Beziehung zwischen Arzt, Pflegekraft und Patient aus biblischer Sicht

Ärztliches und pflegerisches Handeln dienen ja dem gleichen Zweck – der Heilung und Gesundheit des Patienten. Bei der Betreuung, Behandlung und Pflege von kranken, alten und behinderten Menschen ist die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unerlässlich.

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Beziehung zwischen Arzt Pflege und Patie[…]
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Gottes Wort fordert uns gerade in interpersonellen Beziehungen unmissverständlich auf, der Gesinnung Jesu Christi gerecht zu werden. So möchte ich hier Epheser 4,31+32 an den Beginn meiner Ausführung stellen:

„Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sei ferne
von euch samt aller Bosheit.
Seid aber gegeneinander freundlich, barmherzig, vergebet einander,
gleichwie auch Gott in Christus euch vergeben hat.“

Ärztliches und pflegerisches Handeln dienen ja dem gleichen Zweck – der Heilung und Gesundheit des Patienten. Bei der Betreuung, Behandlung und Pflege von kranken, alten und behinderten Menschen ist die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unerlässlich. Dies gilt – mit unterschiedlicher Intensität – sowohl für den stationären als auch für den ambulanten Bereich. Eine Berufsgruppe kann ohne die andere Berufsgruppe ihren Auftrag nicht wirklich erfüllen.

Unter diesen Voraussetzungen sollte man annehmen, dass es einen regelmäßigen Austausch über Patientenbelange und über divergierende oder gemeinsame ethische Vorstellungen zwischen den beiden Berufsgruppen gibt. Blickt man in die Praxis, scheint dies eher die Ausnahme zu sein. Vielmehr wirkt der Arbeitsalltag geprägt von einem relativ unverbundenen Nebeneinander, lediglich verknüpft durch Weisungsbefugnis und Weisungsgebundenheit. Die Pflegekräfte haben den Ärzten gegenüber eine Informationspflicht bezüglich des Gesundheitszustandes der Patienten, umgekehrt gilt dies jedoch nicht. Einer Umfrage zufolge wünscht sich die Mehrzahl der Pflegekräfte häufigere Gespräche mit dem Arzt, wohingegen nur etwa ein Viertel der Ärzte Kritik an der Zusammenarbeit äußert. Beide Berufsgruppen mit ihren unterschiedlichen Zugangs- und Sichtweisen müssten eigentlich viel voneinander lernen können. Bei einer verbesserten Kommunikation bestünde zudem die Möglichkeit, sich der komplexen Patientenwirklichkeit mehr zu nähern.

Kommunikationsdefizite haben Folgen; bei der Arbeit mit Menschen, die durch ihr Leiden beeinträchtigt und von Hilfeleistungen abhängig sind, kann dies besonders gravierende Auswirkungen haben. Mangelhafte Schmerzbekämpfung, längere Liegedauer, Verunsicherung der Patienten, Ernährung wider Willen, unnötige Verlegungen zwischen Pflegeheim und Krankenhaus (Drehtür-Effekt) sind oft auch Resultat eines unzureichenden Dialogs zwischen Ärzten und Krankenschwestern oder Krankenpflegern.

Denn neben dem Regelfall gibt es Situationen, bei denen sich ärztliche und pflegerische Beurteilung unterscheiden. Oft handelt es sich dabei um die Frage, ob und wie lange ein Patient noch kurativ behandelt werden soll. Für die Vertreter und Vertreterinnen beider Berufsgruppen geht es dabei um ihre moralische Grundlage und das berufliche Selbstverständnis. Der Tendenz nach hat bei Ärzten der Grundsatz „Leben erhalten“ hohe Priorität, wohingegen Krankenschwestern und Krankenpfleger (wohl mitbedingt durch die größere Patientennähe) häufiger ein „sterben lassen“ vertreten. Eine Auseinandersetzung damit ist wegen der grundsätzlichen Betroffenheit aller Beteiligten unerlässlich.

In allen stationären Einrichtungen der Kranken- und Altenbetreuung ist die durchgängige Anwesenheit einer Pflegeperson selbstverständlich. Für den ärztlichen Dienst gilt dies dagegen nur sehr begrenzt und ist abhängig von der Einrichtungsart. Die ärztliche Visite wie auch die Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen hat einen anderen Charakter als pflegerische Tätigkeiten. Während der ärztliche Einsatz fast immer mit der Rolle des Experten verknüpft ist, der aufgrund seines Wissens Information, Rat und – im besten Fall – Heilung versprechen kann, übernehmen die Pflegenden jene Aufgaben, die fast alle Menschen die allermeiste Zeit ihres Lebens völlig selbstverständlich selbsttätig durchführen: Körperwäsche, für angenehme Körperhaltung sorgen (lagern), Essen und Trinken eingeben, sich um die Ausscheidung kümmern, beim Gehen behilflich sein.

Während sich Ärzte im Zweifelsfall emotional hinter ihrer Autorität als Experten „verstecken“ können und dies von den Patienten in der Regel eher akzeptiert wird, wird ähnliches Verhalten von Pflegekräften viel schneller als verletzend beschrieben.

Je höher der ärztliche Aufwand in der Patientenbetreuung ist, desto höher ist meist auch der weisungsgebundene Anteil der Pflegearbeit (Medikamentengabe, Überwachungs-, Kontroll- und Maschinenarbeit) und desto geringer ist in Relation dazu der autonome Anteil im Sinne direkter Pflege. Sind dagegen die kurativen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft, wird ein chronischer Krankheitsverlauf absehbar oder liegt ein Mensch im Sterben, reduziert sich das ärztliche Handeln in vielen Fällen auf wenige kurze Besuche, wohingegen die autonome Pflege zunimmt. Bei Menschen, die zum Pflege-Fall werden, oder bei Sterbenden liegt die Patientenbetreuung praktisch allein in pflegerischer Hand.

Zum Konflikt kommt es dort, wo aufgrund von Personalmangel und Zeitnot Prioritäten im Arbeitsschwerpunkt gesetzt werden müssen. Aber nicht nur da.

Wie wir schon gesehen haben, steht die unmittelbare Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht isoliert da, sondern ist eingebettet und verflochten mit der Realität der Krankenversorgung und im weiteren Sinne mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Hierzu gehört die Pflegesituation mit den zunehmenden Spannungen und Abgrenzungsversuchen zwischen Pflege und ärztlicher Tätigkeit. Gerade die vielen Probleme der menschlichen Interaktion in der Teamarbeit, die verschiedenen Konkurrenzsituationen, die Versuche, eigene Arbeitsbereiche abzugrenzen, Verantwortungsbereiche zu erfüllen, resultieren in zusätzlichem Stress, Burn-out Syndromen, Mobbing und Identitätskrisen. So verschwinden beispielsweise angeforderte Befunde aus dem persönlichen Fach, Computerdateien verändern sich wie von Geisterhand, Krankenschwestern halten Informationen zurück, usw.…

Das Burn-out Syndrom möchte ich am Beispiel der Krankenpflege verdeutlichen: Das Pflegepersonal wird in seinem Arbeitsalltag ständig mit Krankheit, Leid und Tod konfrontiert, das heißt mit emotional starken Belastungen. Hinzu kommen nicht selten chronischer Zeitmangel, Hektik und Stress. Die eindruckvollsten Erfahrungen liegen hier bei Krankenschwestern vor, die hoffnungslose Krebskranke pflegten. Diese Krankenschwestern bringen ein hohes Maß an Idealismus mit und sie nehmen großen Anteil am Leiden ihrer Patienten. Dennoch sind sie nach kurzer Zeit vom Ausbrennen bedroht, weil sie sich rückhaltlos für Patienten engagieren, die einer nach dem anderen sterben und aus dem Leben der Schwestern verschwinden. Überdies ist der sterbenskranke Krebspatient, oft unter schwersten Schmerzen leidend, aus verständlichen Gründen meist nicht der rücksichtsvollste, dankbarste und zugänglichste Patient.

Stress und Hektik bestimmen also zunehmend den Alltag in Kliniken aber auch in Arztpraxen. Kein Wunder, dass für einen fachlichen Austausch zwischen ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern oft die Zeit fehlt.

All diese Faktoren organisatorischer, kommunikativer und zwischenmenschlicher Art haben Rückwirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis aber auch auf die Beziehung der Schwester oder des Pflegers zum Patienten und natürlich auf das Verhältnis des Arztes zum Pflegedienst und umgekehrt. Der Patient selbst wird dabei mehr und mehr an die Peripherie des medizinischen Handelns gerückt.

Hinzukommt ein Defizit in der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung: Es wurde und wird viel zu wenig vermittelt, wie man mit der zentralen Not von Ängsten, Leid und Tod umgehen kann. Darüber hinaus fehlen oft die Hilfen im Auffangen von Aggressionen, von Verzweiflung und dem häufigen Gefühl des Ausgeliefertseins. Hinsichtlich dieses Gefühls des Ausgeliefertseins beim Patienten möchte ich insbesondere darauf hinweisen, wie wichtig es ist, in der Pflege, im ärztlichen Gespräch und bei körperlichen und technischen Untersuchungen die Scham und Würde kranker Menschen zu respektieren und nur mit aller Behutsamkeit die Schamgrenzen zu überschreiten, denn wenn ein Kranker sich schämt, steht seine Würde auf dem Spiel. Leider erlebt der Patient meist auf Grund von Zeitmangel mancherlei Einbrüche in sein Schamgefühl oder auch wenn er all die Intimitäten bei anderen wahrnimmt.

Was bleibt ist oftmals ein Kleinkrieg der Worte um unseren frustrierten Gefühlen Luft zu verschaffen. Worte sind aber die Bausteine einer Sprache. Mit Bausteinen können wir etwas aufbauen, aber auch etwas zerstören. Mit Steinen wie mit Worten können wir Häuser bauen, ein Zuhause schaffen, kann ein Raum der Geborgenheit entstehen. Mit Steinen wie mit Worten können wir aber auch zuschlagen, können verletzen und zerstören und tiefe Spuren hinterlassen. Sie können entweder eine gedeihliche Atmosphäre schaffen oder auch das Klima einer Familie oder an einem Arbeitsplatz total ruinieren.

Weil wir alle noch auf dieser Erde leben sind wir oft mehr damit beschäftigt Mitarbeiter und sogar die uns anvertrauten Patienten mit Worten zu verletzen als sie zu tragen, zu ertragen und ihnen in Sanftmut und Geduld zu begegnen. Wir selbst fühlen uns unverstanden und unser böses Herz trieft von Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit. Dabei sagt Gottes Wort: „Wandelt in Weisheit gegen die, welche außerhalb der Gemeinde sind, und kaufet die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit anmutig, mit Salz gewürzt, damit ihr wisset, wie ihr einem jeden antworten sollt.“ (Kolosser 4,5+6)

Hier muss ich also immer wieder mein Denken überprüfen und ändern, muss ganz neu denken lernen – und die Gefühle werden langsam folgen. Es sind ja die Gedanken, die meine Gefühle beeinflussen, und die Gefühle wirken sich auf mein Verhalten aus. Es ist kein leichter aber ein sich lohnender Weg. Auch wenn mein Gefühl noch dagegen rebelliert, im Denken kann ich bereits einen neuen Weg gehen. Ich kann mich bewusst dafür entscheiden. Ich kann lernen loszulassen, kann mich innerlich davon distanzieren, was mir gesagt worden ist, was ich bisher geglaubt habe. Ich kann willentlich die Anschuldigungen gegen mich annullieren. „…denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Disziplin.“(2. Timotheus 1,7).

Ich darf mich vertrauensvoll zu meinem Vater im Himmel wenden. Er kennt meine Geschichte, meine Erfahrungen und meine Verletzungen. Er hat alles mitbekommen. Er weiß auch um meine Vorbehalte und Vorurteile, er kennt meine Ängste und meine Sehnsucht nach Verlässlichkeit und den Wunsch ihm am Arbeitsplatz richtig zu dienen.

Hier darf ich lernen zu vergeben und wo notwendig, auch selbst um Vergebung zu bitten. Nur wo ich vergeben kann, werde ich von innen her heil werden. Vergeben hat große Auswirkungen auf mein Leben. Ich bin dann nicht mehr gefühlsmäßig an die Person gekettet, die mich verletzt hat. Und damit hole ich meine Entscheidungsfreiheit zurück. Egal ob es eine Person verdient, dass ich ihr verzeihe. Ich selbst verdiene es frei zu sein. Lebe ich in Bitterkeit, weil ich einem Menschen seine Worte oder sein Verhalten nicht verzeihen kann, schade ich vor allem mir selbst. Der andere ahnt ja vielleicht nicht einmal, wie bitter er mich gemacht hat – aber in mir nagt und frisst es. Wenn ich vergebe, bin ich befreit und kann wieder leben! Vergeben ist dabei nicht gleichbedeutend mit vergessen. Ich werde mich sicher immer wieder daran erinnern, was mir angetan wurde, aber der bittere Stachel ist weg. Vergebung bringt inneren Frieden. „Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie Jesus Christus auch war…Tut alles ohne Murren und Bedenken, damit ihr unsträflich seid und lauter, untadelige Gotteskinder, mitten unter einem verdrehten und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt, indem ihr das Wort des Lebens darbietet…Eure Sanftmut lasset alle Menschen erfahren!“ (Philipper 2,5 + 14-16a + 4,5)

„Werdet nun Gottes Nachahmer als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns geliebt und sich selbst für uns gegeben hat als Gabe und Opfer für Gott, zu einem angenehmen Geruch.“

Epheser 5, 1+2a

Durch die Gnade Gottes dürfen wir lernen auch in der Beziehung zu Pflegekräften und Patienten, der Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist, mehr und mehr Raum zu geben. Denn:

Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich.Pflicht in Liebe erfüllen macht beständig.Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos.
Verantwortung in Liebe tragen macht fürsorglich.

Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart.
Gerechtigkeit in Liebe üben macht barmherzig.

Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch.
Freundlichkeit in Liebe ausstrahlen macht gütig.

Ordnung ohne Liebe macht kleinlich.
Ordnung in Liebe halten macht großherzig.

Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch.
Sachkenntnis in Liebe vermitteln macht vertrauenswürdig.

Stärke ohne Liebe macht gewalttätig.
Stärke in Liebe zeigen macht hilfsbereit.

Ehre ohne Liebe macht hochmütig.
Ehre in Liebe annehmen macht bescheiden.

Besitz ohne Liebe macht geizig.
Besitz in Liebe verwalten macht freigebig.

Glaube ohne Liebe macht fanatisch.
Glaube in Liebe leben macht friedfertig.

Ein Leben ohne Liebe ist sinnlos!
Die Liebe glaubt alles, hofft alles, erduldet alles.
Die Liebe hört niemals auf.

(1. Kor. 13,7-8)