht gefragt werden, woraus sich für das Kind ein Grad der Selbstbestimmung gleich null ergibt. Kurz und knapp resultiert daraus: Keine Selbstbestimmung – kein Recht auf Leben.

Das Herumreiten auf der Selbstbestimmung führt direkt zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2020, wo das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe aufgehoben wurde. Das Verbot schränke das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung ein, die auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Daraufhin änderte die Bundesärztekammer ihre Berufsordnung, die bisher ein Verbot der Suizidbeihilfe vorsah. Wer sich selbst töten möchte, meist aufgrund einer schweren Erkrankung, die mit Leid verbunden ist, und dies über einen längeren Zeitraum wünscht und dabei selbstbestimmt ist, darf ab jetzt auf geschäftsmäßige Hilfe dabei hoffen. Man findet hier also ein ausdrückliches JA zum Tod von kranken und leidenden und damit einhergehend auch oft älteren Menschen.

Etwas überspitzt lässt sich Folgendes festhalten: Ob selbstbestimmt oder nicht, an einer Corona-Infektion darf nicht gestorben werden. Auch mit 90 Jahren und hochgradiger Demenz muss man auf Lebensqualität zugunsten von Lebenslänge verzichten. Wer das Vorrecht des Selbstbestimmtseins hat, der hat die Möglichkeit sich selbst sogar mit geschäftsmäßiger Hilfe zu töten oder ungeborenes Leben zu vernichten. Es klingt paradox, entspricht aber unserem Zeitgeist und der aktuellen Rechtslage.

Das Gut der Selbstbestimmung wird höhergestellt als das Gut des Lebens. Und wer selbstbestimmt ist, der darf entscheiden, welches Leben er als würdig oder unwürdig empfindet, sei es das eigene Leben oder das ungeborene Leben. Hier finden wir zwei falsche Annahmen, und zwar, dass der Mensch selbst einem Leben Würde geben kann und einem Leben Würde absprechen kann. Der Mensch kann kein Leben machen, Gott ist es, der das Leben erschafft und somit auch derjenige, der dem Leben die Würde verleiht (vgl. Psalm 8). Selbstbestimmung ist in dieser Hinsicht die Auflehnung gegen Gott, indem sich der Mensch erhebt und Entscheidungen treffen will, die ihm nicht zustehen – unabhängig davon, ob das einzelne Individuum an Gott glaubt oder nicht.

Hinter dem Wunsch, sein Leben vorzeitig selbst zu beenden und Suizidbeihilfe in Anspruch zu nehmen, steckt häufig eine weitere falsche Annahme: Nach dem Tod wird alles besser, beziehungsweise ist das Leid vorbei. Die Bibel macht deutlich, dass dies nur für die Menschen gilt, die an Gott glauben und durch Jesus Christus Vergebung bekommen haben (vgl. Joh 3,16).

Treffen wir als Christen auf Menschen, die davor stehen sich selbst das Leben zu nehmen, dürfen wir sie nicht verurteilen, sondern sollten ihnen den wahren, wunderbaren Weg aus dem Leid in eine herrliche Ewigkeit aufzeigen. Denn Jesus Christus verspricht uns:

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken!“

Mt 11,28

An die Stelle von töten und sterben kann ewiges Leben rücken, welches der Mensch nicht machen kann, das er aber dankend annehmen darf.

Dr. med. M. Pankratz

Assistenzärztin in Elternzeit

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