Leiden, Krankheit und Tod im Licht der Bibel

Leiden, Krankheit und Tod im Licht der Bibel

Schon der griechische Philosoph Epikur beruhigte sich mit dem Gedanken:

Der Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist der Tod nicht da.
Wenn er da ist, leben wir nicht mehr.

Leid hat viele Gesichter. Im folgenden Vortrag will ich mich auf jene Teilmenge/Form von Leid konzentrieren, mit der Sie als Mediziner in besonderer Weise befasst sind: (Körperliche) Krankheit und Tod. Krankheit und Tod sind enge Verwandte, sie gehören zur selben Familie, sie entstammen einer gemeinsamen Quelle. Wir werden Krankheit und Tod nur dann angemessen verstehen und einordnen können, wenn wir die Quelle kennen.

Sie merken: Mit dieser Fragestellung bewegen wir uns in einem Bereich, der über die klassische Medizin hinausführt. Wir suchen nach Informationen, die nicht allein durch empirische Forschung als Erfahrungswissen gewonnen werden können. Der Standort, von dem aus wir unser Thema in den Blick nehmen, wird im zweiten Teil der Überschrift benannt: Krankheit und Tod im Licht der Bibel. Das ist die große Freude und das Vorrecht der Christen – das macht auch den Unterschied zwischen einem christlichen und einem nichtchristlichen Medizinerkongress aus: Unser Leben gehört keinem toten, sondern einem lebendigen Gott. Dieser Gott „ist keine Illusion… und er schweigt nicht“ (Francis Schaeffer). Er hat uns seine Gedanken in einem schriftlichen Dokument offenbart. Darum haben wir durch die Bibel Zugang zu einer einzigartigen Informationsquelle, die uns den Menschen (auch den kranken Menschen) tiefer und besser verstehen lässt als jedes andere Lehrbuch der Welt.

Deshalb fühle ich mich als Theologe auf einem Medizinerkongress sehr wohl und überhaupt nicht fehl am Platze. Wir kümmern uns beide, Mediziner und Theologen, um den gleichen Menschen. Wir brauchen beide den interdisziplinären Austausch. (In der praktischen Seelsorge gibt es immer wieder Situationen, in denen ich einen Mediziner zu Rate ziehe.) Und wenn wir beide Christen sind – das ist weder für Mediziner noch für Theologen selbstverständlich – und dieser einzigartigen Bibel vertrauen, dann sind wir ausgerüstet, um uns miteinander den schweren Fragen nach Leid und Tod zu stellen.

Um uns herum, unter unseren säkularen Zeitgenossen, breitet sich aus, was Philosophen die „postmoderne Fragmentierung“ nennen: Alles bleibt nur Stückwerk (Fragment) – es gibt keinen zusammenhängenden Sinn. Geschichte ist nicht mehr als eine Ansammlung von Zufällen. Es gibt keine verbindlichen Maßstäbe, keine allgemeingültigen Wahrheiten - und darum auch keine wirkliche Antwort auf Krankheit und Tod. Nur der Starke überlebt – Darwin nennt das „survival of the fittest“ – aber auch der Starke überlebt nur für kurze Zeit. Der Tod bleibt stärker. Die Postmoderne entlässt unsere Zeitgenossen, gleich ob sie arm oder reich sind, in einen hoffnungslosen Nihilismus.

Sicher, auch Christen haben nicht für jede einzelne Frage eine Patentantwort. Aber wir haben ein Koordinatensystem, eine Gesamtschau, eine umfassende Weltanschauung. Wir wissen, dass Leben und Sterben nicht ein zufälliges Wechselspiel darstellen. Gottes Offenbarung sagt uns, woher der Mensch kommt, wozu er lebt, worauf er hoffen darf. Jeder einzelne Mensch zählt.

Und Gottes Offenbarung sagt uns ebenso, wie es dazu kommen konnte, dass Krankheit und Tod eine solch bedrohliche Macht über den Menschen gewannen.

Das war nicht immer so. Es gab einen Zeitpunkt in der Geschichte, da konnte Gott sein gesamtes Schöpfungswerk, auch den Menschen, mit einem ungetrübten Gütesiegel versehen: „Es war alles sehr gut.“ (Gen.1,27.31)

Aber es blieb nicht sehr gut. Und damit stehen wir vor der ersten Wahrheit, welche uns die Bibel über Krankheit und Tod mitteilt:

Krankheit und Tod haben eine beschreibbare Ursache.

Krankheit und Tod sind Brüder, die aus einer gemeinsamen Quelle entspringen. Sie gehen zurück auf ein historisches Ereignis, das im 3. Kapitel der Bibel berichtet wird. Gen.3,16-19 beschreibt das Ergebnis der Tragödie.

Was war zuvor geschehen:

Die ersten Menschen lehnen sich gegen Gottes Gebot auf. Die Rebellion beginnt nicht mit ihren Händen, sondern in ihren Herzen. Bevor Sünde zur Tat wird, ist sie bereits Gedanke, Gesinnung. Das erste Menschenpaar misstraut seinem Schöpfer, verweigert ihm den bedingungslosen Glauben. Sie lassen sich von der Lügenpropaganda des Satans zur Sünde anstiften. Und kurz danach müssen sie feststellen, dass die Schlange sie betrogen hat. Das Paradies ist verloren – und die Folgen sind dramatisch: Trennung von Gott. Und diese Trennung hat weitere Folgen: Auch die Beziehung zwischen Mensch und Mensch wird nun schwer belastet. Schon unter den Söhnen von Adam und Eva beginnt es mit Mord und Totschlag (Gen.4).

Jenseits von Eden muss der Mensch mit Mühsal, Schmerzen und Krankheit kämpfen. Wer vom ewigen Gott getrennt ist, wird vergänglich, sterblich. Nachdem der Mensch die Beziehung zu seinem Schöpfer schuldhaft zerstört hat, muss er die Folgen am eigenen Leibe erfahren.

Der Apostel Paulus bringt die Situation auf den Punkt:

Rö.6,23: Der Sünde Sold (Lohn) ist der Tod.

Rö.5,12: Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und der Tod durch die Sünde.

Damit erfüllt Gott sein Wort, das er schon vor dem Sündenfall gesprochen hatte (Gen.2,17): „Sobald du davon isst [also Gottes Gebot übertrittst], wirst du gewiss sterben.“ Der Tod ist der Lohn der Sünde. Der Tod ist Gottes spürbares Urteil über unsere Sünde.

Darum sagt Mose: „Du lässt die Menschen zum Staub zurückkehren.“ (Ps.90,3) Auch er stellt den Zusammenhang zwischen Schuld und Tod her: „Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen… denn unsere Missetaten stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.“ (Ps.90,7-8)

Warum wählt Gott als Strafe für die Sünde ausgerechnet den Tod? Bedenken wir: Adam und Eva, angestiftet vom Satan, wollten selbst „sein wie Gott“ (Gen.3,5). Mit dem Tod setzt Gott ihnen eine unüberwindbare Grenze, die von jetzt an zwischen Gott und Mensch unterscheidet: Gott ist ewig – der Mensch ist vergänglich.

Was mit einem durch Unglauben vergifteten Herzen beginnt (Mt.15,17ff.), endet mit einem von Krankheit zerfressenen Körper. Sünde zieht am Ende immer den Tod nach sich. Dabei unterscheidet die Bibel zwei verschiedene Modi (Arten) des Todes:

Am Anfang steht der geistliche Tod – die Trennung vom heiligen Gott und damit von der Quelle des Lebens (Eph.2,1-3; vgl. Lk.15,24).

Die äußere Folge ist der leibliche Tod, der sich wiederum ankündigt in den Vorboten der Krankheit.

So also lautet die erste Antwort der Bibel auf die Frage von Krankheit und Tod: sie haben eine beschreibbare Ursache. Sie gehen zurück auf ein konkretes Ereignis, das sich zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte an einem bestimmten Ort zugetragen hat. Da hat der Mensch seinen Tod selbst verschuldet.

Schon hier wird der Gegensatz zur Weltanschauung der Evolution überdeutlich: dort ist der Tod schon in der Welt, bevor es den Menschen überhaupt gibt. Dort werden Mutation und Selektion als Werkzeuge des Lebens verherrlicht. Durch den Kampf ums Überleben, Töten und Getötetwerden, kommt es zur Höherentwicklung der Arten. Als der Mensch endlich entsteht, ist dem schon eine lange Geschichte des Kämpfens und Tötens (eben der Selektion) vorausgegangen. Der Tod ist konstruktiv und produktiv, er schafft Leben, so wollen es die Darwinisten glauben.

Während der Mensch sich so mit Hilfe der Evolutionstheorie selbst entschuldigt und seine moralische Verantwortung ignoriert, konfrontiert uns der Schöpfer mit seiner Diagnose, die da lautet: Du bist schuldig – deshalb musst du sterben. Seit jenem Ereignis, seit dem sog. „Sündenfall“, steht der Mensch unter dem verdienten Zorn des heiligen und gerechten Gottes. Das müssen wir wissen, um uns darauf einzustellen, um richtig darauf zu reagieren.

Zu gern würden wir auch noch eine andere Herkunftsfrage beantworten: Woher kam die Schlange? Genauer: Woher kam der Satan, der sich dieser Kreatur bediente? Wie konnte es in einer perfekten Schöpfung zur Existenz des Teufels kommen? In der Theologie wird diese Frage mit dem lateinischen Begriff „unde malum“ umschrieben (woher kommt – ursprünglich - das Böse?).

Offenkundig müssen wir die Antwort auf diese Frage nicht unbedingt wissen, denn Gott hat uns darauf keine genaue Antwort offenbart. Wie die böse Gesinnung in Satans Herzen wachsen konnte, erfahren wir nicht. Wir werden über unsere Schuld aufgeklärt und können uns nicht hinter dem Teufel verstecken. Das hatte bekanntlich schon Eva versucht. Als Gott sie zur Rechenschaft zieht, verweist sie auf die Schlange (Gen.3,13). Gott aber macht sie – und nicht zuletzt ihren Mann – für den Sündenfall mit verantwortlich.

Und was für Adam und Eva gilt, das macht auch vor ihren menschlichen Nachkommen nicht halt. Dies führt uns zur zweiten These über die biblische Sicht von Krankheit und Tod:

Krankheit und Tod haben eine universale Reichweite.

Rö 5,12: …wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.

Paulus formuliert hier eine Regel ohne Ausnahme. Die Folgen des Sündenfalls bleiben nicht auf die unmittelbar Beteiligten beschränkt, sondern bekommen eine universale Reichweite. Von nun an ist die ganze Menschheit in den Strudel der „Erbsünde“ hineingezogen. Menschsein ist Sündersein. Jeder von uns, obgleich immer noch Geschöpf Gottes, wird in diese Verfallsgeschichte hineingeboren. Wir sind Opfer und Täter zugleich. Die sündige Gesinnung, das Misstrauen gegen Gott und der Egoismus liegen uns von Geburt an im Blut. Wenn wir wollten, dass unsere Kinder zu Kriminellen würden, müssten wir sie nur ohne jegliche Erziehung lassen. Wir müssten nur ihrem Eigenwillen freien Lauf lassen – dann wäre die Katastrophe vorprogrammiert. Denn die Sünde liegt uns allen im Blut.

Wir sind immer auch Täter, wir machen kräftig mit beim Aufstand gegen den heiligen Gott und seine Gebote. Wir sind moralisch voll verantwortlich und stehen alle unter dem gerechten Gericht Gottes. Darum müssen alle sterben.

Der Theologe D.A. Carson betont zu recht, dass wir unseren Tod mitverschuldet haben: Der Tod widerfährt mir nicht von selbst. Ich sterbe, weil ich ein Sünder bin. …ich bin das Subjekt meines Todes, nicht nur sein Objekt.[1]

In meiner Doktorarbeit habe ich mich u.a. mit einem Theologen beschäftigt, der Ihnen allen besonders nahe stehen müsste – denn er war von Haus aus Mediziner, und ein sehr begabter Mediziner dazu: Martyn Lloyd-Jones (1899-1981). Oft hat er darum die Arbeit des Arztes und des Predigers miteinander verglichen, wie auch in folgendem Zitat:

Das erste, was der Mediziner von seinem Patienten erfragt, sind dessen Beschwerden und Symptome. In gründlicher Detailarbeit wird so die Krankengeschichte ermittelt und manchmal bis in die Kindheit zurückverfolgt. (…) Der Prediger dagegen muss die einzelnen persönlichen Fakten seiner Adressaten nicht ermitteln. Weil er weiß, dass alle Menschen, die vor ihm sitzen, an derselben Krankheit leiden – an der Sünde. Die Symptome dieser Krankheit mögen bei den Einzelnen von Fall zu Fall sehr unterschiedlich aussehen. Aber die Aufgabe des Predigers besteht nicht darin, sich vorwiegend mit Symptomen zu befassen. Er muss die eigentliche Krankheit behandeln.[2]

Loyd-Jones verweist hier auf eine doppelte Totalität der Sünde: Sie erfasst alle Menschen. Und sie erfasst jeden dieser Menschen ganz. Der Mensch tut nicht nur einzelne Sünden (Lloyd-Jones nennt das „Symptome“), sondern er ist in seinem Herzen Sünder. Aus der faulen Wurzel (dem Herzen) erwachsen die einzelnen faulen Früchte (die Worte und Taten) – so hat es Jesus selbst gesagt (Mt.15,17-20).

Und genauso wie wir alle an der Sünde teilhaben, sind wir alle von ihren Konsequenzen betroffen. Darum haben Krankheit und Tod eine universale Reichweite. Hier werden alle Menschen gleich, wie groß auch sonst die Unterschiede sein mögen im Hinblick auf Besitz, Bildung, Können, Anerkennung. Der Politiker Benjamin Franklyn hat diese ernste Wahrheit in Humor gekleidet: „Es gibt in dieser Welt nichts Sichereres als die Steuern und den Tod.“

Allerdings müssen wir uns gegenüber einem Missverständnis verwahren, dem viele Menschen anhängen. Wenn die Bibel Krankheit und Tod mit der Sünde begründet, dann sagt sie nicht, dass jede einzelne Krankheit eines Menschen auf eine bestimmte Sünde zurückzuführen ist. Das hat Jesus ausdrücklich zurückgewiesen (Joh.9,1-3). Einzelne Krankheiten können aus Gottes Perspektive verschiedene Ursachen haben und sind nicht in jedem Fall Gottes Antwort auf eine bestimmte Sünde. Gewiss gibt es auch solche Beispiele, wenn wir etwa an den Tod von Ananias und Saphira denken, als Gott ihre Lügen direkt mit dem Tod bestraft (Apg.5).[3] Aber in dem Fall wissen wir es nur deshalb, weil die Bibel es ausdrücklich sagt. Unseren Zeitgenossen können wir nicht ins Herz schauen und ihnen auf den Kopf zusagen, dass ihr Nierenleiden eine Strafe Gottes sei. Diese Kompetenz haben wir nicht.

Viel wichtiger aber ist dieser Grundsatz, den uns die Bibel ausdrücklich lehrt: dass es überhaupt Krankheit gibt, dass wir Menschen überhaupt hinfällig und sterblich sind, ist darauf zurückzuführen, dass wir Sünder sind und in einer sündigen Welt leben.

Ja, auch in dieser Hinsicht muss die Reichweite, die Auswirkung von Krankheit und Tod als universal bezeichnet werden: die gesamte Schöpfung, nicht nur die Menschheit, wurde in die Folgen des Sündenfalls mit hineingezogen. In Rö.8 sagt Paulus, dass auch „die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen ist“ (V. 20) und „bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet“ (V.22). Genauso wie der Mensch ist auch die übrige Schöpfung von dieser unsäglichen Spannung gezeichnet: Wir tragen nach wie vor den „Fingerabdruck Gottes“ an uns, wir sind immer noch seine Geschöpfe, ausgestattet mit Schönheit und großartigen Möglichkeiten. Zugleich aber hat die Sünde ihr Zerstörungswerk an uns getan und unser Wesen bis ins Mark verdorben. Deshalb sind wir der Krankheit, Vergänglichkeit und schließlich dem Tod ausgeliefert.

Nach wie vor gilt die Größenordnung, die Psalm 90,10 vorgibt: „Unser Leben währet 70 Jahre – und wenn’s hoch kommt, so sind’s 80 Jahre.“

Angesichts der universalen Reichweite des Todes könnte man erwarten, dass die Bibel den Tod als etwas ganz Normales bezeichnet, mit dem wir uns eben abfinden müssten: „Alle Menschen müssen sterben – darum füge dich in dein Schicksal, du kannst ihm ohnehin nicht entkommen.“

Aber nein – das ist nicht die Sichtweise der Bibel[4]. Sie bezeichnet Krankheit und Tod weder als harmlos noch als „normal“, was uns zur dritten These führt:

Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar.

Die Menschen versuchen in ihrer Geschichte immer wieder und mit allen Mitteln das Gespenst des Todes zu vertreiben. Der Evolutionismus verherrlicht den Tod als Lebensspender (Selektion bewirkt Entstehung höherer Entwicklungsstufen). Ein moderner „Trick“, das Grauen des Todes durch einen mystischen „Zuckerguss“ erträglicher zu machen, ist die sog. „Sterbeforschung“. Zu ihren führenden Vertretern gehören Namen, die sicher auch bei Ihnen bekannt sind: Elisabeth Kübler-Ross, Raymond Moody, Robert A. Monroe

Wir haben jetzt nicht die Zeit, uns ausführlich mit ihren Thesen auseinander zusetzen, darum beschränke ich mich hier auf wenige Hinweise[5]:

Die von den „Sterbeforschern“ verbreiteten Erfahrungsberichte sind keine wirklichen Sterbeerlebnisse, weil ja die Befragten die Grenze zum Tod nicht überschritten haben.

Die Forscher selbst berichten von seltsamen Geisterfahrungen und Erlebnissen, die auf okkulten Hintergrund schließen lassen: E. Kübler-Ross habe persönlich Astralreisen und Zustände unbeschreiblicher Angst erfahren habe, auch habe sie Kontakt zum „Geist“ einer Verstorbenen gehabt. Monroe will ebenfalls Kontakte mit Geistwesen gehabt haben, die sich ihm als Verstorbene vorstellten.

Immer wieder taucht in den sog. „Sterbeerlebnissen“ ein rätselhaftes Lichtwesen auf, das den Menschen suggeriert, nach dem Tod werde für alle alles gut. Vom Tod gehe keinerlei Gefahr aus.

Die Botschaft des Lichtwesens bedeutet eine starke Verführung, da sie den Menschen einredet, sie müssten sich nicht auf das Sterben vorbereiten (und etwa ihr Leben mit Gott in Ordnung bringen), da ihnen ja nichts passieren könne.

Summa: Es gibt nur einen, der ein Interesse daran hat, Menschen auf diese falsche Fährte zu schicken. Das ist der Satan, dessen großes Ziel darin besteht, dass am Ende die Hölle möglichst gut gefüllt sein möge – mit ahnungslosen Sündern, die dem Tod unvorbereitet in die Arme liefen.

Die Bibel dagegen entlarvt den Tod in seiner ganzen Gefährlichkeit. Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar. Der Tod ist ein ernstzunehmender Gegner des Menschen. Als Jesus, der HERR des Lebens, zum Grab seines Freundes Lazarus kommt, da weiß er: Gleich werde ich ihn auferwecken (siehe Joh.11). Dennoch, obwohl Jesus in wenigen Minuten die Macht des Todes brechen und den Verwesungsprozess umkehren wird, heißt es von ihm, als er das Grab des Freundes und die Tränen der Trauernden sieht: „Und Jesus gingen die Augen über.“ (11,35)[6]

Paulus bezeichnet den Tod als den „letzten Feind“ des Menschen (1.Kor.15,26). Wir ahnen etwas davon, wenn wir am Grab eines vertrauten Menschen stehen: der Tod ist ein grausamer Bruch. Er macht die innere Hässlichkeit der Sünde äußerlich sichtbar.

Worin aber besteht nun die eigentliche Bedrohung, die vom Tod ausgeht? Immer wieder haben Menschen behauptet, sie hätten wohl Angst vor dem Sterben, den damit verbundenen Schmerzen und der Trennung von ihren Lieben. Aber sie hätten keine Angst vor dem Tod. Schon der griechische Philosoph Epikur (341-270 v.Chr.) beruhigte sich mit dem Gedanken: Der Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist der Tod nicht da. Wenn er da ist, leben wir nicht mehr.

Das Wort Gottes entlarvt diese Haltung als gefährliche Selbsttäuschung. Mit dem Tod ist eben nicht alles aus, genauso wenig ist der Tod der große Gleichmacher, wie es ein deutsches Volkslied behauptet: Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alles gleich…

Vielmehr kommt nach dem Tod die große Bilanz. Im Hebräerbrief (9,27) teilt Gott uns mit, was dann passieren wird: Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben – danach aber das Gericht (Gottes).

Hier liegt die eigentliche Bedrohung, die Krankheit und in ihrer Folge der Tod für den Menschen bedeuten: Der Tod ist das Tor, durch welches der Mensch in Gottes Gericht hineingeht. Im Augenblick des Todes wird die Sünde des Menschen verewigt. Anders ausgedrückt: Wer bis zu seinem Tod keine Bereinigung seiner Sünde gesucht und gefunden hat, wird auf ewig an sie gebunden bleiben. Die Bibel warnt davor, dass es ein „zu spät“ gibt, jenseits dessen wir nicht mehr zu Gott umkehren und Gnade erbitten können.

Heute, wenn Ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.

Hebr.4,7

Wer diesseits des Todes nicht zu Jesus Christus als seinem Retter findet, dem bleibt jenseits des Todes nur die ewige Verdammnis (Offb.20,12-15). Darum, weil die Situation des Menschen unter der Sünde als fundamental bedroht anzusehen ist (Joh.3,36), verpflichtet Paulus sich und seine Mitarbeiter zu leidenschaftlicher Mission:

Weil wir nun wissen, dass Gott zu fürchten ist, versuchen wir Menschen zu gewinnen.

2.Kor.5,11

Diese Formulierung sagt präzise, worin die eigentliche Bedrohung besteht. Paulus schreibt nicht: „Weil wir wissen, dass der Tod zu fürchten ist…“ – nicht der Tod ist das Hauptproblem, sondern das anschließende Gericht. Gott ist zu fürchten, ja, der heilige Gott, der seine Menschen liebevoll erschaffen hat und sie noch als Sünder voller Liebe erhält und zur Umkehr ruft. Dieser Gott ist zu fürchten, weil er als der Heilige keine Sünde dulden und in keiner Weise mit ihr Gemeinschaft haben kann.

„Meiner Sünde wegen habe ich den gerechten Zorn Gottes auf mich gezogen. Und dieser Zorn ist nicht nur die Folge irgendwelcher unpersönlicher Prinzipien…, sondern die persönliche, höchstrichterliche Reaktion Gottes auf die Sünde, der ich mich als verantwortlich handelnde Person hingegeben habe.“[7]

Paulus schreibt, dass Gott „seinen Zorn vom Himmel her offenbart“ (Rö.1,18) - und das ist nirgendwo deutlicher geschehen als am Kreuz von Golgatha. Kein anderer als sein sündloser Sohn Jesus Christus konnte die Sünde wegtragen. Niemand sonst hätte unsere Schuld auf sich nehmen und Sühne schaffen können. Nur das fehlerlose Lamm Gottes (Jes.53,4-6) hatte diese Kraft.

Der Theologe John Piper hat die Botschaft des Kreuzes so zusammengefasst:

Das Kreuz ist ein Zeuge für den unendlichen Wert der Ehre Gottes und ferner ein Zeuge dafür, wie riesengroß die Sünde meines Stolzes ist. Es sollte uns schockieren, dass wir Gottes Ehre so sehr mit Füßen getreten haben, dass nicht weniger als der Tod seines Sohnes nötig war, um diese Ehre zu verteidigen. So ist das Kreuz ein Zeuge für den unendlich großen Wert Gottes und das unendlich große Ausmaß meiner Sünde.[8]

Darin nun besteht die eigentliche Bedrohung, die vom Tod ausgeht: er liefert den Menschen dem Gericht des heiligen Gottes aus. Und der spricht das letzte Wort – nicht der Tod!

Damit kommt eine vierte Wahrheit in den Blick, die uns die Bibel über Krankheit und Tod offenbart:

Krankheit und Tod stehen unter der Macht Gottes.

Es gehörte zu den klassischen Kennzeichen des öffentlichen Wirkens von Jesus Christus, dass ER viele Kranke heilte (Mt.4,23; 9,35). Auch Tote wurden von IHM wieder zum Leben erweckt (Luk.7,14f.; Luk.8,54f.; Joh.11,43f.).

Damit bewies der HERR seine souveräne Macht über Krankheit und Tod. Die Wunderzeichen waren ein Ausweis seiner Messianität (Mt.11,2-6) und gaben eine Vorschattung davon, wie es in seinem ewigen Reich sein wird, wo Tod und Krankheit überhaupt keine Macht mehr haben dürfen (Ofb.21,1-7).[9]

Den endgültigen Beweis dafür, dass der lebendige Gott stärker ist als Krankheit und Tod, erbrachte die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Seitdem gilt Jesu Machtansage (Ofb.1,18):

Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit – und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.

Weil Jesus den Schlüssel hat, kann er aufschließen, wem er will. Damit ist angezeigt, wo der Ausweg aus der Sackgasse von Krankheit und Tod zu finden ist. Das führt uns zu einer 5. These.

Zuflucht vor Krankheit und Tod gibt es nur bei Jesus Christus.

Schon auf dem Friedhof von Bethanien, als ER die Leiche des Lazarus zum Leben erweckte, hat Jesus sich selbst als die einzige Zuflucht zu erkennen gegeben:

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, selbst wenn er stirbt. Und wer in seinem Leben zum Glauben an mich kommt, der wird nie mehr (wirklich) sterben. (Joh.11,25f.)

So schonungslos wie die Bibel den Tod und seine Härte entlarvt, so eindeutig und gewiss verspricht sie, dass es eine sichere Zuflucht und Rettung gibt. Dabei müssen wir präzise erfassen, worin das Versprechen Jesu besteht.

Manche haben gedacht: Weil Jesus alle Krankheiten heilen konnte, wird jeder, der an Jesus glaubt und zu ihm betet, auch heute von allen Krankheiten geheilt. So ist es von manchen Vertretern der Pfingstbewegung und Charismatischen Bewegung propagiert worden. Wenn das so wäre, müssten Christen logischerweise nicht mehr sterben.

Ich muss es hier mit Nachdruck sagen: Diese Verheißung gibt uns die Bibel an keiner Stelle.

Auch Christen haben in dieser Welt keinen Anspruch auf Heilung. Wir dürfen um diese beten und darauf vertrauen, dass Gott in seiner Weisheit das tun und geben wird, was für sein Kind in der jeweiligen Situation das Beste ist (vgl. Jak.5,13-20): Sei es Heilung, sei es Linderung, sei es mehr Kraft, um die Krankheit zu tragen. Diesseits des Himmels hat Gott keine körperliche Heilung um jeden Preis versprochen. Aber das hat er verheißen, „dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Rö.8,28). In diesem Sinne kann Paulus angesichts wechselhafter Lebensumstände feststellen: „ich vermag alles, durch den, der mich mächtig macht“ (Phil.4,13).

Auch wenn Jesus uns für dieses Leben keine körperliche Heilung versprochen hat, ist doch für alle, die an IHN glauben – und nur für die! -, das Verhältnis zu Krankheit und Tod grundlegend und nachhaltig verändert.

Die Ursache von Krankheit und Tod, das Wurzelproblem der Sünde, hat Jesus Christus für uns gelöst. Wer an ihn glaubt, wird von Gott freigesprochen, wird für gerecht erklärt. Das wird möglich, weil Jesus Christus die ganze Schuld für uns bezahlt, die ganze Strafe für uns getragen hat.

Mit seinem Sühnetod hat Jesus die Ursache von Krankheit und Tod entmachtet. Nun kann uns unsere Sünde nicht mehr von Gott trennen. Damit aber ist die eigentliche Bedrohung von Krankheit und Tod überwunden. Denn wir müssen uns nicht mehr vor Gottes Gericht fürchten. Wer sich vor Jesus als seinem Retter beugt, der wird schon in diesem Leben freigesprochen. Er ist schon hier dem geistlichen Tod entrissen und zum neuen Leben erweckt. Jesus sagt, dass alle, die an ihn glauben, „das ewige Leben HABEN“ (Joh.3,16). Damit aber wird für die Christen der körperliche Tod zum endgültigen Eintritt in das ewige Leben, das schon hier beginnt.

Am Ende erweist sich der Tod eben nicht als der große Gleichmacher, sondern als der große Zweiteiler. Die einen werden durch den Tod dem Gericht Gottes und damit der ewigen Verdammnis ausgeliefert (doppelter Ausgang der Geschichte). Für die anderen führt der Tod „in die Arme Jesu Christi“. Deshalb konnte Paulus sich freuen:

Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein.(Phil.1,23; vgl. Luk.23,43)

Paulus wusste, welch großartiges Ziel der allmächtige Gott für seine Kinder bereithält. Er wird uns mit einem Leib ausstatten, der dem Auferstehungsleib Jesu gleicht und dann nicht mehr von Krankheit und Tod angegriffen werden kann (Phil.3,20-21). Verglichen mit diesem Auferstehungsleib ist unser jetziger Körper nur wie eine „baufällige Hütte“, die wir einmal verlassen werden, um dann für immer in einem „strahlenden Palast“ zu leben:

Denn wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. (2.Kor.5,1).

Ich fasse zusammen: Weil der lebendige Gott die letzte Macht über Krankheit und Tod innehat (These 4.), ist auch bei ihm die einzige und wirkliche Zuflucht vor Krankheit und Tod zu finden (These 5.).

Schließlich ergibt sich aus Gottes Macht über Krankheit und Tod noch eine weitere Konsequenz, die wir in unserer 6. These festhalten (aber aus Zeitgründen nur noch kurz ausführen können):

6. Krankheit und Tod können von Gott zu aufbauenden Zwecken eingesetzt werden.

In der Gemeinde von Korinth hat Gott einige Gemeindeglieder mit Krankheit oder sogar Tod belegt, weil sie Frevel mit dem Abendmahl getrieben hatten und keine angemessene Ehrfurcht vor Gott zeigten (1.Kor.11,27-32). Es ist nicht gesagt, dass die Christen ihr Heil verloren haben. Die Krankheitsfälle dienten der Erziehung und Korrektur, die Todesfälle gar führten der Gemeinde vor Augen, wie ernst Gott sein Wort und seine Gebote nimmt.

Manchmal lässt Gott aber auch gehorsame Christen leiden (auch durch Krankheit), weil sie dadurch etwas Besonderes lernen und in besonderer Weise Gottes Nähe erfahren sollen. Ein bekanntes Beispiel ist der Apostel Paulus. Er hatte Gott mehrfach darum gebeten, ihm eine bestimmte Krankheit abzunehmen, aber dann eingesehen, dass Gott etwas anderes mit ihm vorhat: „Las dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Kor.12,9) Die Krankheit sollte Paulus in seiner Abhängigkeit von Jesus und dessen Gnade stärken. Gott ist souverän – darum kann er auch Krankheit und Tod zum Besten seiner Kinder dienen lassen.

Damit kommen wir am Ende zu einer 7. und letzten These, die das praktische Ergebnis unserer Überlegungen zusammenfasst.

Bisher konnten wir feststellen:

1. Krankheit und Tod haben eine beschreibbare Ursache.

2. Krankheit und Tod haben eine universale Reichweite.

3. Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar.

4. Krankheit und Tod stehen unter der Macht Gottes.

5. Zuflucht vor Krankheit und Tod gibt es nur im Glauben an Jesus Christus.

6. Krankheit und Tod können von Gott zu aufbauenden Zwecken eingesetzt werden.

Daraus ergibt sich eine 7. Wahrheit, die uns Gott über Krankheit und Tod lehrt:

Krankheit und Tod haben für Christen ihren letzten Schrecken verloren.

Damit ist nicht gesagt, dass Christen mit Leichtigkeit über das Leid hinweggehen und das Sterben in jedem Fall wie einen fröhlichen Spaziergang erledigen. Auch Paulus kannte dunkle Stunden, in denen ihn Traurigkeit und Verzagtheit anfielen. Auch Paulus wollte lieber gleich von Gott „überkleidet“ als zunächst „entkleidet“ werden (2.Kor.5,4). Mit anderen Worten: Ihm wäre es sicher auch lieber gewesen, wenn Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiedergekommen wäre und dem Paulus und seinen Mitchristen dadurch das Sterben erspart geblieben wäre. Wer wünschte sich das nicht.

Auch als Nachfolger Jesu Christi singen wir dieses Lied manchmal mit bangem Herzen:

Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut: Mach’s nur mit meinem Ende gut.

Jesus selbst hat uns auf diese Probleme vorbereitet: „In der Welt habt ihr Angst…“

Doch dann fügt er hinzu: „…aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Joh.16,33

Auch als Kinder Gottes sind wir nicht immer unerschrocken, aber wir stehen unter dem Schutz eines Stärkeren. Darum muss sogar der Tod seinen letzten Schrecken verlieren, weil Jesus uns sicher durch die Stürme und hin zum Ziel bringt. Martin Luther hatte folglich recht, als der dem Tod entgegenhielt:

Tod, wie schreckst du mich. Kennst du nicht den einen, der von sich sagt: Ich habe die Welt überwunden. Die Zähne kannst blecken, aber fressen kannst nicht. Denn Gott hat uns den Sieg über dich gegeben.

Mediziner, die mit dieser Gewissheit und mit den hier genannten Einsichten leben, haben für ihren Dienst eine besondere Chance. Sie können Ihre Patienten aus Gottes Perspektive sehen – als Geschöpfe und Sünder zugleich. Sie wissen, wie Krankheit und Tod ursprünglich entstanden sind. Sie kennen persönlich den HERRN über Gesundheit und Krankheit, über Leben und Tod. Sie wissen, dass sowohl Krankenhaus als auch Friedhof nur Durchgangsstationen sind – keine Endstationen. Sie wissen auch, dass körperliche Gesundheit nicht das Wichtigste und nicht das Entscheidende ist. Und Sie wissen zugleich, dass die Möglichkeiten der Medizin eine gute Gabe des Schöpfers darstellen, mit der Sie den Menschen dienen können.

Aber selbst dort, wo Ihre medizinischen Möglichkeiten nicht mehr weiterhelfen, wo alle medizinischen Hoffnungen an ihr Ende kommen, haben Sie immer noch einen Ausweg, ja mehr noch: einen Retter, auf den Sie Ihre Patienten hinweisen können. Sie kennen den größten Arzt, den es gibt. Und der kann sogar die schlimmste Krankheit heilen, die „Krankheit zum Tode“.

Wer in Jesus Christus seinen Arzt gefunden hat, darf sich auf das ewige Leben freuen!

 

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Quellen-Nachweis

[1] Ach Herr, wie lange noch? Gedanken über das Leiden und andere Nöte, dt. Marburg 1993, S.7.

[2] Preaching and Preachers, Grand Rapids 1972, S.133f.. Deutsche Übersetzung in Nestvogel, Dynamisch evangelisieren, Wuppertal 2001, S.123f..

[3] Vgl. auch das böse Ende des Herodes (Apg.12,19-23) oder den Aussatz des Gehasi (2.Kö.5,20-27). In anderen Fällen ist Krankheit die natürliche Folge von Sünde, wenn wir z.B. an Geschlechtskrankheiten oder eine durch homosexuelle Praxis hervorgerufene Aids-Erkrankung denken.

[4] So lehrt vielmehr die Philosophie der Stoiker, wie sie im 4. Jh. vor Christus begründet wurde.

[5] Ausführlicher siehe: Rudolf Möckel, Ist Sterben doch ganz anders?, hg. von der Bekenntnisbewegung, Filderstadt.

[6] Man kann auch übersetzen: „Und Jesus begann zu weinen.“

[7] Carson, aaO (vgl. Anm.1), S.107.

[8] The Supremacy of God in Preaching, Grand Rapids 2000, S.32, Übersetzung nach Nestvogel, op.cit., 144f..

[9] Zur Funktion der Zeichen und Wunder bei Jesus und seinen Aposteln siehe ausführlicher meinen Aufsatz: „Zeichen und Wunder der apostolischen Zeit – Maßstab für heute?“, Neudruck beim Bibelbund-Verlag: Hammerbrücke 2003.


Heilungsvorstellungen zwischen Wissenschaft und Glaube

Heilungsvorstellungen zwischen Wissenschaft und Glaube

„Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister,
ob sie aus Gott sind, denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen.“

1. Johannes 4,1

1. Einleitende Worte

Dieser Artikel entstand auf der Grundlage eines Vortrags, der auf dem CDK-Seminar 2016 in Hannover von mir gehalten wurde. Aufgrund des begrenzten Umfanges dieses Artikels, kann das Thema bei weitem nicht umfassend und auch nicht ausreichend ausgewogen bearbeitet werden. Ich beschränke mich bewusst auf einige wenige Aspekte des genannten Themas, versuche dabei aber aus meiner Sicht wichtige Schwerpunkte zu setzen.
Der auf dem Seminar gehaltene Vortrag kann über CDK bezogen werden.

2. Einleitung

Wie uns die Bibel berichtet, gab es nach der Erschaffung des Menschen im Garten Eden keine Krankheiten. Es war vielmehr alles „sehr gut“ . Erst durch die Sünde der ersten Menschen, durch den ersten Ungehorsam mit dem Griff nach der von Gott verbotenen Frucht, kam das Böse und damit auch der Tod und die verschiedenen Leiden in die Welt. Genesis 3,16 + 19 (auszugsweise):

Zu der Frau sprach er: Ich werde sehr vermehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären!
Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen,
bis du zurückkehrst zum Erdboden, denn von ihm bist du genommen.
Denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren!

Die uns vorliegenden archäologischen Zeitzeugen legen nahe, dass der Mensch bereits kurz nach dem Sündenfall mit verschiedentlichen Arten der Heilkunst und Heilkunde die jetzt auftretenden Krankheiten zu behandeln begann. Dabei führte der Wunsch des Menschen Leiden zu lindern und Krankheiten zu heilen zwangsläufig dazu, sich mit der Herkunft und den Ursachen der Erkrankung auseinanderzusetzen. Es mussten im weitesten Sinne letztlich Antworten auf folgende Fragestellungen gefunden werden:

  • Was ist Gesundheit?
  • Was ist Krankheit?
  • Welche Krankheitskonzepte haben wir?
  • Wie sehen unsere Heilungskonzepte aus?

An der Medizingeschichte kann man sehr gut aufzeigen, dass die Vorstellung von der Welt, der Glaube / die Religion und die Sicht auf den Menschen unweigerlich einen großen Einfluss auf die Krankheits- und Heilungskonzepte hat. So ist uns aus dem Schamanismus ein magisch-mystisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit bekannt. Man versucht innerhalb dieses Konzeptes einen Kranken dadurch zu therapieren, indem man durch Beschwörungen den sog. krankheitsverursachenden Dämon aus dem Körper des Kranken vertreiben möchte.

Im Altertum herrschte ein sog. theurgisches Medizinmodell vor. Dazu gehörte die Vorstellung, dass Krankheit eine Strafe der Götter ist.
In Europa des Mittelalters war sehr lange Zeit die gängige vertretene Lehrmeinung die Humoralpathologie. Entstanden in der Antike setzte sich dieses Lehrkonzept bis in das 19. Jahrhundert immer wieder durch. Erst Robert Koch und Rudolf Virchow brachten dieses Krankheits- und Heilungskonzept durch ihre geniale Forschung zum Einsturz.
Heute stehen in der Medizin auf der einen Seite die Krankheitskonzepte der wissenschaftlich geprägten modernen Medizin den alternativen Verfahren im weitesten Sinne gegenüber. Dabei wenden sich in der westlichen Welt - aufgrund vielerlei Ursachen - immer mehr Menschen von den „reinen“ wissenschaftlichen Behandlungen ab und den Behandlungen der sog. „alternativen Heilverfahren“ mit einem anderen weltanschaulichen Hintergrund (Esoterik, Anthroposophie, Traditionell-Chinesische Medizin) zu. Dies kann man allein schon an den für diese Verfahren ausgegebenen Geldern problemlos nachweisen.

Für den an Jesus Gläubigen kommt als Patient aber auch als Behandler damit die Frage auf, „Wie sollten die verschiedenen Krankheits- und Heilungskonzepte bewertet werden? Wie sieht die Bibel Krankheit?

3. Was sagt die Bibel zu Krankheit und Heilung?

3.1 Das biblische Menschenbild

Wenn wir uns mit der Frage auseinander setzen wollen, was die Bibel zu dem Thema „Krankheit und Heilung“ zu sagen hat, müssen wir als erstes darüber nachdenken, wie die Bibel den Menschen sieht. Die Vorstellung, die wir von dem Menschen haben, wird unweigerlich auch unsere Krankheits- und Heilungsvorstellung prägen. Ob für uns der Mensch ein transzendentales „Gott-/Menschwesen“ ist, ob er das Ergebnis eines langen Evolutionsprozesses ist oder ob er ein Geschöpf Gottes ist, jede dieser Vorstellungen von dem Menschen wird unweigerlich und deutlich Einfluss auf unser Konzept und Verständnis von Krankheit und Heilung haben.

In der Bibel finden wir sehr klar, wer der Mensch überhaupt ist und wozu er da ist. Diese Fragen nach dem Woher und Wozu kann uns keine Wissenschaft schlüssig beantworten.

Die Bibel sagt eindeutig, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist und nach seinem Ebenbild geschaffen wurde. Er ist kein Produkt des Zufalls oder einer unpersönlichen Evolution. In Genesis 1,27 heißt es:

„Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild,
im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie.“

Damit ist klar, dass Gott den Menschen in seinem Bilde als Mann und Frau geschaffen hat. Er ist es, der den Menschen, so wie er ist, geschaffen hat. Er ist der Lebensspender und er ist derjenige, der auch das Leben wieder nimmt. Dabei schafft Gott den Menschen aus Zwei (Geist = „Atem des Lebens“ und Materie = „Staub vom Erdboden“) zu einer Dreiheit (Geist, Seele und Leib) (siehe Graphik)

3.2 Der Sündenfall als eigentlicher Ursprung und Ursache des Todes und aller Leiden

Mit dem Sündenfall des Menschen kam das Leid, die Krankheit und auch der Tod in das Leben der Menschheit hinein.
In Genesis 2,17 lesen wir:

„aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen,
davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst,
musst du sterben!“

und weiter in Römer 5,12:

„Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist
und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben“

Seit diesem Zeitpunkt leidet der Mensch, aber auch die Natur unter dem Sündenfall und erwartet die Erlösung (siehe Römer 8,19-23). In diesem allgemeinen Sinn haben somit alle Krankheiten und alles Leiden seinen letztlichen Grund in dem Sündenfall. Dabei sollten wir darauf achten, dass ein oberflächliches Zurückführen einzelner konkreter Leiden oder Krankheitsfälle immer auf eine bestimmte Sünde dem Befund der Bibel nicht gerecht wird (vgl. Joh 9,2 ff.; 11,3 ff.). Insbesondere das Buch Hiob zeigt uns sehr deutlich, dass es sehr wohl Leid gibt, das nicht auf der persönlichen Schuld des Leidenden zurückzuführen ist.

3.3. Persönliche Schuld vor Gott als Ursache von Krankheit

In einigen Fällen ist die Ursache von Krankheit konkrete Sünde im Leben des Erkrankten. In der Bibel finden wir an vielen Stellen im Alten und Neuen Testament, dass Gott bestimmte Übertretungen seiner Gebote und Anweisungen mit konkreten Krankheiten bestrafen kann. Es ist kein Automatismus und auch nicht immer so, aber es ist durchaus möglich (Beispiele: 2. Könige 5,27; 2. Chronik 26,16.19-21, Joh 5,5-14; Apg 12,23).

Außerdem kann auch eine unbiblische, falsche Lebensweise zu Erkrankungen führen. Ich denke da einmal an eine falsche und übermäßige Ernährung. Jährlich entstehen extrem hohe Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund falscher und übermäßiger Ernährung, die zu vielerlei Folgekrankheiten führt. Die Bibel mahnt an mehreren Stellen sehr einfach aber konkret einen richtigen Umgang mit dem Essen an (Römer 13,13; Galater 5,21). Wenn diese einfache Anweisung der Bibel von uns Christen mehr beachtet würde, könnten viele Erkrankungen, die infolge eines Übergewichtes (Adipositas) auftreten, vermieden werden (z.B. Herzkreislauf-erkrankungen, Bluthochdruck, sog. „Alterszucker“ oder Diabetes mellitus Typ II, Gelenkbeschwerden).

Außerdem führt ein sorgloser und falscher Umgang mit Alkohol (Jesaja 5,11-12; Lukas 21,34; Galater 5,21) neben schweren Erkrankungen auch zur Zerstörung von Ehen, Familien und einer ganzen Gesellschaft. Als Christen sind wir da zu besonderer Wachsamkeit und Rücksichtnahme in Bezug auf den schwachen Bruder aufgerufen.
Weitere konkrete geistliche Ursachen für Erkrankungen können die Missachtung des 5. Gebotes „Ehre Vater und Mutter“ sein (Epheser 6,2-3), ein Leben voller Sorgen (Psalm 127,2; Sprüche 12,25; Matthäus 6,25-34; Lukas 10,40-42), Bitterkeit und Wut (Epheser 4,31-32; Kolosser 3,19), fehlende Vergebungsbereitschaft, aber auch die unwürdige Teilnahme am Mahl des Herrn (1. Korinther 11,30-32). In meiner täglichen Praxis als Arzt habe ich das ganz konkret nicht selten erlebt.

3.4 Weitere Ursachen

Die Bibel zeigt uns noch weitere Ursachen für Erkrankungen auf. Einmal kann Gott eine Krankheit nutzen um uns dadurch zu führen. Manche Möglichkeiten der Evangelisation, der Seelsorge und auch der konkreten persönlichen Führung können aus Erkrankungen erwachsen.

Außerdem nutzt Gott manche Krankheit um uns zu erziehen. Gott nutzt dann die Erkrankung, um eine Sinnesänderung in dem Einzelnen zu bewirken (1. Korinther 5,5; 2. Korinther 12,7-9a; Hebräer 12,6-11).

Gott kann aber auch die Erkrankung zu seiner Verherrlichung nutzen. Dies kann einmal durch eine wundervolle Heilung geschehen. Ein passendes Beispiel finden wir im Johannesevangelium in Kapitel 11, wo Jesus seinen erkrankten Freund Lazarus anfänglich nicht heilt, sondern dann aus den Toten auferweckt, damit Gott dadurch verherrlicht wird (Johannes 11,4). Auch die Erkrankung des Blindgeborenen in Kapitel 9 im gleichen Evangelium ist dafür da, damit durch die Heilung Gott verherrlicht wird (Johannes 9,3).

Aus der Kirchen- und Missionsgeschichte sind viele solcher wundersamen Heilungen bekannt und auch ich habe diese bereits mehrfach in meiner Tätigkeit erlebt. Dabei will ich aus gegebenem Anlass an dieser Stelle ausdrücklich vor den charismatischen Heilungspraktiken warnen. Diesen Praktiken fehlt der biblische Auftrag und das biblische Fundament und man muss davon ausgehen, dass wir es dabei nicht mit der Wirkung des Heiligen Geistes zu tun haben. Manchen Menschen mag es nach so einer „Heilung“ scheinbar wirklich besser gehen, aber ich halte das mehr dem Schwarmgeist geschuldet als wirklich "heilender Kraft". Außerdem wird von dämonischen Belastungen und Schuldgefühlen berichtet. Wer dann nicht geheilt wird, der hat aus Sicht der Charismatiker eben nicht genügend geglaubt. In der Bibel waren die Heilungen ganz anders. Sie kamen aus der Situation heraus, waren unspektakulär, vollständig und umfassend.

Krankheiten können aber auch zur Verherrlichung Gottes dadurch dienen, dass derjenige, der erkrankt ist, diese demütig und geduldig erträgt. Chronisch und z.T. Schwerkranke sind anderen zum Trost und zur Ermutigung grade durch ihr Leid geworden (2. Korinther 1,4-6). Es ergeben sich dadurch manchmal Möglichkeiten der Evangelisation und Seelsorge, die ansonsten ihnen verschlossen geblieben wären.

Die Bibel zeigt uns noch weitere Ursachen (Dämonen / Satan, Vererbung, ein falsches Gottesbild, falsche Glaubensüberzeugungen, etc.) auf die ich an dieser Stelle aufgrund des Umfanges nicht weiter eingehen möchte.
Krankheit und Therapie aus Sicht des „gläubigen“ Patienten

4. Christen können krank werden

Aus dem bisher gesagten ist eigentlich sehr klar ersichtlich, dass auch „treue“ Christen krank werden können. Da dies unter Christen aber immer wieder in Abrede gestellt wird, möchte ich nochmals kurz darauf eingehen.

Als Folge des Sündenfalls sind alle Menschen dem Tod „verfallen“, d.h. der Geist ist „geistlich“ tot, unser aller Seelen rebellieren gegen Gott und unser Körper ist der Vergänglichkeit unterworfen (Krankheit, Verfall und letztlich Tod). Durch die Bekehrung und Wiedergeburt, die durch Jesus Christus geschieht,  bekommen wir ein neues Leben. In Epheser 2,4-10 erklärt Paulus was die Errettung bewirkt: "Aber Gott ... hat ... auch uns, die wir in Sünden tot waren, mit Christus lebendig gemacht." Wir werden geistlich wieder zum Leben erweckt. Zur selben Zeit wird unsere Seele - durch Umkehr (Buße) und Glauben, die durch Gott bewirkt wird - von der Rebellion Gott gegenüber befreit.

Unsere Errettung wirkt sich dann aber auch auf unseren Körper aus. Von der Knechtschaft der Sünde befreit, wird unser Körper zu einem Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt und unsere Glieder werden zu Werkzeugen der Gerechtigkeit (Römer 12,1). Der Körper bleibt aber letztlich der Vergänglichkeit unterworfen bis zur Wiederkehr Jesu Christi. Dann wird unser Körper in einen unsterblichen Leib wie der Leib Christi verwandelt werden.

Wenn wir aufmerksam die Bibel lesen, finden wir neben dem eben gesagten noch weitere Belege dafür, dass Christen durchaus krank sein können. Der Abschnitt in Jakobus 5,13-18 gibt konkrete Anweisung für Christen, die erkrankt sind. Außerdem finden wir das Paulus krank wird und auch seine treuen Mitarbeiter erkrankten (Epaphroditus: Philipper 2,25-26; Timotheus: 1. Timotheus 5,23; Trophimus: 2. Timotheus 4,20). Selbst Jesus identifiziert sich ausdrücklich mit den Erkrankten, wenn er von dem Wert des Krankenbesuches spricht und in Matthäus 25,39 sagt: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“

4.1 Christen können, dürfen und sollten auch medizinische Hilfe in Anspruch nehmen

Bei manchen Christen ist dies nicht selbstverständlich. Die Beobachtung, dass der Arztbesuch des Asa (2. Chronik 16,12) verurteilt wird und der Verheißung „Ich bin der Herr, dein Arzt.“ aus 2. Mose 15,26 führt bei manchen zu dem Schluss, der Einsatz von Medikamenten, Medizin und der Arztbesuch sei für einen Christen nicht statthaft und nicht „gottgewollt“. Dies führt dann zu echten Problemen.

Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Bibel weder eine Verherrlichung der Heilkunst noch eine radikale Medizinkritik zu finden ist, sondern sie spricht sehr objektiv darüber.

So finden wir auf der einen Seite eine positive Wertung der Heilkunst. Als Jesus gegenüber den Schriftgelehrten seine besondere Zuwendung zu Sündern erläutert, begründet er dies mit der Tatsache, dass Kranke eines Arztes bedürfen. Er sagt in Markus 2,17: „Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken“. Diese positive Wertung der ärztlichen Hilfe ist beachtlich. Im Gesetz des Mose war festgelegt, dass wenn jemand einen anderen im Streit körperlich verletzt, er ihm das Ausfallgeld und die Behandlungskosten beim Arzt (!) bezahlen soll (2. Mose 21,19). Es dürfte auch hinlänglich bekannt sein, dass Lukas, einer der Evangelisten Arzt war (Kolosser 4,14).

Auf der anderen Seite ist die Bibel sehr realistisch und zeigt die Begrenztheit der ärztlichen Heilkunst sehr deutlich auf. Ärzte sind keine „Halbgötter in weiß“, sondern Menschen mit sehr begrenzten Fähigkeiten. In manchen Fällen kann von den Ärzten keine wirkliche Hilfe erwartet werden. In Markus 5,25-26 wird uns von einer kranken Frau berichtet, die von vielen Ärzten viel erlitten hatte, all ihr Hab und Gut dafür aufgewandt hatte und es hatte ihr nichts geholfen, sondern es war schlimmer mit ihr geworden.

Ein französisches Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert, das zum geläufigen Kernsatz der Palliativmedizin geworden ist, drückt die Aufgaben des Arztes so aus:
Guerir– quelquefois, soulager– souvent, consoler– toujours.

  • heilen – manchmal
  • lindern – oft
  • trösten – immer

Dies deckt sich sehr gut mit meiner persönlichen Erfahrung als Arzt. Ich habe fast täglich Patienten, denen man aufgrund ihrer Erkrankung eine Heilung nicht versprechen kann.

4.2 Christen sollten beten

Das Problem, dass manche Christen keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, betrifft - wenigstens in der westlichen Welt - sicherlich nur eine Minderheit der Christenheit. Viel häufiger erlebe ich leider das genaue Gegenteil davon. Viele Christen stehen in der Gefahr einer maßlosen Medizingläubigkeit anheim zu fallen.

Das Streben nach Gesundheit ist für viele Menschen in Deutschland zu einer Ersatzreligion geworden, mit der Menschen ihr religiöses Vakuum zu füllen suchen. Nachdem sie Gott den Tod erklärt haben, sind die Menschen - um ihr Vakuum zu füllen - heutzutage sehr empfänglich für Ersatzreligionen geworden. Die innere Leere versuchen sie dann mit anderen Dingen zum Beispiel mit fernöstliche Religionen, ausgiebigen Konsum oder eben der „Gesundheitsreligion“ zu füllen. Dieser „Gesundheitsfetischismus“ der westlichen Welt droht unbewusst auch auf die Christenheit überzuschwappen.

In der Tat: Wir kranken an der Gesundheit. Ohne Frage ist die Gesundheit ein hohes Gut, aber wenn die Gesundheit sich verselbstständigt, jedes Mittel recht ist um Gesundheit zu erlangen und man nur noch damit beschäftigt ist gesund zu bleiben, dann hat man nicht verstanden, dass Gesundheit nur eine Rahmenbedingung für das Leben ist, aber eben nicht das Leben selbst. Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die "Normalen“. Jesus selbst bestätigt dies in Markus 2,17 indem er sagt: „Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.“

Mit diesem Gesundheitswahn versucht man quasi das ewige Leben im Diesseits zu produzieren, was natürlich ein völlig aussichtsloses Projekt ist. Es ist höchst anstrengend, sehr kostspielig, sehr asketisch, und am Ende stirbt man leider doch. Freilich, auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot. Die Bibel spricht bei diesem Projekt unverhohlen vom Götzendienst. Leider erlebe ich das in einem zunehmenden Maße auch bei Christen.

Der regelmäßige Besuch bei diversen Ärzten zur genausten Beobachtung und Buchführung über alle Körperfunktionen (manche holen sich bei Quartalsbeginn 6-8 Überweisungen für diverse Ärzte in der Praxis ab), die regelmäßige Einnahme von verschiedensten nicht benötigten Nahrungsergänzungsmitteln, die dem Kunden gute Gesundheit versprechen und der massive zeitliche Einsatz für den Sport (Sportvereine, Städtemarathons, Fitnessstudios) sprechen dafür, dass es mit dem geistlichen Leben bergab geht. So war es auch bei dem König Asa, der ein zunehmend gottloses Leben führte. „Er suchte auch in seiner Krankheit nicht den Herrn, sondern die Ärzte“ (2. Chronik 16,12). Dies war letztlich ein Ausdruck seines gottlosen Lebens.

Wenn Christen krank werden, sollten sie unabhängig davon, dass sie zum Arzt gehen, sich doch zuerst an ihren Schöpfer wenden (Jakobus 5,13). Gott selbst als der Schöpfer kennt uns als Geschöpfe am Besten und bietet uns seine Hilfe an. Jesus selbst sagt: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Lukas 11,9). Das ist das Angebot, das uns der allmächtige, große Gott macht. Außerdem sollten Christen in ihrer Not auch um das Gebet von Mitchristen bitten (Jakobus 5,16). „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
In diesem Zusammenhang muss man sagen, dass der Text in Jakobus 5,14-18 sehr bekannt, aber praktisch viel zu selten konkret beachtet wird. Christen können die Ältesten der Gemeinde zum Gebet rufen. Jakobus gibt uns hier sehr konkrete Anweisungen, wie ein Kranker in seiner Not dabei vorgehen und was die Ältesten der Gemeinde tun sollen. Ich habe immer wieder erlebt, wie viel Segen grade aus dem konkreten Anwenden dieser Anweisungen erwachsen kann.

4.3 Christen können die praktische, pflegende, seelsorgerliche und liebevolle Begleitung der Geschwister in Anspruch nehmen

Leider ergeht es heute vielen chronisch Kranken so, wie dem Schwerkranken vom Teich Bethesda, der auf sein Problem angesprochen eine denkwürdige Antwort gibt: „Herr, ich habe keinen (helfenden) Menschen.“ (Joh 5,7) Das ist eine dramatische Situation. Obwohl so viele Menschen vor Ort waren, war doch jeder mit sich und seinen Problemen beschäftigt und keiner hatte seit Jahren ein Auge, ein Ohr oder eine helfende Hand für diesen Schwerstkranken. Die, denen es gut geht neigen dazu, die Kranken nicht zu bemerken. Auch in dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37) sehen wir, dass die geistliche Oberschicht kein Auge für den verletzen und bedürftigen Mann am Wegesrand hat. Erst der Samariter nimmt sich seiner an und Jesus zeichnet ihn wegen seiner umfassenden und guten Krankenversorgung aus.

Unterlassene Hilfeleistung unter Christen zeugt vom Fehlen der wichtigsten Dinge, der Liebe und dem Glauben.

 „Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm?“

1. Joh 3,17

„Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen:  Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.“

Jakobus 2,15-17

Barmherziges Mitleid, das sich dann in ganz praktischer Hilfeleistung zeigt, sollte das Zeichen eines jeden Christen sein. Paulus appelliert in seinen Briefen immer wieder nachdrücklich an das Mitleid unter den Geschwistern (Römer 12,13a; 1. Kor 12,26a). Den Christen in Galatien bescheinigt Paulus, dass sie ein besonderes Mitleid mit ihm hatten. Die Christen in Philippi hatten große Sorge um Epaphroditus, als sie erfahren haben, dass er erkrankt sei und Paulus sendet ihn nach seiner Genesung sofort zu den Philippern. Auch zahlreiche andere Gläubige des Neuen Testamentes zeigen wahre Anteilnahme für die anderen notleidenden Christen (z.B. Hebräer 10,33-34).

Es bleibt in vielen der Fälle nicht nur beim Mitgefühl, sondern es kommt in unterschiedlicher Form auch zum helfenden Handeln.

Als Jesus vom Gericht in der Endzeitrede in Matthäus 25,34-40 spricht, geht es um die konkrete, praktische Hilfe der Christen untereinander. Dabei bezieht Jesus diese Hilfe der Geschwister untereinander direkt auf sich:

„Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben?
Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen?
Oder nackt und haben dich gekleidet?
Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Diese Bibelstelle verpflichtet Christen sich der Kranken umfassend anzunehmen.

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Gottes Verheißung der Heilung

Gottes Verheißung der Heilung

Wem gilt sie?

Ist jemand von euch krank? Er soll die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen lassen; und sie sollen für ihn beten und ihn dabei mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, so wird ihm vergeben werden. Bekennt einander die Übertretungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist. Elia war ein Mensch von gleicher Art wie wir, und er betete inständig, dass es nicht regnen solle, und es regnete drei Jahre und sechs Monate nicht im Land; und er betete wiederum; da gab der Himmel Regen, und die Erde brachte ihre Frucht.

Jakobusbrief Kapitel 5 Verse 14-18

Jakobus, ein Apostel in weiterem Sinne, war einer der Säulen der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem (Gal. 1,19; 2,9; Apg. 15,12-21). Judenchristen hielten fest an der jüdischen Lebensweise. Es ist auch der einzige Brief im NT, in dem noch die Rede von einer Synagoge ist (2,2). Jakobus richtete seinen Brief an „ die zwölf Stämme in der Zerstreuung", also an Judenchristen. Diesen Hintergrund sollten wir, gerade im obigen Abschnitt, nicht aus den Augen verlieren. Was wollte nun Jakobus mit seinem Rat für Sterbenskranke und für Älteste der Gemeinde sagen und was nicht?

Ist jemand krank unter euch? (griech. astheneoo=  krank oder schwach sein)

Diese Frage beweist, dass Jakobus davon ausgeht, dass auch ein Gotteskind in diesem Leben auf der Erde krank wird und krank sein kann. Die Behauptung, ein Gotteskind brauche nicht krank zu werden oder zu bleiben, fehlt jede biblische Grundlage. Der Leib ist noch nicht erlöst. Darum wartet ein Christ auf die Erlösung des vergänglichen Leibes. „Auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung. Denn wer hofft, was er sieht?" (Röm. 8,23-25). Auch Christen müssen sterben (Hebr. 9,27). Jetzt haben sie noch einen Leib der Niedrigkeit. Einst wird Jesus Christus ihn umgestalten zur Gleichgestalt mit Seinem Leib der Herrlichkeit (Phil. 3,21). Der Tod und deshalb auch Krankheit, Schwachheit, Behinderung und Altersbeschwerden, sind erst auf der neuen Erde nicht mehr da (Offb. 21,4).

„Gott will, dass Seine Kinder (immer) gesund sind!"?

Das so genannte Wohlstandsevangelium („Gott will, dass du gesund, glücklich und reich bist") ist eine Irrlehre. Obwohl ein Gotteskind mit allem zu seinem Herrn und Heiland gehen kann, auch mit seiner Krankheitsnot, bleibt das Gebet: „Dein Wille geschehe, lass Deinen Namen auf Deine Weise in mir und durch mich verherrlicht werden". Wir wissen ja nicht immer, was Gottes Absicht mit Seinem Kind ist. Darum dürfen wir um Weisheit bitten oder für andere Fürbitte tun, damit erkannt wird, was in der konkreten Situation der Wille Gottes, des Vaters, ist (Jak. 1,5; Röm. 12,1-2; Eph. 5,17; Kol. 1,9). Das NT kennt jedoch keine allgemeine Gesundheitsverheißung, die ein Christ dann beanspruchen darf oder sogar muss.

Der Apostel Paulus schreibt: „Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung, das ihr..." (1Thes. 4,3). Gottes ausdrückliches Ziel mit Seinen Kindern ist ihre innere Umge­staltung in das Wesen, den Charakter, Seines Sohnes Jesus Christus. Darum „wissen wir, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge mitwirken zum Besten" (Röm. 8,29-30). Die Bibel schließt Krankheit usw. dabei nicht aus. Der Wille Gottes ist auch unsere Dankbarkeit unter allen Umständen (1Thes. 5,18).

Welchen Kranken meint Jakobus hier?

Vers 15 beschreibt er den Kranken näher als einen Schwerkranken (W. Bauer, F. Rienecker: kamnoo). Es geht in Jak. 5 ausschließlich um einen ernst kranken Gläubigen mit dem Tod vor Augen. Darum ist er zu schwach, um selber zu den Ältesten zu gehen. Also nicht jeder Kranke soll die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen, sondern das Gotteskind mit einer körperlichen Züchtigung Gottes, die zum Tode führt. Und dieser buchstäblich Todkranke verlangt vor seinem Sterben ein seelsorgerisches Gespräch. In Jak. 5 sehen wir eine ganz spezifische Situation. Es handelt sich nicht um ein Krankenbett im allgemeinen Sinne!

Ein Beispiel von körperlicher Züchtigung Seiner Kinder wegen Sünden, die Ihm nicht bekannt wurden, finden wir in 1Kor. 11,27-34. Die reicheren Christen sündigten beim Abendmahl gegenüber denen, die hungrig am Tisch saßen. „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil sind entschlafen" (1Kor. 11,27-34; Vers 32: ... werden wir gezüchtigt"). Bemerkenswert ist, dass Paulus dieser vor allem heidenchristlichen Gemeinde nicht den jüdischen Gebrauch medizinischer Salbung mit Öl empfiehlt. „Und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt darum einander die Vergehungen ..." (5,16a). Das Wort, darum' zeigt, dass in V15b auch die Rede ist von Schuld, die der Schwerkranke bekennen möchte. Daraus darf man natürlich nie folgern, dass bei jeder Krankheit eine konkrete persönliche Schuld im Spiel ist!

Die Initiative

Es ist der Schwerkranke, der die Initiative ergreifen soll: „Er rufe die Ältesten zu sich" (5,14), als ein Zeichen, dass er mit Gott und Menschen ins Reine kommen möchte. Gerade deshalb soll er die Ältesten mit ihrer seelsorgerischen Aufgabe rufen. In allen anderen Krankheitsfällen kann selbstverständlich auch jedes Gotteskind Fürbitte für ein krankes Gemeindeglied tun. Es gibt wohl kaum gläubige Ehepaare, (Groß)Eltern, Kinder, Freunde und Bekannte, die noch nie für einen Kranken gebetet haben. Und gibt es einen gläubigen Pfarrer oder Pastor, der noch nie für ein krankes Gemeindeglied gebetet hat? Gebet für kranke Gemeindemitglieder an sich muss also nicht erst „neu entdeckt" werden, wie einige behaupten, die im Herzen damit ein Gebet im ,charis­ma­tischen' Sinne meinen. Aber davon ist hier gar nicht die Rede, wie auch sonst nirgends.

Die Ältesten der Gemeinde

Warum sollen gerade die Ältesten der Gemeinde gerufen werden? Warum nicht irgendeinen anderen Christen rufen, eventuell aus einem andern Ort, einem andern Land oder auch aus einer anderen Gemeinde, z.B. mit einer Gabe der Heilung? Die Ältesten sind die leitenden und verantwortlichen Gläubigen, die über das innere Leben ihrer Gemeindeglieder wachen, also auch über das der (Schwer)Kranken. Sie müssen Rechenschaft von dieser Aufgabe ablegen (Hebr. 12,17). Man erwartet von ihnen eine geistliche Reife und geistliche Einsicht, so dass sie unterscheiden können, ob die Buße aufrichtig und das Bekennen der Schuld vollständig sind — nicht eine Scheinbuße wie bei König Saul (1Sam. 15,30). Als Gläubige aus dem Judentum wussten sie nur zu gut, dass eine nicht vor Gott bereinigte Sache im Leben des Einzelnen die ganze Gemeinde trifft, wie in Josua 7 zu lesen ist. Die Ältesten sind verantwortliche Vertreter der Gemeinde, zu der der Schwerkranke gehört. Vor allem sind die Ältesten auch Vertrauenspersonen, die eine Schweigepflicht haben. Jakobus spricht von Ältesten (Mehrzahl), vielleicht im Zusammenhang mit 5Mo. 19,15; Matt. 18,6; 2Kor. 13,1.

Die Fürbitte der Ältesten

Nach einem aufrichtigen, konkreten und gründlichen Schuldbekenntnis sollen die Ältesten Fürbitte tun. „Sie mögen über ihm beten". Der Todkranke bleibt wegen seiner Schwachheit bei der Fürbitte liegen. Es ist hier keine Rede von einer Handauflegung (im NT ausgedrückt mit epithesis toon cheiroon oder epilithemi ten cheira / tas cheiras). Es heißt „die" Ältesten im allgemeinen Sinn. Zum Profil der Gemeindeältesten gehört nicht eine Gabe der Heilung (1Tim. 3,2-7; Titus 1,6-9).

Das Öl

In Israel hatte man gerne wohlriechende Salben. Man verwandte sie für die tägliche Versorgung, Reinigung und Parfümierung des Körpers. Salbte man sich nicht, war das ein Zeichen der Trauer (Dan. 10,3). In der Zeit des NT salbte man auch das Haupt von Gästen als Zeichen des Respekts oder der Liebe und Dankbarkeit (Luk. 7,46-47; Matt. 26,6-13, Gr. muron, Salböl). Für ,kosmetisches Salben' des Hauptes beim Fasten, siehe Matt. 6,17.

Die Salbung bestimmter Personen für eine bestimmte Aufgabe im alten Israel

Damals wurden in Israel bestimmte Menschen für ihre bestimmte Aufgabe abgesondert, geweiht und gesalbt, z.B. Könige (nur Saul, David, Salomo, Jehu und Joas), Priester und der Prophet Elisa. Das einzige Mal, dass diese spezielle Salbung sofort verbunden war mit der Wirkung des Geistes Gottes, war bei David: „Und der Geist Gottes geriet über David von diesem Tag an und darüber hinaus" (1Sam. 16,13). Die Behauptung, die Salbung zum König sei „immer verbunden" gewesen mit einer besonderen Wirkung des Geistes Gottes und dass „deshalb das Öl" in Jak. 5 „ein von Gott gegebenes geistliches Symbol" oder „Symbol des Heiligen Geistes" sei, ist also keine korrekte Bibelauslegung. Sie stammt aus einem charismatischen' Vorurteil.

Körperliche Salbung (Gr. aleiphoo) in der Gesundheitsfürsorge im alten Israel

Man salbte mit Öl zur Vorbereitung einer Beerdigung (Mark. 14,8; 16,1; Joh. 11,2; 12,3) oder zur Einbalsamierung von Toten (wie bei Jakob). Salbung mit Öl geschah auch zur Schmerzlinderung, zur Desinfektion und zur Heilung (Luk. 10,34; 2Chron. 28,15; Jes. 1,6). Die von Jesus Christus ausgesandten 70 Jünger „salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie" (Mark. 6,13). Es ist verständlich, dass Jakobus die juden-christlichen Ältesten an das bei ihnen bekannte therapeutische Salben erinnert.

Wir lernen daraus, dass das Glaubensgebet und medizinische Hilfe einander nicht ausschließen! Es ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch unrechtmäßig, einem Kranken zu sagen: „Wenn du willst, dass wir nach Jak. 5 mit dir beten, darfst du keine Medizin und keine medizinische Behandlung mehr verwenden; du darfst nicht mehr zum Arzt gehen". Auch nach Jak. 5 ist Benutzung der regulären Medizin keine Sünde, kein Zeichen des Unglaubens und kein Hindernis für Gebet und Fürbitte. Wir müssen auf der Hut sein vor Aberglauben mit dem Öl, z.B. wenn man spricht vom „heiligen", „geweihten" oder „gesegneten" Öl oder von der Salbung als von einem „heilenden Sakrament". Auch die Kritik, dass die heutige Praxis in Krankheitsfällen „reduziert wird zur Seelsorge und zum Gebet", grenzt an Aberglaube. Olivenöl ist kein Wundermittel und Salbung mit Öl keine Bedingung für Gottes Eingreifen bei Todkranken! Der jüdische Gebrauch medizinischer Salbung mit Öl ist an sich Nebensache. Hauptsache sind das aufrichtige, konkrete und gründliche Schuld­bekenntnis des Todkranken und das ernste, gläubige Gebet der Ältesten.

Die Verheißung der Heilung in dieser exklusiven Krankheitssituation

In dieser spezifischen Situation gibt es die Verheißung, dass das Gebet des Glaubens der Gemeindeältesten den Sterbenskranken retten wird (Gr. sooizoo: 1a. vor dem Tod bewahren, vgl. Joh. 11,12; 1b. aus einer Lage herausführen, die den Tod bedingt usw., W. Bauer, Wörterbuch zum Neuen Testament). Darum heißt es: „und der Herr wird ihn aufrichten" (Gr. egeiroo: aufwecken, aufrichten, aufstehen wie in Mark. 1,31; 9,27). Er kann also aufstehen. Vgl. „aufrichten" in Mark. 9,27.

Im direkten Zusammenhang mit dem Gebet des Glaubens (also nicht mit der Ölsalbung!) weist Jakobus auf das vollmächtige Gebet von Elia hin, wodurch drei Jahre Dürre als Gottes Züchtigung Seines Volkes eintraf. Nach der Beugung des Volkes vor Gott betete Elia aufs Neue ernstlich. Daraufhin hob Gott seine Züchtigung auf. So ist Gott bereit, die körperliche Züchtigung eines seiner Kinder aus Gnade aufzuheben auf Grund ernster Fürbitte nach Buße und Schuldbekenntnis des Todkranken.

Jak. 5 ist keine Beschreibung einer „Methode“, mit der man Heilung von allerhand Kranken „in den Griff“ bekommen kann.

Der neutestamentliche Gläubige und die (geistliche) Salbung mit dem Heiligen Geist (Gr. chrioo, 1.Joh. 2,20-27)

Es gibt hierbei bemerkenswerte Unterschiede sowohl mit der Salbung zu einer bestimmten Aufgabe im AT als auch mit der rein körperlichen Salbung in Jak.5. Im AT wurden ja nur einige Menschen gesalbt, und zwar für eine bestimmte Aufgabe. Im NT dagegen ist jedes Gotteskind von Gott, dem Vater, mit dem Heiligen Geist gesalbt, jedoch nicht für eine bestimmte Aufgabe oder Periode. Diese geistliche Salbung steht im Zusammenhang mit der Möglichkeit und Notwendigkeit für Gotteskinder, zur Unterscheidung von Antichristen, gerade auch, wenn diese aus der Gemeinde kommen. Es handelt sich nicht nur um solche, die „anti" im Sinne von gegen Jesus Christus sind, weil sie leugnen, dass Er wahrhaftig Gott und wahrhaftig Mensch ist (1Joh. 2,22-23; 4,1-3). „Anti" bedeutet auch „anstelle von". Es gibt sehr viele Christen, die in Theorie neben Jesus Christus einen Menschen (z.B. Papst, Maria, Heiligen) stellen, der in der Praxis anstelle von Christus funktioniert. Bei sehr vielen Christen stehen der Heilige Geist, eine „Geistestaufe" und besondere Geistesgaben nicht nur über, sondern anstelle von Jesus Christus. Um dieses geistlich unterscheiden und entlarven zu können, hat Gott Sein Kind mit dem Heiligen Geist gesalbt und ihm die Bibel gegeben. Diese Salbung ist nicht eine äußerliche, körperliche Angelegenheit mit Olivenöl, wie in Jak. 5 (Gr. aleiphoo), sondern eine innere, geistliche (Gr. chrioo).

Ein anderer großer Unterschied ist, dass es ausschließlich Gott selbst ist, der sein Kind geistlich gesalbt hat und zwar sofort bei der Geburt aus Ihm, ganz ohne irgendeinen Menschen (2Kor. 1,21-22). Auch deswegen kann in Jak. 5 von einem Salben mit „Öl als Symbol" oder „Öl als Zeichen des Heiligen Geistes", das ja von Menschen geschieht, niemals die Rede sein.

Es gibt kein einziges Beispiel eines persönlichen Gebetes um die neutestamentliche Salbung mit dem Heiligen Geist, auch nicht einer Fürbitte dafür. Denn: „die Salbung, die ihr von Ihm empfangen habt, bleibt in euch" (Joh. 2,27). Die Behauptung, dass es „mehrere" Geistessalbungen gäbe, wonach man „streben" solle oder für die man Hand­auflegung haben könne, ist im Grunde Rebellion gegen Gott. Kein Mensch vermag Gottes Salbung zu ergänzen bzw. zu vermitteln. Die von Gott geschenkte geistliche Salbung ist jedoch kein Ersatz für gründliches Bibelstudium und ein geheiligtes Leben!

Gottes Salbung seines Kindes mit dem Heiligen Geist im Blick auf solche, „die euch verführen", ist grundsätzlich zu unterscheiden von Gottes Salbung Jesu Christi im Blick auf dessen einmalige Aufgabe mit einmaliger Legitimation als dem von Gott verheißenen Messias und Sohn Gottes (Jes. 61,1-3; Luk. 4,18-21: „heute ...erfüllt"!; Apg. 2,22; 10,38). Wer beides auf eine Linie stellt, um damit angeblich zu „beweisen", dass „wir die gleiche Aufgabe" und „die gleiche Vollmacht" haben wie der Herr Jesus nach Jes. 61, führt in die Irre.

Immer wieder fallen Christen in die Falle des Versuchers und Verführers herein: „Ihr werdet sein wie Gott" - in diesem Kontext: Ihr werdet sein wie der Sohn Gottes! Wer steht, sehe aber zu, dass er nicht falle (1Kor. 10,12). Das erschütternde ist, dass in Vergangenheit und Gegenwart auch Christen, die jahrzehntelang Gotteskinder sind, verführte Verführer wurden. Sie ergänzen und verändern Gottes Wort, in dem sie auf Lügengeister und Lehren von Dämonen achten (1Tim. 4,1). Gott schenke Gnade, dass wir:

  • in Seinem Wort bleiben (Joh. 8,31)
  • in Jesus Christus bleiben (Joh. 15,4)
  • in Seiner Gnade bleiben (Apg. 13,43)
  • im Glauben bleiben (Apg. 14,22)

Literatur:

Richard Mayhue: The Healing Promise. Is it always God's will to heal? (Harvest House Publishers, 1997) Foreword: John Mac Arthur

Walter Bauer: Wörterbuch zum Neuen Testament, unter kamnoo:

1.  Ermüden, ermatten;

2.  krank sein, Jak. 5 möglich ist hier auch hoffnungslos krank sein, hinwelken;

3. Sterben, kamoon, gestorben.

Fritz Rienecker, Gr.: kamnoon: „gebräuchliche Bezeichnung für die Sterbenden und Gestorbenen (Sprachlicher Schlüssel zu Griechischen NT).

Siehe auch der Große Langenscheidt: Griechisch - Deutsch, Deutsch - Griechisch.

[*]  Els Nannen, Prins Bernhardlaan 45, 3972 AW Driebergen (NL) , März 2006


Umgang mit Kranken und Sterbenden

Umgang mit Kranken und Sterbenden

Wichtiger als die medikamentöse Therapie ist es, dass der Arzt dem Sterbenden das Bewusstsein gibt, ihn in der letzten Phase seines Lebens zu begleiten.

Die Fortschritte in der Medizin haben heute einen Stand erreicht, der vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar gewesen wäre. Nur allzu gern übergeben wir den Patienten einer „Apparate-Medizin, begutachten die Ergebnisse und tragen dann unser Resümee aus gewichtiger Distanz vor, um ja nicht ernsthaft in sein persönliches Schicksal eintauchen zu müssen. Letzten Endes kann aber dieser Fortschritt nur so gut und hilfreich sein wie die ihn begleitende Mitmenschlichkeit ärztlichen Denkens, Fühlens und Handelns. Deshalb möchte ich ganz bewusst die Verse 9-11 aus dem 1. Kapitel des Philipperbriefes an den Anfang meiner weiteren Ausführung stellen: „Und um das bitte ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr reich werde an Erkenntnis und allem Empfindungsvermögen, damit ihr zu prüfen vermöget, worauf es ankommt, so dass ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Jesu Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus gewirkt wird zur Ehre und zum Lobe Gottes.“

Im Alltag steht der verantwortliche Arzt hinsichtlich seiner Patienten neben medizinischen auch vor wertenden Entscheidungen. Und ohne Zweifel werden in der unmittelbaren Beziehung zwischen Arzt und Patient Entscheidungen aufgrund von Abwägungen und Wahrscheinlichkeiten getroffen, die Anlass zu einem ethischen Konflikt geben können. Hierin begründet sich ein weites ethisches Spannungsfeld, das zunehmend an Bedeutung und Problematik gewinnt, da wir uns einer wachsenden Pluralität der Menschenbilder, Religionen, Weltanschauungen, und Ideologien gegenübersehen, die unser medizinisch-fachliches Handeln und vor allem unsere Wertentscheidungen beeinflussen wollen. Wir sollten uns aber davor hüten, uns in unserer Beziehung zum Kranken und Sterbenden zum Handlanger der Gesellschaft oder zum Gefangenen eines sich rasch ändernden Zeitgeistes zu machen oder machen zu lassen.

Zu dieser Problematik bezieht der deutsche Medizinprofessor Eckhard Nagel klärend Stellung: „Das so genannte ärztliche Ethos bezieht sich auch heute noch gern auf seine hippokratische Tradition, die eine gewisse Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient vermittelte und den medizinischen Handlungsauftrag mit der Pflicht verband, primär um das Wohl des Kranken bemüht zu sein und in jedem Fall für das Leben einzustehen. Der Gedanke der Hinwendung zum leidenden Menschen jedoch, der den Kranken nicht als Vertragspartner, den es sachgemäß und höflich zu behandeln gilt, sondern als Mitmenschen begreift, geht auf die christliche Tradition zurück…Christus als Heilender, als derjenige, der sich den Entrechteten, den Hilflosen, den Kranken, Schwachen und Alten vordringlich zugewandt hat, hat dieses Prinzip neu begründet, hat aus dem Wohlwollensprinzip die Hinwendung zum leidenden Menschen geformt und damit ärztliches Handeln unveränderlich geprägt…

Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit werden zu konstituierenden Elementen der menschlichen Existenz, zur Richtschnur medizinethischen Verhaltens und formen damit das Menschenbild in der Arzt-Patient-Beziehung. Die Medizin wird als Mittel, dem Nächsten zu dienen, gesehen. Ärztliche Therapiefreiheit im wohlverstandenen Sinne findet hier ihren Ursprung. Das Leben wird verstanden als ein Geschenk, nicht im Sinne eines einmaligen Aktes, sondern als ein sich wiederholender Prozess – wissend, dass naturgemäß der äußere Mensch verfällt, während, wie Paulus es beschreibt, der innere sich von Tag zu Tag erneuert: ‚Denn was sichtbar ist, das ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig’ (2. Korinther 4,18).“

Nirgends wird die Würde des Menschen besser vertreten als in der christlichen Ethik. Denn hier hängt die Würde des Menschen nicht von seinen Leistungen ab, sondern von der Tatsache dass Gott ihn gewollt und geschaffen hat und ihn liebt. Allerdings setzt dies voraus, dass ich an den lebendigen Gott und an sein Wort glaube. Unter Glauben im biblischen Sinn verstehe ich eine persönliche Beziehung zu Gott durch Jesus Christus. Der Glaube hat dabei nichts mit irgendwelchen von Menschen geschaffenen Lehrsätzen oder mit Befolgen von Regeln zu tun. Glaube entspringt einer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus und führt zur Gewissheit, ich bin von Gott geliebt, wie ich bin, mit allen Fehlern, mit aller Schuld meines Lebens.

Dies führt dazu, dass das Gebot der Nächstenliebe zum Motor für soziales Engagement wird. Wer Gottes Liebe persönlich erfahren hat, hat auch die Kraft und die Befähigung dem Nächsten zu dienen. Gottes Wort gibt klare Grenzen für unser tägliches Handeln. Wer Jesus Christus als Herrn anerkennt, wird sich nicht anmaßen, Herr über Tod oder Leben zu sein. Durch den christlichen Glauben findet der Mensch verloren gegangene Werte wieder und wird durch Gottes Geist auch befähigt, nach ihnen zu leben.

Als Christen wissen wir um das biblische Menschenbild, das in seiner Kernaussage beinhaltet, dass der Mensch in sich böse ist, da er an die Stelle Gottes sich selbst setzt und die Welt missbraucht zur Erreichung ichbezogener Ziele und Zwecke. Diese Trennung von Gott zeigt sich nicht nur in einzelnen, sichtbaren Handlungen, sondern vor allem auch in einem hasserfüllten, egozentrischen, von Gott entfremdeten Bewusstsein.

Ein einfaches Beispiel soll dieses von Gott losgelöste Bewusstsein verdeutlichen:

Ein Professor fragt seine Medizinstudenten, was man im folgenden Fall tun solle: „Der Vater hat Syphilis, die Mutter Tuberkulose. Sie haben bereits vier Kinder gehabt. Das erste ist blind, das zweite starb, das dritte ist taub, das vierte ist tuberkulosekrank. Die Mutter ist mit dem fünften Kind schwanger. Die Eltern sind mit einer Schwangerschaftsunterbrechung einverstanden. Was würden sie raten?“ Die meisten Studenten entscheiden, dass die Mutter die Abtreibung machen lassen sollte. „Gratuliere! Sie haben soeben Beethoven ermordet“, antwortet der Professor.

Weil jeder Mensch wegen seiner Sünde, seiner Ichbezogenheit und Gottlosigkeit Erlösung braucht um Sinn und ewiges Leben zu erfahren, hat Gott in seiner Liebe ein einzigartiges Heil in seinem Sohn Jesus Christus zubereitet: „Denn Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ (Johannes 3,15).

Der schweizerische Chirurg Lennart Hoffmann-Straub formulierte dies so: „Wenn ich eine Hand verliere, ist meine körperliche Leistung vermindert, meine Persönlichkeit aber bleibt. Wenn ich dann auch noch einen Fuß verliere, ist meine Leistung noch mehr vermindert, meine Persönlichkeit jedoch bleibt bestehen. Wenn mein Körper das Leben verliert, ist jede körperliche Leistung aufgehoben, meine Persönlichkeit aber lebt weiter. Wenn sie Jesus Christus als ihren persönlichen Heiland kennt, hat sie das ewige Leben in der Herrlichkeit.“

Wir können Patienten nur Hilfe sein, wenn wir uns auf die Hintergründe und Ursachen einlassen, ihnen die Möglichkeit geben, über Nöte und Probleme zu sprechen. Die Flut von Beziehungskatastrophen, von Leid und Schicksalsschlägen können dabei ausgehalten werden mit dem Wissen, dass es hinter allem Elend noch eine Wahrheit gibt, die uns für alles Leid entschädigen kann. Als Christen wissen wir, an wen wir uns mit allen Problemen wenden können, vor allem wissen wir auch, dass wir sie nicht selbst lösen müssen. Manche Patienten befinden sich in einer so aussichtslosen Lage, dass wir nur hilflos davor stehen können. Hier bleibt uns eine einzigartige Möglichkeit: Wir können für den Patienten und seine Situation beten. Das Gebet ist die wertvollste Form des heilenden Gesprächs, die es überhaupt gibt. Kein Gesprächspartner versteht uns so in unserem innersten Wesen, in unserer Verletzbarkeit, unseren Schwierigkeiten wie Gott selbst.

Beten wir für unsere Patienten, dass sie Krisen in ihrem Leben, seien es Krankheiten oder Leid oder Schicksalsschläge, als Chancen verstehen lernen und dadurch zum Nachdenken über ihr Leben und ihr Verhältnis zu Gott geführt werden.

Um dieses Evangelium vom Heilwerden des Menschen zu vermitteln, ist es jedoch notwendig, neben allem fachlichen Handeln und Erledigen bürokratischer Aufgaben, mit den Patienten und Sterbenden zu reden.

Petrus schreibt in seinem 1. Brief, Kapitel 3, Vers 15: „Und seid allezeit bereit zur Verantwortung gegen jedermann, der Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, aber mit Sanftmut und Furcht.“

Leider leben wir in unserer technisierten Medizinwelt zunehmend in einer Welt der Sprachlosigkeit.

Dabei führt die Sprachlosigkeit in der Arzt-Patienten-Beziehung mehr und mehr in diagnostische Fallen und geht an so genannten psychosomatischen Krankheiten völlig vorbei. Haben doch viele nicht erkannte Krankheiten ihren Ursprung in einer kranken Seele, manifestieren sich aber mit körperlichen Symptomen: „Wenn die Seele schweigt, schreit der Körper!“. Gerade diese Krankheitsbilder schaffen nicht nur viel menschliches Leid, sondern auch eine gestörte Arzt-Patienten-Beziehung. Oft werden die betroffenen Menschen mit verdrängtem seelischem Leidensdruck nicht verstanden. Sie „schlucken“ zwar alles, können aber auch beim Arzt mangels Zeit und Gelegenheit ihr Herz nicht „ausschütten“ und Gehör finden.

Dabei ist das ärztliche Gespräch der sicherste Schutzwall gegen Verirrung in diagnostische Um- und Irrwege und gegen Fehldiagnosen. Es bietet eine durch nichts ersetzbare Voraussetzung für eine positive vertrauensvolle Zuwendung. Sicherlich ist der Arzt in seiner Zuwendung durch das Gespräch in ganz besonderer Weise gefordert, in dem er zunehmend auch die seelischen und konkreten Nöte seines Patienten in der Partnerschaft, Familie, Schule oder am Arbeitsplatz zu spüren bekommt. Aber hier gilt das Motto: Wenn man über Dinge spricht, sind sie nur noch halb so schlimm!

Selbst die teuersten Apparate oder die wertvollsten Medikamente können das Arzt-Patienten-Gespräch nie ersetzen. „Im Anfang war das Wort!“ – Auch in der Medizin sollte es genau jenes Wort sein, das am Anfang jeder Beziehung zwischen dem Arzt und dem Menschen, dem er helfen will, steht, damit die Hilfe in die richtige Richtung geht. Zur Kunst des Arztes gehört also nicht zuletzt die Kommunikation mit dem Patienten. Von der Qualität dieser Kommunikation hängt es ab, ob der Patient die Therapieanweisungen des Arztes richtig versteht und sie befolgt; aber auch, ob sich der Patient gut betreut fühlt und verstanden weiß und so Vertrauen zum Arzt entwickelt.

Leider wird heute mehr und mehr über den Patienten als mit dem Patienten geredet. Dies vor allem auch bei einem sterbenden Menschen, dessen Krankenbett oft bewusst oder unbewusst vom Arzt gemieden wird.

Dabei ist das Schlimmste, was einem Sterbenden passieren kann gerade das Alleingelassen werden in dieser schwierigsten Phase seines Lebens. So dominiert denn auch in Befragungen von sterbenden Menschen in der BRD und in den USA die Angst vor dem Alleinsein, vor der Einsamkeit. Sterbende wollen von ihrer Familie umgeben sein, wollen noch gebraucht werden. Sie wollen keine Schmerzen haben, sie wollen ein Gegenüber, der ihre Beschwerden versteht und bereit ist sie zu ertragen. Sie wollen Vertrauen haben, Wahrhaftigkeit im Umgang. Sie wollen Gesprächsbereitschaft und bis zuletzt die Hoffnung nicht aufgeben.

Andererseits darf und muss der sterbende Mensch traurig sein und weinen, denn sein Leben geht zu Ende. Der Tod ist ja der letzte Feind des Menschen. Er muss nur jemanden haben, an den er sich anlehnen, bei dem er sich gehen lassen und bei dem er weinen kann.

Erfahrungsgemäß sind die Patienten für die Wahrheit ihrer Erkrankung häufig offener, als wir annehmen. Wir trauen uns oft nicht die Wahrheit zu sagen, weil wir selbst Angst davor haben. Die Patienten hingegen ahnen meist diese Wahrheit und empfinden es als Beruhigung, wenn sie ihre Ahnung bestätigt bekommen. Wenn man die Aufklärung von Sterbenden über ihren Zustand einfühlsam und vor allem individuell betreibt, ist sie für den Betroffenen etwas außerordentlich Wichtiges. Schließlich schließt auch eine völlige Aufklärung keineswegs aus, dass der Patient wieder Hoffnung schöpfen kann, Pläne für die Zukunft entwirft oder sogar von Heilung spricht.

Andererseits äußern Patienten, die bald sterben müssen, in ihren letzten Stunden und Tagen manchmal wirre Gedanken. Die scheinbar wirren Inhalte entsprechen aber ihrer momentanen inneren Wirklichkeit. Gerade dann aber haben sie Begleitung am nötigsten und müssen spüren, dass sie verstanden werden, weil sie wissen, dass der Tod nahe ist. Deshalb sollten Sterbende nicht mit Psychopharmaka „getröstet“ werden, sondern durch die Gegenwart von Menschen, die Zeit und Geduld haben. Und gerade hier ist auch der Arzt gefordert, der „seinen“ Patienten kennt bzw. kennen sollte. Denn der Sterbende erwartet Hilfe vor allem vom behandelnden Arzt. Im Angesicht des unmittelbaren Todes sollte der Arzt die Beschwerden behandeln, die im Vordergrund stehen. Meist handelt es sich um Schmerzen, Schlaflosigkeit oder Angstgefühle. Dabei sind diese Symptome, abgesehen von Schmerzen, mit Medikamenten oft schwer zu beeinflussen.

Wichtiger als die medikamentöse Therapie ist es, dass der Arzt dem Sterbenden das Bewusstsein gibt, ihn in der letzten Phase seines Lebens zu begleiten. Das Abwischen des Schweißes von der Stirn, das Anfassen der Hand oder das Reichen eines Schluckes Tee sind praktische Hilfen, die der Arzt dem Sterbenden am Ende seines Lebens noch geben kann.

Dem Arzt sollte es ein Anliegen sein, seinem Patienten einen bewussten Abschied zu ermöglichen. Er darf durch Medikamente nicht verhindern, dass der Patient Einsicht über sein vergangenes Leben gewinnen, eventuell Schuld bekennen, Vergebung empfangen oder noch sein Leben bewusst Jesus Christus übergeben kann. Je unsicherer und unausgefüllter das Leben war, desto fragwürdiger erscheint ja das Sterben. Diejenigen, die durch unbewältigte Konflikte, Streit und ähnliches belastet sind, haben deutlich größere Schwierigkeiten, loszulassen und ihr Sterben zu akzeptieren.

„Es ist dem Menschen bestimmt einmal zu sterben, danach aber kommt das Gericht.“ (Hebräer 9,27).

Sterben ist mehr als nur ein Erlöschen der Funktionen von Körperorganen. Sterben ist nicht nur ein „Für-Immer-Einschlafen“. Im Sterben wird der Bankrott unseres ganzen Lebens offenbar und wir treten mit einer Bilanz voll roter Zahlen vor unseren Schöpfer.

Sollte nicht unser größter Wunsch als Christen sein, dass die kranken Menschen und erst recht die im Sterben liegenden Patienten die Geborgenheit und den Frieden mit Gott erleben dürfen, dass sie in unserer Liebe zu ihnen erkennen, dass Jesus Christus lebt und auch das Leben für sie bereit hat, wie es in einem alten Lied heißt:

„Weil Jesus lebt, lebe ich auch morgen,
weil Jesus lebt, fürchte ich mich nicht.
Jesus ich weiß, ich weiß, du kennst die Zukunft,
mein Leben hat nur Wert, weil du mein Jesus lebst.
Gott liebte uns, er sandte Jesus,
in ihm kein Mensch verloren geht.
Er starb für mich, er hat die Schuld vergeben,
das leere Grab ist ein Beweis, dass Jesus lebt.
Und wenn auch ich die Welt verlasse,
mein Stund’ auf Erd’ vorübergeht,
dann wird der Tod durch den Sieg verschlungen,
dann seh’ ich Jesu Angesicht in Herrlichkeit.“

Ein geistlich blinder Arzt kann kaum dem Sterbenden helfen, ist er doch selbst ohne lebendige christliche Hoffnung und mit seinen eigenen Ängsten vor dem Sterben und dem Tod beschäftigt.

Eugen Ansohn schreibt in „Die Wahrheit am Krankenbett“:

„Dem Menschen leben helfen und ihm sterben helfen,
darin scheint mir die ganze Medizin zu bestehen.“

 

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Die Heilung des ganzen Menschen aus biblischer Sicht

Die Heilung des ganzen Menschen - aus biblischer Sicht

Wenn es, wie unser Thema sagt, um „Die Heilung des ganzen Menschen aus biblischer Sicht“ geht, dann sind sowohl der Mediziner als auch der Theologe (bzw. jeder Christ, jeder Zeuge Jesu Christi) angesprochen. Denn Gott, der Schöpfer, kümmert sich um den ganzen Menschen – um seinen Körper ...

Medicus curat – Deus sanat.  Der Arzt behandelt – Gott heilt. Dieses lateinische Motto betont sowohl die Verantwortung als auch die Grenze des Mediziners. Er hat alle legitime ärztliche Kunst anzuwenden, um dem Patienten aus seiner Krankheit herauszuhelfen. Das Ergebnis aber liegt allein in Gottes Hand. Medicus curat – Deus sanat. Dies Prinzip gilt übrigens genauso für den Theologen. Man könnte analog formulieren: Theologus praedicat – Deus salvat. Der Theologe predigt – Gott (allein) rettet.

Wenn es, wie unser Thema sagt, um „Die Heilung des ganzen Menschen aus biblischer Sicht“ geht, dann sind sowohl der Mediziner als auch der Theologe (bzw. jeder Christ, jeder Zeuge Jesu Christi) angesprochen. Denn Gott, der Schöpfer, kümmert sich um den ganzen Menschen – um seinen Körper und dessen Gebrechen genauso, wie um sein Herz (Seele, Geist) und dessen Nöte.

Habe ich in meinem ersten Vortrag versucht, die biblische Sicht von Krankheit und Tod zu entfalten, wollen wir jetzt danach fragen, was die Bibel unter „Heilung“ versteht. Haben wir vorhin festgestellt, dass es zwei verschiedenen Kategorien von „Tod“ gibt (den geistlichen und den leiblichen Tod), so werden wir jetzt sehen, dass es ebenso zwei verschiedene Kategorien von „Heilung“ gibt: geistliche Heilung und leibliche Heilung. Beide Kategorien müssen sorgfältig voneinander unterschieden werden, und doch müssen wir zugleich fragen, in welcher Weise sie aufeinander bezogen sind (wie sie zusammen gehören). Hier gibt es auch unter Christen manche Verwirrung. Deshalb müssen wir die Wahrheit studieren, die uns der lebendige Gott in der Bibel offenbart.

Dort finden wir folgende Grundsätze zur „Heilung des ganzen Menschen“, die ich in einigen Thesen zusammenfassen möchte.

Die Heilung des Herzens hat oberste Priorität.

Die Bibel zeigt uns Gott als den großen geistlichen „Kardiologen“, bei dem die Heilung des Herzens (d.h. des Zentrums der ganzen Person) im Mittelpunkt steht.

Diese Heilung beginnt damit, dass ein Mensch durch Gottes Gnade seinen wahren Zustand vor Gott (wie ich ihn im ersten Vortrag als Folge des Sündenfalls beschrieben habe)  einsieht. Er glaubt der Diagnose Gottes und vertraut dessen Therapie. Diese Therapie kennt nur ein einziges Rezept: „Glaube an den Herrn Jesus“ (Apg.16,31a; vgl. Mk.1,15; Apg.4,12; Joh.14,6 u.ö.).

Die Heilung des Herzens hat bei Gott deutlichen Vorrang gegenüber der Heilung des Leibes.   Das hat Jesus in einer berühmten Situation demonstriert (Mk.2,1-12) und auch an anderer Stelle immer wieder betont (z.B. Mt.10,28; Mt.16,26).

Der Grund für diese Prioritätensetzung ist offensichtlich:  Der Mensch mit einem „kranken“ Herzen befindet sich in größerer Gefahr als jener, der nur einen kranken Körper hat.

Martyn Lloyd-Jones, der Arzt und Prediger, drückt diesen Befund so aus:

Wenn ein Mensch einen kranken Körper hat, aber seine Seele in Ordnung ist [d.h. mit Gott im Reinen], dann wird es am Ende gut für ihn ausgehen. Dagegen geht es einem Menschen mit gesundem Körper und kranker [gottferner] Seele vielleicht sechzig oder etwas mehr Jahre lang gut – aber dann erwartet ihn eine Ewigkeit in der Hölle.[1]

Die Heilung des Herzens, Lloyd-Jones verwendet das Synonym „Seele“, beansprucht also oberste Priorität. Damit stehen wir vor einer weiteren Frage:

Wenn ein Mensch im Herzen geheilt wird und Vergebung seiner Schuld empfangen hat, was folgt daraus für den Zustand seines Körpers?

Im ersten Vortrag hatten wir gezeigt, dass die eigentliche, letzte Ursache von Krankheit und Tod in der Sünde zu finden ist. Wenn uns nun die Ursache der Krankheit vergeben wird (Sünde), müsste dann nicht auch die Folge der Sünde (Krankheit) beseitigt sein? Anders formuliert: Müsste ein Christ nicht davon ausgehen, nach seiner Bekehrung auch von seinen körperlichen Krankheiten geheilt zu werden? So wird es von manchen Seiten der Charismatischen Bewegung behauptet: „Wenn du wirklich glaubst, dann wirst du auch körperlich gesund.“ Wenn man diesen Gedanken logisch zuende führt, müsste daraus folgen, dass Christen auch nicht mehr sterben dürfen – denn der Tod ist ja nur die letzte Konsequenz der Krankheit.

Wo liegt in dieser Verknüpfung von Vergebung und Genesung der Denkfehler? Was sagt die Bibel wirklich zur körperlichen, also auch medizinischen Situation der Gläubigen? Damit kommen wir zu unserer zweiten These:

Die Heilung der körperlichen Gebrechen wird erst in Gottes ewigem Reich vollendet.

Die Bibel sagt klar, dass bestimmte Folgen des Sündenfalls endgültig erst in Gottes ewigem Reich aufgehoben sein werden. Dort wird es nicht die leiseste Andeutung von Schmerz, Klage, Trauer oder Verlust mehr geben (Offb.21,3-5!).  Jesus verspricht seinen Nachfolgern, dass Gott „alle Tränen von ihren Augen abwischen und der Tod nicht mehr sein wird“ (V.4).

Dann endlich wird auch „die Erlösung unseres Leibes“ (Rö.8,23) spürbar vollendet sein.

Bis dahin aber gilt, was Paulus unmittelbar anfügt (Rö.8,24):

Wir sind zwar (schon!) gerettet, aber noch (!) auf Hoffnung.

Noch sind manche Folgen des Sündenfalls, wie z.B. Krankheit, nicht verschwunden - auch nicht aus dem Alltag der Christen. Selbst Paulus wird von einer unangenehmen Krankheit (manche vermuten eine Augenkrankheit) nicht geheilt (2.Kor.12,9). Seinen Mitarbeiter Trophimus muss er einmal krank in Milet zurücklassen (2.Tim.4,20). Dem Timotheus rät er, wegen dessen Magenproblemen zur gelegentlichen Einnahme von Wein, „weil du oft krank bist“ (1.Tim.5,23). Selbst jene, die von Jesus zu dessen Erdenzeit auferweckt wurden (z.B. Lazarus, Tochter des Jairus) sind in späteren Jahren eines natürlichen Todes gestorben.

Es gibt für diesseits des Himmels keine biblische Verheißung, dass der Christ von allen Krankheiten oder gar dem Sterben verschont bleiben würde.

Das führt uns zu einer dritten biblischen Wahrheit:

In dieser vergänglichen Welt bleibt der Christ in der Spannung des SCHON geschenkten aber NOCH NICHT in Vollendung sichtbaren neuen Lebens.

Diese Spannung des schon/noch nicht nennt man in der Theologie den „eschatologischen Vorbehalt“: Obwohl Gott seinen Kindern schon in dieser Welt durch Christus sehr vieles schenkt, hat er sich etliches „vorbehalten“, das uns erst im „Eschaton“ (am Ziel, in der Herrlichkeit) sichtbar zuteil werden wird. Dieser Vorbehalt betrifft sowohl unser geistliches als auch unser körperliches Leben.

Jetzt SCHON haben wir die Vergebung unserer Sünden (1.Joh.1,8f.), damit verbunden das „Bürgerrecht im Himmel“ (Phil.3,20f.), den Trost des Heiligen Geistes (Eph.1,13), die Rechtsstellung der Gotteskindschaft (Joh.1,12; Rö.8,14), die tägliche Entlastung von Sorgen (Phil.4,6), das Vorrecht, den HERRN jederzeit im Gebet anrufen zu dürfen (Mt.6,9ff; 7,7), die Zusage seiner täglichen Nähe (Mt.28,20), durch die er alle Geschehnisse zu unserem Besten dienen lässt (Rö.8,28) und vieles mehr.

Zugleich sind wir an die Begrenzungen des NOCH NICHT gebunden, weil Gott diese Folgen des Sündenfalls erst in der Ewigkeit endgültig und sichtbar außer Kraft setzen wird.

Der geistliche Vorbehalt zeigt sich daran, dass auch Christen noch sündigen und diesseits des Himmels nicht den Zustand der sündlosen Vollkommenheit erreichen. So beschreibt es Paulus in Rö. 7,15 ff. und Johannes in seinem ersten Brief (1. Joh.1,8 und 3,2 – jeweils über Christen gesagt). Solange wir auf der Erde leben, werden wir von unserem Herrn erzogen und ausgebildet, damit wir in der Heiligung wachsen (Eph.2,10; 1.Joh,3,3). Vollkommene Reinheit von allen Sünden wird es erst im Himmel geben. Dennoch ist der Christ schon jetzt ganz mit Jesu Vergebung beschenkt und darum – ohne Vorbehalt! – vom Vater im Himmel für gerecht erklärt worden.

„Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben.“

Rö.3,22

 

Der körperliche Vorbehalt zeigt sich daran, dass auch Christen diesseits des Himmels noch krank werden, krank bleiben und schließlich sterben. Auch in dieser Hinsicht gilt:

„Es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden…“

1.Joh.3,2

Ebenso erinnert Paulus daran, dass „unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird“ (2.Kor.5,1). Er hat es an sich selbst und auch an seinen Mitarbeitern erfahren (s.o.).

Damit wird deutlich: Während unsere Erlösung/Rettung sofort im Augenblick des Glaubens perfekt ist (Joh.3,16: alle, die an Jesus glauben, HABEN das ewige Leben), bleibt körperliche Heilung eine Verheißung für die Zukunft. Es handelt sich also um eine „Spätfolge“ der Erlösung.

In Teilen der Charismatischen Bewegung hat man dagegen behauptet, dass Jesus zugleich mit unserer Sünde auch unsere Krankheit weggetragen habe. Dazu berufen sie sich auf eine Aussage in Jes.53,4, wo es heißt, dass der leidende Gottesknecht (ein prophetischer Hinweis auf Jesus) „unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat“.

Nur wenn man diesen Teilvers aus dem Zusammenhang herausreißt, kann man ihn in der genannten Weise missverstehen. Der Kontext beweist eindeutig, dass es um das Sühnopfer für die Vergebung von Schuld geht. Erlösung und Schuldopfer beziehen sich direkt immer auf Sünde und nicht auf Krankheit, das gilt sowohl im Alten als auch Neuen Testament (z.B. 3.Mo.16,3-11; Hebr.9,11-12; 10,9-14).

Die hebräischen Wörter für „Krankheit“ und „Schmerzen“ können sowohl körperliches als auch geistliches Leiden bezeichnen. Was jeweils vorliegt, muss durch den Kontext entschieden werden. Der aber redet in Jes.53 unzweifelhaft über Erlösung von Schuld. Übrigens werden die Verben aus V.4 („tragen“, „aufladen“) noch mal in den Versen 11/12 gebraucht und dort eindeutig auf das Erlösungshandeln des Gottesknechtes bezogen. Damit wird eindrücklich bestätigt, wie sie in V.4 zu verstehen sind.[2]

Erlösung geschieht schon  jetzt – endgültige Befreiung von Krankheit erst dann, in der Ewigkeit!

Wenn dem so ist, drängt sich eine andere Frage auf, die uns auf den ersten Blick irritieren könnte: Haben nicht Jesus und in seiner Vollmacht auch die Apostel viele Menschen geheilt (z.B. Mt.4,25; Joh.21,25; Apg.5,16)? Warum sollte er dies heute nicht in gleicher Weise tun können? Darauf antworten wir mit unserer 4. These:

Die Heilungswunder Jesu und der Apostel hatten eine besondere heilsgeschichtliche Funktion – und werden uns nicht zur Nachahmung empfohlen.

Die Frage ist nicht, ob Jesus heute noch in gleicher Weise handeln könnte. Natürlich kann er das (Hebr.13.8; Mt.28,18f.). Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Will Jesus heute in dieser Weise handeln?

Dazu müssen wir genauer hinsehen, welche Funktion, welchen Sinn seine Heilungen (und auch andere Wundertaten) in der neutestamentlichen Zeit hatten. [3]

  • Sie beglaubigten Jesus als den von Gott gesandten Messias (Mt.11,2-6 u.a.). Sie bekräftigten seine Autorität (Mk.2,1-12).
  • Sie beglaubigten die neue Offenbarung (Botschaft) und die apostolischen Zeugen (Botschafter), durch die uns Gott in jener Zeit das schriftliche Dokument des Neuen Testaments schenkte.

Deshalb ist die Wundertätigkeit auch auf Jesus und einen kleinen Kreis seiner Mitarbeiter beschränkt geblieben. Diese wenigen mussten besonders beglaubigt werden, weil sie die ersten Träger der Christus-Botschaft waren. Deshalb werden die Wundertaten auch „Zeichen der Apostel“ genannt (Rö.15,19; 2.Kor.12,12).

  • Schließlich unterstrichen Wunder die Predigt Jesu und gaben einen Vorgeschmack davon, wie es in seinem herrlichen Reich auf ewig sein wird.

Der Theologe Benjamin Warfield hat Jesu Wundertätigkeit so beschrieben:

Als unser Herr vom Himmel auf die Erde kam, brachte er den Himmel mit herab. Die Zeichen, die seinen Dienst begleiteten, waren nur die wehenden Wolken von Herrlichkeit, die er vom Himmel mitbrachte, der sein eigentliches Zuhause ist. Die Zahl der Wunder, die er vollbracht hat, kann man gar nicht überschätzen.[4]

Hebr.2,3-4 beschreibt die Zeichenfunktion der Wunder und benennt, gut biblisch, 3 Zeugen:

  • der HERR hat das Heil verkündigt;
  • dann wurde es bekräftigt durch die autorisierten Zeugen (Apostel);
  • dies alles wurde bestätigt durch Gott, den Vater, der diesen Dienst „mitbezeugte“ durch Zeichen, Wunder und Krafttaten.

Hebr.2 richtet den Blick zurück auf eine besondere heilsgeschichtliche Situation! Hier ist nicht die Rede davon, dass Wunder auch in späteren Zeiten die Verkündigung des Evangeliums begleiten (wie es Wimber, Bonnke u.a. fordern).

Es ist interessant, dass die Zeichen und Wunder – und damit auch die spektakulären Krankenheilungen – bereits innerhalb des Neuen Testaments massiv zurückgehen. Auch die Apostel, die ja in besonderer Weise durch diese  Zeichen beglaubigt wurden, konnten sie nicht jederzeit tun, sonst hätte Paulus seine Mitarbeiter später bestimmt nicht krank belassen (1.Tim.5,23; 2.Tim.4,20). Auch sich selbst konnte er nicht heilen. Das allmähliche Verschwinden von Zeichen und Wundern ist biblisch verständlich und logischerweise zu erwarten: Nach der apostolischen Zeit sind sie nicht mehr nötig, weil ihre Aufgabe erfüllt ist. Die Botschaft des Neuen Testaments ist endgültig offenbart und aufgeschrieben. Diesen Prozess und seine Träger sollten die Wundertaten beglaubigen. Das haben sie getan.

Wir haben weder eine vergleichbare Aufgabe noch eine vergleichbare Autorität wie Jesus und die Apostel. Darum sind uns die Wunder nicht zur Nachahmung empfohlen. Darum ist uns nicht die Kraft des Krankenheilens (etwa durch Handauflegung) verheißen und der Dienst des wundersamen (!) Krankenheilens nicht aufgetragen.[5]

Allerdings hat Jesus für die Endphase der Weltgeschichte angekündigt, dass es dann nochmals eine Wunderbewegung in größerem Stil geben wird (Mt.24,24; 2.Thess 2,9). Diese steht jedoch  im Dienst des Antichristen und soll seiner Verführungsbotschaft den Weg bereiten. Seien wir also sehr wachsam und vorsichtig gegenüber allen Bewegungen, die von sich behaupten, sie könnten heute in der Kraft Gottes geheimnisvolle und spektakuläre Wundertaten präsentieren (vgl. Jesu Warnung in Mt.7,22-23).

Wenn Vertreter der Charismatischen Bewegung behaupten, sie könnten noch heute in apostolischer Vollmacht Wundertaten, z.B. Krankenheilungen, vollbringen, müssen wir davor als vor einer falschen Lehre warnen. Das führt uns zur 5. These:

Das „charismatische“ Verständnis von Heilung ist ein typisches Beispiel für unbiblische Lehren in dieser Bewegung.

Ich möchte an dieser Stelle auf das charismatische Verständnis sowohl von äußerer Heilung (5.1.) als auch von innerer Heilung (5.2.) eingehen. In diesem Rahmen muss das aus Zeitgründen sehr kurz und zugespitzt geschehen. Darum empfehle ich sehr, sich hier durch weitere Literatur zu informieren.[6]

Äußere Heilung – „Wir wollen etwas sehen!“

Paulus schreibt, dass der Christ diesseits des Himmels „im Glauben und nicht im Schauen wandelt“ (2.Kor.5,7). Er vertraut Christus und darum der irrtumslosen Bibel und ist somit „vollständig ausgerüstet“ (2.Tim.3,17). Die Charismatische Bewegung tut sich dagegen schwer mit dem „eschatologischen Vorbehalt“ (siehe unsere 3. These). Oftmals verschiebt sie – gegen 2.Kor.5,7 – das Gewicht vom Glauben zum Schauen, vom Wort Gottes zur menschlichen Erfahrung. Während Johannes schreibt, dass auch wir durch die damaligen Wunder die Macht Jesu erkennen sollen (dazu wurden sie zuverlässig aufgeschrieben: Joh.20,31!), will die Charismatische Bewegung neue, aktuelle Wunder herbeiführen, um so die Menschen zu überzeugen. Für die Bekehrung von Ungläubigen, so wird behauptet, reiche das Evangelium allein oftmals nicht aus. Es müsse vielmehr durch spektakuläre Wunder verstärkt werden.[7]

Oftmals werden dann, entgegen dem biblischen Zeugnis, Heilungen versprochen, wenn der Kranke „nur genug glaubt“. Dazu beruft man sich auf Bibelverse, die aus dem Zusammenhang herausgerissen werden und damit eine falsche Bedeutung erhalten.

An meiner ersten Pfarrstelle traf ich auf eine junge Familie mit 3 Kindern, die Mutter hatte Krebs. Aber sie glaubte dem Herrn Jesus und war voller Hoffnung, hatte allerdings auch Kontakte zur Charismatischen Bewegung.  Dadurch wurde ihr eines Tages eine angebliche Prophetie zuteil: Ein Christ teilte ihr mit, er habe vom HERRN die Botschaft empfangen, dass diese Frau nicht sterben werde.  Die Frau glaubte der Botschaft, ihr Zustand besserte sich jedoch insgesamt nicht. Die Krebskrankheit nahm ihren traurigen Verlauf, aber die junge Christin wagte kaum, sich mit der Möglichkeit des Sterbens und der entsprechenden Vorbereitung ihrer Familie zu befassen. Das wäre ja Unglaube gewesen, den eigenen Tod als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. So starb sie, zwar im Vertrauen auf den HERRN, der treu ist – aber doch in ihrem Gewissen hin- und hergeworfen. Hatte sie nicht genug geglaubt? Warum bewahrheitete sich die „Prophetie“ nicht? Gab es verborgene Sünde in ihrem Leben?  Weil Jesus stärker ist, hielt er sein Schaf fest und brachte es nach Haus. Aber wie viel zusätzliches Leid war dieser Frau und ihrer Familie zugefügt worden: weil ein falscher Prophet seine subjektiven „Eingebungen“ mit dem Willen Gottes verwechselte; weil man die Grenzen, die uns die Heilige Schrift zieht, überschritten hatte.

Ein Beispiel, das im letzten Jahr die Christen bewegt hat, wird von Reinhard Bonnke verbreitet: In einem Video schildert sein Missionswerk (Christus für alle Nationen) die Geschichte des Nigerianers Daniel Ekechukwu, er ist Pastor einer charismatischen Gemeinde. Im November 2001 war er durch einen Autounfall sehr schwer verletzt worden, schließlich hätte man ihn, so wird berichtet, im Krankenhaus für tot erklärt.

Seine Frau Nneka habe ihn aber aus der Leichenhalle in den Keller eines Gemeindezentrums bringen lassen. Stockwerke höher habe Bonnke gepredigt. Die junge Witwe habe fest daran geglaubt , dass Gott ihren Mann durch den Deutschen auferwecken würde. Während Bonnkes Predigt und durch zusätzliche Massagen von einheimischen Pastoren sei Ekechukwu schließlich von den Toten auferweckt worden.

Medizinisch betrachtet könnte hier ein Fall von „Scheintod“ vorliegen. Davon gibt es z.B. in Deutschland ca.10 Fälle pro Jahr. Der Rechtsmediziner Dr. Huckenbeck (Uni Düsseldorf) hat kritisiert, dass oft viel zu schnell der Tod attestiert werde, obwohl keine sicheren Todeszeichen wie Totenflecke, Totenstarre und Fäulnisprozesse vorlägen. Diese sicheren Anzeichen fehlen auch auf dem Totenschein von Ekechukwu.

Gravierender aber sind seine Äußerungen nach der vermeintlichen Auferweckung: nach seinem „Tod“ will er von Engeln zunächst in den Himmel und dann in die Hölle gebracht worden sein. Dort habe er mit gequälten Menschen gesprochen, sei dann aber von einem Engel in die Welt zurückgeschickt worden, um den Menschen eine letzte Warnung zu geben. Zu Jesu Zeit – in der Begebenheit von Lukas 16  (Lazarus und der reiche Mann im Totenreich) – sei die Bitte des reichen Mannes nicht erhört worden: er wollte, dass jemand aus dem Totenreich seine Brüder vor der Hölle warnen solle. Nun wäre er, so behauptet Ekechukwu, die nachträgliche Erhörung dieser Bitte.

Mit solchen Worten widerspricht der Pastor eindeutig der Aussage Jesu, der diese Bitte prinzipiell ablehnte. In Lukas 16,31 heißt es: „Wenn sie Mose und die Propheten nicht hören [also das geschriebene Wort Gottes], werden sie auch nicht hören, wenn einer aus den Toten aufsteht.“ Nun will Ekechukwu dieses Wort außer Kraft setzen und behauptet: Es hilft doch, wenn einer von den Toten aufersteht. – Welcher Geist soll hinter dieser wundersamen Heilung stecken? – Schließlich gab Reinhard Bonnke in einer TV-Show des Predigers Pat Robertson noch folgende Zusatzinformation. Ein Engel habe zu Ekechukwu gesagt: „Wenn Gott nicht entschieden hätte, dich wieder zur Erde zu senden, kämst du zu den Leuten in die Hölle.“ – Wir fragen: Wie kann ein Christ von Gott in die Hölle geschickt werden? [8]

Der ganze Bericht und die Schlussfolgerungen der Beteiligten sind bizarr, sensationsheischend und nicht vereinbar mit der Lehre der Bibel. Trotzdem wird mit dieser Art von Heilung für ein Missionswerk geworben – und der Verantwortliche, R.Bonnke, ist auch bei vielen Pfingstlern und Charismatikern in Deutschland nach wie vor ein angesehener Prediger.

Der christliche Verleger Wolfgang Bühne fragt in einem Kommentar zu Recht:

Warum verschweigt das Missionswerk [Bonnkes], dass bei Großevangelisationen Bonnkes  in Nigeria eine Anzahl Menschen zu Tode getrampelt wurden (von welchen keiner „auferstand“!) und ein verzweifelter Vater von den Mitarbeitern Bonnkes daran gehindert wurde, dem Evangelisten seine getötete Tochter vor die Füße zu legen?... Wenn der inzwischen verstorbene John Wimber 1990 prophezeite, dass „in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren Auferstehungen aus den Toten zum Allgemeingut werden“, dann entspricht das ebenso wenig der Realität. … Was der Welt und uns Christen fehlt, sind nicht spektakuläre „Wunder“, sondern ein bisschen mehr Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und Demut – und die „Auferweckung“ geistlich Toter.[9]

An diesem Beispiel einer vermeintlichen Wunderheilung werden  typische Kennzeichen charismatischer Lehre deutlich: Die persönliche Erfahrung wird am Ende wichtiger und maßgeblicher als die objektive Vorgabe des Wortes Gottes. Die Lust am Spektakulären verdrängt das demütige Fragen nach dem Willen Gottes.

Ein weiteres Kennzeichen ist die Neigung zu Mystik und magischem Denken. Dabei wird der Heilige Geist oft nicht (bzw. nicht ausschließlich) als Person verstanden. So zeigt es aber die Heilige Schrift: Der Heilige Geist ist die dritte Person der Dreieinigkeit, deren Hauptaufgabe darin besteht, Jesus Christus zu verherrlichen (vgl. Joh.14, 26; 16,13-14). In charismatischer Verzerrung wird der Heilige Geist primär als Kraft oder Energie verstanden, die der Gläubige in geheimnisvoller Weise nutzen kann.

Dieses magische Denken kommt auch zum Tragen bei einer zweiten Kategorie von vermeintlichen „Heilungen“, die in weiten Teilen der Charismatischen Bewegung populär sind.

Nach der „äußeren Heilung“ wenden wir uns darum dem Thema „innere Heilung“ zu.

Innere Heilung – „Durch Visualisierung zurück in die Kindheit“

Die „Innere Heilung“ gilt in vielen charismatischen Kreisen als ein wichtiger Bestandteil der Seelsorge. Innere Heilung stellt eine Verbindung von tiefenpsychologischen, mystisch-okkulten und seelsorgerlichen Elementen dar. Als Vertreter dieses Konzeptes, wenn sie auch nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen, gelten u.a.: Agnes Sanford, John und Paula Sandford, Morton Kelsey, Francis MacNutt, Rita Bennett, David Seamonds, Arline Westmeier.

Das Ziel hat Francis McNutt so beschrieben: „Die Vorstellung, die hinter der Inneren Heilung steht, ist einfach die, dass wir Jesus Christus bitten können, zu der Zeit zurückzugehen, in der wir verletzt wurden, und uns von den Auswirkungen dieser Wunden… zu heilen.“[10]

Zu den Voraussetzungen der „Inneren Heilung“ zählt die Theorie, dass die entscheidenden Impulse  für Denken und Handeln aus dem Unbewussten kommen. Dieses wiederum ist stark von verdrängten Kindheitserfahrungen geprägt (hier ist der Einfluss von S. Freud deutlich erkennbar). Eine weitere Voraussetzung ist die These C.G.Jungs vom „kollektiven Unbewussten“ und der produktiven Kraft der Phantasie.

Die Methode der „Inneren Heilung“ lässt sich mit zwei Schritten beschreiben:

a) Der zu behandelnde Mensch soll sich in frühkindliche Situationen zurückversetzen, von denen er meint, sie hätten etwas zu tun mit seinen aktuellen Problemen (im Denken, Fühlen oder Glauben). Dies geschieht mit der Technik der Visualisierung: Die Situation soll vor dem inneren Auge so real wie möglich vergegenwärtigt werden.[11]

b) In einem weiteren Schritt soll dann visualisiert werden, wie Jesus in diese Situation eintritt und sie durch seine Gegenwart verändert. So könne der Mensch, durch die Macht der Gedanken mit der Technik der Visualisierung die vermeintliche Prägung der Kindheit durchbrechen.

Diese Methode der Visualisierung wird auch von Schamanen angewendet. Durch die Kraft ihrer Gedanken treten sie in Kontakt zu „geistigen Führern“ (Kontrollgeistern), die ihnen dann zur Verfügung stehen. Bei der „christlichen“ Variante wird vermeintlich „Jesus“ als geistiger Führer herbeigerufen. Diese Fähigkeit des Christen wird als Wirkung des Heiligen Geistes verstanden. Bei katholischen Charismatikern holt man auch gern Maria in der Funktion des geistigen Führers herbei.

Die Missionarsfrau Arline Westmaier berichtet ein typisches Beispiel aus ihrer „seelsorgerlichen“ Praxis[12]. Einer ratsuchenden Frau, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden war, riet sie Folgendes:

Ich möchte jetzt Gott darum bitten, dir deine geistlichen Augen zu öffnen, damit du sehen kannst, dass Jesus hier bei uns ist. Versuche, ihn mit deinen inneren Augen wahrzunehmen.[13]

Dann sollte sie, ebenfalls durch Visualisierung, alle ihre verletzten Gefühle in einen Sack packen, diesen Sack Jesus auf die Schultern laden – und dann weiter visualisieren, wie Jesus diesen Sack mit den verletzten Gefühlen ans Kreuz trägt.

Ergebnis: Bei der „Inneren Heilung“ wird „Jesus“ wie ein geistiger Führer benutzt, ja instrumentalisiert. Im genannten Beispiel lässt man Jesus für die eigenen verletzten Gefühle ans Kreuz gehen – obwohl er doch in Wirklichkeit für die Sünde gestorben ist. Man lässt Jesus wiederum an Kreuz gehen – obwohl er das doch in der Vergangenheit ein für allemal getan hat (Hebr.9,26-28 u.ö.).

Die Methode der Visualisierung überschreitet die Grenze zur Zauberei: schon lange gehen Okkultisten davon aus, dass Gedanken durch Visualisierung materialisiert werden können. Diese Grundannahme steht in verblüffender Ähnlichkeit hinter dem Schamanismus, dem Positiven Denken und der „Inneren Heilung“.

Was geschieht bei dieser Technik? Nicht alles ist nur Einbildung oder Autosuggestion. Der erfahrene Seelsorge-Lehrer Roland Antholzer schreibt dazu: Durch diese Methode könne es geschehen,

dass tatsächlich ein Kontakt zu einem Geistwesen hergestellt wird. Die einzige Erklärung ist wohl die, dass es sich um dieselben dämonischen Wesen handelt, die sich den Okkultisten als Geistführer darstellen. Wenn nun ein Christ Jesus visualisiert und ihn dann scheinbar leibhaftig vor sich sieht, dann merkt er nicht, dass er damit genauso vorgeht wie die Schamanen, die immer betonen, dass auf diese Weise ein „magisches Tor“ im Bewusstsein geöffnet wird, das zu der Welt der Geister führt.[14]

Hier zeigt sich in typischer Weise das mystische und magische Denken, von dem viele Charismatiker bestimmt werden. Der Heilige Geist wird wie eine Kraftwirkung verstanden, die man einsetzen und mit der man selbst bestimmte Phänomene machtvoll herbeiführen oder verändern kann. Ähnliches gilt für den sog. „Befreiungsdienst“ in der charismatischen Okkultseelsorge.[15]

Und auch – damit schließt sich der Kreis – beim Verständnis der äußeren Heilung waltet diese magische Geistvorstellung. So berichtet Ann Watson, die Frau des damals krebskranken  englischen Charismatikers David Watson, von einem Zusammentreffen mit John Wimber:

Einmal…als wir aus einem Restaurant kamen…fingen meine Hände an zu zittern. John (Wimber) nahm sie und legte sie David (Watson) auf, es sei zu schade, die ganze Kraft zu verschwenden. Dieses Zittern hielt manchmal eine ganze Weile an.[16]

Trotz einer gegenteiligen „Weissagung“ Wimbers ist Watson später an dieser Krankheit verstorben.  Das von okkulten Geistheilern bekannte Phänomen energiegeladener Hände hat Wimber aber auch von sich persönlich berichtet:

Meine Hände prickeln gewöhnlich und sind warm und ich fühle so etwas wie Elektrizität aus ihnen herauskommen, wenn ich ein befehlendes Wort spreche. Dies veranlasst mich, Empfindungen wie Prickeln und Hitze zu verstehen als eine Salbung des Heiligen Geistes an mir, um zu heilen.[17]

Wir fassen zusammen:

Mit ihren magischen Techniken innerer und äußerer Heilung bewegen sich die Charismatiker auf einem nicht ungefährlichen Feld. Denn die Grenze zwischen Einbildung, Autosuggestion, Massensuggestion und dämonischer Wirkung ist oftmals nicht zu erkennen. Manchmal ist sie sogar sehr deutlich überschritten. Dagegen warnt uns die Heilige Schrift eindringlich davor, durch bestimmt geistige Techniken (letztlich durch Okkultismus) in die verborgene Welt einzudringen (z.B. 5.Mo.18,9-12). Möge der Herr uns hier bewahren – und noch manchen Verirrten aus solcher Verstrickung befreien.

Der heilige Gott weist uns nur einen einzigen Weg, mit dem wir Kontakt zur unsichtbaren Welt aufnehmen sollen – das ist das  Gebet. Alle anderen Wege sind verboten. Und es gibt nur einen einzigen Adressaten, an den wir uns wenden dürfen – das ist der lebendige Gott und sein Sohn Jesus Christus.

Damit kommen wir abschließend zu der Frage, wie wir uns als Christen denn in rechter Weise verhalten sollen, wenn andere oder wir selbst von körperlicher Krankheit betroffen sind. Die Bibel macht deutlich, dass klassische ärztliche Kunst eine gute Schöpfungsgabe Gottes ist, solange sie im Einklang mit seinen Maßstäben angewendet wird. Lukas war nicht nur ein guter Historiker, sondern gewiss auch ein guter Arzt. Paulus schreibt über ihn: „Es grüßt euch Lukas, der Arzt, der Geliebte“ (Kol.4,14).

Aber ärztliche Kunst, so sehr wir sie schätzen, ist nicht das Letzte, was uns bleibt. Der große Arzt lädt uns immer wieder ein, ja fordert uns auf, regelmäßig seine himmlische Sprechstunde aufzusuchen – und dort für andere und für uns selbst zu bitten. Das Wichtigste ist die Bitte für das Herz (1.These) und alles was mit diesem Herzen zusammenhängt: Denken, Wollen, Empfinden. Aber auch für den Körper dürfen und sollen wir unseren Schöpfer bitten.

Das besagt unsere 6. und letzte These:

Die christliche Gemeinde hat den Auftrag, den Kranken durch praktische Fürsorge beizustehen und sie vor allem im Gebet vor Gott zu bringen.

Die Aufgabe der Gemeinde ist nicht Heilungsdienst, sondern Gebetsdienst. In Jak.5,13-20 zeigt der lebendige Gott, wie seine Gemeinde mit körperlich Erkrankten umgehen soll.

Wir haben hier nicht mehr die Zeit, um auf Einzelheiten dieses Bibeltextes einzugehen. Aber das eine müssen wir unbeirrt festhalten: Die spezifische Antwort der Christen auf  Krankheit ist Gebet! In bestimmten Situationen ist es sogar geraten, die Ältesten (Gemeindeleiter) an das Krankenbett zum Gebet zu rufen (5,14). Aber grundsätzlich gilt der Fürbitteauftrag für alle Christen (5,16: „betet füreinander“). Gott hat solchem Gebet eine große Verheißung gegeben:

Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. (5,16)

Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten. (5,15)

Dieses „Aufrichten“ kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: Gott kann, wenn er das will, den Kranken heilen. Gott kann ihm körperliche Erleichterung verschaffen. Gott kann ihm zusätzliche Kraft zum Tragen geben. Gott kann trösten, ermutigen. Die Art und Weise, wie Gott helfen wird, bleibt ihm in seiner Souveränität überlassen. Dabei dürfen wir nie vergessen, dass die Zusage von Jak.5 ganz eng mit der von Rö.8,28 zusammengehört, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“. Dafür wird Gott bei seinen Kindern sorgen.

Denn er hat große Ziele mit uns vor. Gottes Absichten mit seinen Kindern in dieser Welt bestehen ja nicht vorrangig darin, sie immer gesund und unbeschwert durchs Leben laufen zu lassen. Unser HERR hat Größeres mit uns vor – er will uns immer mehr verwandeln und hineingestalten in das Bild seines Sohnes Jesus Christus (2.Kor.3,18). Wir sollen etwas sein und werden zum Lob seiner Herrlichkeit (Eph.1). Und diesem großen Ziel müssen – durch  Krankheit und Gesundheit hindurch – alle Wege Gottes mit seinen Kindern dienen.

So wird aus dem Zweiklang, mit dem wir begonnen haben, zum Abschluss sogar ein Dreiklang:

 

Medicus curat – Christianus orat – Deus salvat, sanctificat et sanat.

Der Arzt behandelt. – Der Christ betet. – Gott rettet, heiligt und heilt.

Er tut es zu Seiner Zeit, nach Seinem guten Plan. Ihm sei alle Ehre!

 

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[1]  Predigt vom 28.April 1929, zitiert bei I.H.Murray: Martyn Lloyd-Jones – Teil I der Biographie (The First Forty Years, 1982, S.80).

[2] In Mt.8,14-17 berichtet der Evangelist vom Heilungsdienst Jesu und formuliert dort eine Anspielung auf Jes.53 (kein direktes Zitat!). Dabei verändert er die Verben so, dass sie nun auf  körperlich-medizinische Fragen bezogen sind. Warum bedient sich der Apostel dennoch der Anspielung auf Jes.53? Wahrscheinlich will er damit zeigen, dass die körperlichen Heilungen (und Exorzismen) in Kapernaum ein Vorgeschmack und eine Vorschattung für die viel größere geistliche Heilung sind, die Jesus einige Zeit nach diesen Ereignissen am Kreuz vollbringen wird – die Erlösung. In Kapernaum, wo „nur“ Krankheit und dämonische Bindung überwunden werden, geschieht also eine Vorschattung, eine Ankündigung jenes größeren Sieges von Kreuz und Auferstehung, durch den dann auch die Sünde entmachtet wird.

[3] Zu dieser Frage siehe ausführlich meinen Aufsatz „Zeichen und Wunder der apostolischen Zeit – Maßstab für heute?“. Er kann über CDK/Deutschland bezogen werden und ist zuletzt neu erschienen im Verlag des Bibelbundes (Hammerbrücke, 2003, E-Mail:Bestellung@bibelbund.de).

[4] Counterfeit Miracles, Reprint 1986, S.3 (Übersetzung WN).

[5] Die Anweisungen in Mt.10,5ff., wo die Mission noch ausdrücklich auf  Israel beschränkt war (v.6), richtet sich an die Apostel und ihr unmittelbares Umfeld. Vgl. ähnlich den Hinweis auf besondere Zeichen (wohl der Apostel) in Mk.16,17-20. Dagegen richtet sich der allgemeine Missionsbefehl (Mt.28,18-20) an die Christen aller Zeiten.

[6] John MacArthur, Charismatic Chaos; Wolfgang Bühne, Dritte Welle…gesunder Aufbruch?; Alexander Seibel, Die sanfte Verführung der Gemeinde; Benedikt Peters, Sollte Gott etwas unmöglich sein?; Rudolf Ebertshäuser, Die Charismatische Bewegung im Licht der Bibel.

[7] Siehe z.B. John Wimber, Power Evangelism, London 1985.

[8] Darstellung nach Topic, 7/2002, S.4.

[9] Idea 35/2002, S.III.

[10] Healing, 1974, S. 183.

[11] Dabei kommt häufig es zu manipulierten „Pseudo-Erinnerungen“, die gar nicht der Realität der Kindheit entsprechen. Der Psychiater Carney Landis sagt dazu: „Ich glaube, …dass die Kindheitsphantasien, die Erinnerungen…eigentlich von der Analyse erst hervorgerufen und nicht etwa aufgedeckt werden“ (zitiert bei Martin L.Gross, The Psychological Society, 1978, S.197f.). Ähnlich bezeichnet Dave Hunt die „Innere Heilung“ als „christliche Form der Psychoanalyse, welche die Macht der Suggestion nutzt, um Probleme zu lösen, die sie meistenteils selbst geschaffen hat“ (Die Verführung der Christenheit, 1987, S. 188).

[12] Arline Westmaier, Die verletzte Seele heilen, Wuppertal 1988.

[13] AaO, S. 63.

[14] Informationsbrief der Bekenntnisbewegung, April 2001, S. 34

[15] Siehe auch dazu Antholzer, aaO, S. 34-35.

[16] Wimber, Die dritte Welle, S. 66.

[17] Wimber, Power Healing, S. 208.