Basismaßnahmen bei Depressionen

Autor: Dr. med. Matthias Klaus

Wer depressiv ist, sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Die Stimmung ist anhaltend trübe, die Motivation und die Freude fehlen. Häufig gesellen sich Schlaflosigkeit und rasche Erschöpfung hinzu. Die Gedanken kreisen – insbesondere in der Nacht – und lassen sich nicht stoppen. Dies sind nur einige der möglichen Symptome, die eine Depression kennzeichnen. Doch wie findet man heraus aus dem tiefen Loch? Wie kann eine Leiter nach oben gebaut werden? Der erste Schritt ist die ärztliche Einordnung, warum diese Symptome auftreten. Liegt eine körperliche Erkrankung oder eine familiäre Belastung vor oder sind die Symptome eine Reaktion auf schwere Lebensumstände? Unabhängig von der sich aus den jeweiligen Ursachen ergebenden spezifischen Behandlung, greifen die in diesem Artikel entfalteten Basismaßnahmen[1] bei jeder Art der Depression und helfen, die Symptome zu lindern oder gar zu überwinden. Die Basismaßnahmen bei Depressionen sind also nicht anstelle der spezifischen ärztlichen oder seelsorgerlichen Behandlung anzusehen, sondern als Grundlage, auf der die spezifischen Interventionen aufbauen.

1. Das vertrauensvolle Gespräch

Die wichtigste Säule bei der Behandlung von depressiven Symptomen ist das Gespräch. Der Betroffene braucht eine Beratung, in der er vermittelt bekommt, dass er mit seinen Beschwerden nicht isoliert dasteht. Die unterschiedlichen Puzzleteile, wie zum Beispiel Schlaflosigkeit, innere Unruhe und starke Stimmungsabsenkung, sind Ausdruck eines Gesamtbilds, nämlich eines depressiven Syndroms.[2] Es gilt, diese Symptome empathisch einzuordnen und in einem zweiten Schritt Hoffnung aufzuzeigen. Die meisten Depressionen klingen nach Wochen bis Monaten von selbst ab, die Prognose ist außerordentlich gut, auch wenn ein langer Atem nötig ist. Die Hintergründe, Symptome und typischen Verläufe einer Depression zu erklären, wirkt bereits therapeutisch (sogenannte Psychoedukation). Der Depressive ist seinen Krankheitszeichen nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann ihnen durch wirksame Maßnahmen entgegentreten. Er ist also nicht Opfer einer Erkrankung, die über ihn kommt, sondern kann aktiv an seiner Genesung mitwirken. Das Gespräch muss schließlich den ins Zentrum rücken, der unser Erschaffer und zugleich unser Erlöser ist – Jesus Christus. Durch ihn gibt es tragfähige Hoffnung, die auch in die tiefste Dunkelheit hineinleuchtet. Er ruft: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11,28–30) Im Zusammenhang mit einer Depression treten häufig aussichtlose Betrachtungsweisen bis hin zu Selbstmordgedanken auf. Wozu leben? Echte Antworten hierauf bietet allein Jesus Christus: Es lohnt sich zu leben, weil wir nicht nur von unserem Schöpfer gewollt, sondern auch innig geliebt sind. Wer Christus gehört, wer ihn mit Buße und im Glauben annimmt, darf aus den großen Verheißungen der Bibel Trost und Hoffnung schöpfen – und er bekommt täglich Kraft, gegen die Übermacht der lähmenden Gefühle anzukämpfen.[3]

2. Tagesstruktur

Eine wesentliche Basismaßnahme, um depressive Symptome zu bekämpfen, liegt in der Tagesstrukturierung. Aufgrund der raschen Ermüdbarkeit sowie dem fehlenden Antrieb werden häufig natürliche, tagesstrukturierende Elemente wie beispielsweise der Gang zur Arbeit oder zur Schule, sportliche Aktivitäten, Gemeinschaftsaktionen wie Treffen mit Familie und Freunden, Gottesdienstbesuche oder regelmäßige Mahlzeiten aufgegeben. Häufig steht dahinter die Überzeugung, dass die zusätzliche Ruhe und Entlastung zu einer Linderung der Depression beitragen. Leider ist jedoch häufig das Gegenteil der Fall. Beim Aufbau einer gesunden Tagesstruktur ist darauf zu achten, dass der Betroffene nicht überfordert wird. Dies gelingt durch einen schrittweisen Auf- und Ausbau einzelner Elemente im Tagesplan. Hilfreich sind klar definierte, konkrete Aufgaben, die täglich abgehakt werden können (beispielsweise Spaziergänge, regelmäßige Mahlzeiten, im Verlauf Sport, Erledigung von häuslichen Tätigkeiten, überschaubare Hilfeleistungen für Dritte). Geplante häufige Pausen zu Beginn des Strukturaufbaus werden sukzessive verkürzt. Entgegen der Neigung, sich zurückzuziehen, ist eine regelmäßige Teilnahme am Gottesdienst wichtiger Teil der Strukturierung. Das Ziel dieser Maßnahme besteht nicht darin, wieder das „alte“ Tagespensum zu erreichen. Wenn beispielsweise eine hohe körperliche Belastung, wie etwa das Pflegen von Angehörigen, zur depressiven Symptomatik geführt hat, dann ist an dieser Stelle eine Entlastung und Umstrukturierung der Lebenssituation vonnöten.[4]

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“

Matthäus 11,28–30

3. Sport

Eine der wirksamsten Methoden gegen depressive Symptome besteht in sportlicher Betätigung aller Art. [5] Dabei ist bemerkenswert, dass schon ein täglicher Spaziergang einen langanhaltenden positiven Effekt auf die Stimmungslage und Motivation hat. Wichtig bei der körperlichen Aktivität ist nicht so sehr die Intensität der Bewegung, sondern vielmehr die Regelmäßigkeit und eine ausreichende Dauer (mindestens 30 Minuten pro Tag). Häufig hilft es daher, Sport in einer Gruppe zu betreiben. Wer Sport treibt, verspürt einen nachhaltig stressmildernden Effekt, stärkt das Immunsystem, fördert die Schlafqualität und baut soziale Kontakte aus. Glückshormone werden ausgeschüttet, Stresshormone abgebaut, natürliche Killerzellen (Teil des Immunsystems) produziert und allgemein Herz und Muskeln gestärkt.[6]

4. Schlaf

Fast immer leiden Depressive unter Ein- oder Durchschlafstörungen, Früherwachen, Tagesmüdigkeit oder seltener an einer deutlich verlängerten Schlafdauer von bis zu 14 Stunden. Wer immer wieder erwacht und von Gedankenkreisen geplagt ist, fühlt sich tagsüber nicht erholt. Wenn am Tag versucht wird, den nächtlichen Schlafmangel auszugleichen, verstärken sich jedoch nachweislich depressive Symptome – eine Abwärtsspirale. Die Schlafqualität zu verbessern ist daher eine wesentliche Säule der Basismaßnahmen gegen Depressionen. Dies gelingt mittels konsequenter Schlafhygiene. Die fünf wesentlichen Schritte finden sich in der Infographik „5 Schritte zu einem erholsamen Schlaf‟.

5. Wachtherapie

Die Wachtherapie ist ein effektives Mittel, um kurzfristig und rasch depressive Symptome zu lindern. Hierfür wird eine Nacht lang ganz auf Schlaf verzichtet. Man bleibt also eine Nacht lang wach, macht weder vorher einen Mittagsschlaf noch in der Nacht kurze Nickerchen. Um eine gesamte Nacht wach zu bleiben, braucht es Verbündete, beispielsweise eine weitere Person, mit der man die Nacht über aufbleibt. Unterstützende Maßnahmen, damit es gelingt sind: ein nächtlicher Spaziergang, Bewegung mit Fitnessübungen oder Gesellschaftsspiele. Erst am Folgetag geht man zur üblichen Zeit ins Bett. Viele Depressive berichten, dass sie nach einer durchwachten Nacht bereits am nächsten Vormittag prompt eine verbesserte Stimmung und einen gesteigerten Antrieb verspüren. Dies stimmt hoffnungsvoll, da es zeigt, dass die Betroffenen tatsächlich noch gute Gefühle und Motivation wahrnehmen können. Der Nachteil besteht darin, dass die Wirkung nur von kurzer Dauer ist und meist am Folgetag bereits die depressive Grundstimmung zurückkehrt. Eine Wachtherapie kann beliebig häufig wiederholt werden, einige führen sie einmal pro Woche durch. Nur wenigen Personen ist von einer Wachtherapie abzuraten, hierzu gehören Patienten mit einer Epilepsie oder mit der Diagnose einer bipolaren Erkrankung.

6. Lichttherapie

Für die saisonal betonte Depression eignet sich in vielen Fällen eine Lichttherapie. In den dunklen Monaten kommt es bei einigen Menschen durch die nur kurze Sonnenscheindauer zu einer regelmäßig im Herbst und Winter auftretenden Depression. Der fehlende Sonnenschein wird mit einer speziellen Lichtlampe mit einer Helligkeit von 10.000 Lux ausgeglichen (zu beziehen via Rezept oder frei verkäuflich über eine Apotheke). Hierfür setzt man sich in einem Abstand von circa einem halben Meter von der Lampe entfernt hin, ohne direkt in die Lampe zu blicken. Dies sollte täglich je 30 Minuten lang für mindestens 30 Tage angewandt werden. Anschließend kann beurteilt werden, ob die Lichttherapie wirksam ist und die depressiven Beschwerden gemildert wurden. Bei guter Wirksamkeit sollte die Lichttherapie konsequent während der gesamten Wintermonate fortgeführt werden.

7. Ernährung

Eine gesunde Ernährung fördert das allgemeine Wohlbefinden. Sie sollte praktisch, schmackhaft und sättigend sein. Nicht die zeit- und kostenintensive Diät führt zum Ziel, sondern einfache Schritte: ein hoher Anteil an Gemüse, Obst und gesunden Ölen, sättigende Beilagen, weitgehender Verzicht auf Fastfood, Süßigkeiten oder Knabbergebäck. Außerdem sind regelmäßige Mahlzeiten (drei- bis viermal täglich), am besten in Gemeinschaft dienlich.[7]

8. Fazit

Mit Hilfe der Basismaßnahmen kann der Depressive unter Anleitung und Motivation durch Angehörige, Seelsorger und Ärzte das Heft des Handelns (wieder) in die Hand nehmen.

„Du hast mir meine Klage in einen Reigen verwandelt; du hast mein Trauergewand gelöst und mich mit Freude umgürtet, damit man dir zu Ehren lobsinge und nicht schweige. O HERR, mein Gott, ich will dich ewiglich preisen!“

Psalm 30,12–13

[1] Siehe hierzu Selalmazidou, A.-M. et. al.: Depression: Niedrigschwellige Kardinalmaßnahmen als Basis jeder Behandlung. Fortschr Neurol Psychiatr 2023; 91(12): 523-534. DOI: 10.1055/a-2169-2120
[2] Hier kann nicht genauer darauf eingegangen werden, dass die Psychiatrie vorrangig deskriptiv, also beschreibend vorgeht. Das depressive Syndrom (also das Nebeneinander von verschiedenen charakteristischen Symptomen über mehr als mindestens zwei Wochen) wird als Depression bezeichnet. Dabei meint Depression nicht, dass es sich um eine eigentliche Krankheit handelt, sondern beschreibt lediglich den Zustand des Patienten. Die Ursache ist damit keineswegs geklärt.
[3] In einem zweiten Schritt werden hier spezifische Maßnahmen folgen: Welche Grundüberzeugungen verbergen sich hinter den Depressionen? Welche biblische Wahrheit steht diesen Grundüberzeugungen entgegen? Wie können sie überwunden werden? Vergleiche hierzu Antholzer, R.: Lehrbuch Biblische Seelosrge, Band IV. Hamburg: tredition. 2021. S. 113–154.
[4] Vergleiche hierzu Somerville, R. B.: Christ & depressiv. Wie kann das sein? Dübendorf: Verlag Mitternachtsruf und Christliche Verlagsgesellschaft. 2. Auflage 2019. S. 65–67.
[5] Noetel, M. et al.: Effect of exercise for depression: systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ. 2024 Feb 14; doi: 10.1136/bmj-2023-075847.
[6] Hier sei exemplarisch auf eine Studie verwiesen. Mathot, E. et al.: Systematic review on the effects of physical exercise on cellular immunosenescence-related markers – An update. Exp Gerontol. 2021 Jul 1. doi: 10.1016.
[7] Zur weiteren Lektüre empfohlen: Prock, P.: Welchen Stellenwert hat Lebensstilmedizin in der Seelsorge. Waldems: 3L Verlag. 2019. und Prock, P. u. G.: Essen ist mehr. Ernährung aus biblischer, wissenschaftlicher und praktischer Sicht. Augustdorf: Betanien. 2019.


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