Stellungnahme Selbstbestimmungsgesetz

1. Wer bestimmt, wer ich bin - Ideologie, Gefühle oder Normen?

Stellungnahme zum Selbstbestimmungsgesetz

Am 12. April wurde das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)“[1], besser bekannt als das „Selbstbestimmungsgesetz“ vom deutschen Bundestag verabschiedet.[2] Es soll am 1. November 2024 in Kraft treten.[3] Nun ist es gem. § 5 Abs. 1 SBGG in Verbindung mit § 2 SBGG einmal jährlich möglich, die Eintragung seines Geschlechts oder des Vornamens per Selbsterklärung beim Standesamt (§ 2 Absatz 1, § 4 SBGG) ändern zu lassen. Dabei darf man zwischen männlich, weiblich, divers oder völligem Fehlen eines Geschlechtseintrags wählen (§ 2 Absatz 1 SBGG in Verbindung mit § 22 Absatz 3 Personenstandsgesetz (PStG).

Offenbarungsverbot

Ab diesem Zeitpunkt kann gem. § 14 SBGG mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € belegt werden, wer den früheren Geschlechtseintrag oder einen Vornamen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (sogenanntes „Offenbarungsverbot“). Bezug genommen wir hierbei auf § 13 SBGG Absatz 1 Satz 1 SBGG, wonach die früheren Angaben nicht ohne Zustimmung der betroffenen Person offenbart werden dürfen. Was „offenbaren“ genau bedeutet, lässt sich nur erahnen. Jedenfalls fällt die unerwünschte Ansprache mit einem vorherigen Vornamen im Beisein von solchen, die diesen noch nicht kennen, darunter. Wer also erkennt, dass er ein Mädchen vor sich hat, die aber statt Andrea nun mit Andreas angesprochen werden möchte, hat die Wahl zwischen einem möglichen Bußgeld oder Einstimmen in die gefühlte Lebenswirklichkeit des Mädchens, welche im schroffen Kontrast zur biologischen Realität steht. So wird Druck ausgeübt in die gefühlte Wahrnehmungswelt des Betroffenen einzusteigen und diese – auch entgegen der eigenen Überzeugungen – in ihrer Illusion zu bestärken.

Wo sonst wird man gezwungen biologische Realitäten zu leugnen? Wenn ein 60-jähriger Mann behauptet, 15 Jahre alt zu sein, weil dies seiner empfundenen Wirklichkeit entspricht, sind wir als Bürger nicht gesetzlich verpflichtet, seiner Fantasie zuzustimmen. Wohl eher im Gegenteil, hier ist man aufgerufen der Person zu helfen ihre Illusion zu überwinden. Die Klage des Holländers Emile Ratelband aus 2018 auf Feststellung, dass er keine 69 Jahr als sei, sondern nur 49, wurde von einem holländischen Gericht abgewiesen.[4] In der Sache wurde die Abweisung damit begründet, dass man sein Alter nicht anpassen könne. Es gingen Registeraufzeichnungen verloren und Pflichten wie die Schulpflicht hingen an dem Alter. Für die Schulpflicht ist es demnach wichtig an den objektiv feststellbaren biologischen Tatsachen festzuhalten. Für die Frage, ob man Mann oder Frau ist, soll aber etwas anderes gelten? Die Absurdität wird im Gesetz selbst deutlich (in § 8 SBGG). Hier muss geregelt werden, was eine Frau oder ein Mann ist, ohne dies explizit zu sagen. Es soll unabhängig vom Personenstandsregister beispielsweise festgestellt werden, wer gebärfähig ist. Das ist wenig überraschend die Person, die schwanger oder gebärfähig ist – bisher auch schlicht „Frau“ genannt. Jetzt angeblich nicht mehr unbedingt! Aber für die biologischen Fragestellungen müssen wir – auch gesetzlich – letztlich doch auf die medizinischen Tatsachen abstellen.

Eine Lawine wird losgetreten

Eine Verunsicherung hinsichtlich der geschlechtlichen Identität in der Phase der Pubertät ist nicht ungewöhnlich. Diese Verunsicherung klingt in der Regel mit Abschluss der Pubertät ab. Greift man nun jedoch in diese volatile Phase ein und bestärkt die Verunsicherung mittels sozialer Transition (wozu neben der Änderung des Vornamens auch das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung und Frisuren gehört), mit sogenannten Pubertätsblockern oder gegengeschlechtlicher Hormongabe, führt dies in so gut wie allen Fällen dazu, dass der Heranwachsende sich letztlich auch für operative Maßnahmen entscheidet, um den Wechsel zum anderen Geschlecht „ganz“ zu vollziehen. Wer also die erste Stufe der Transition nimmt, wird sich so gut wie immer auch für alle weiteren Schritte entscheiden.[5]

Statt, wie in vielen Ländern in den letzten Jahren geschehen, Pubertätsblocker zu verbieten, wird den Heranwachsenden nun mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz noch eine Möglichkeit geboten, die Verunsicherung hinsichtlich des eigenen Geschlechts zu bestärken und damit letztlich unumkehrbare Maßnahmen mittels Medikamente und Operationen an sich vollziehen zu lassen: die Eintragung des Geschlechts mit dem Wechsel des Vornamens. Es ist davon auszugehen, dass dieser Akt per Selbsterklärung eine ähnliche Wirkung entfalten wird wie die Gabe von Medikamenten. Der Jugendliche wird bestätigt auf seinem Weg hin zur Trans-Behandlung. Ist die Lawine erst ins Rollen gebracht, kann sie kaum noch aufgehalten werden. Der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Korte sowie der Psychologe Prof. Tschuschke fragen daher kritisch:

„Ist es aber realistisch, anzunehmen, dass die betroffenen Kinder im Falle einer frühzeitigen, bereits in jungen Jahren durchgeführten personenstandsrechtlichen Transition imstande sind, gegen die dadurch geschaffenen Fakten anzugehen, sprich die getroffene juristische Entscheidung mit all ihren Konsequenzen später wieder rückgängig zu machen und einen anderen, alternativen Weg einzuschlagen? Oder droht nicht vielmehr die Gefahr, mit einer ungeprüft durchgewunkenen (in Form eines Verwaltungsaktes vorgenommenen) Personenstandsänderung eine Persistenz der Geschlechtsdysphorie zur Transsexualität als einzige Option für das Kind zu präjudizieren? Jüngere Studien liefern Hinweise, was eine frühzeitige soziale Transition tatsächlich bewirkt: Sie treibt die Rate der Persister nach oben.“[6]

Wer die juristische Transition kritisch hinterfragt, wer auch nur zur Vorsicht mahnt und darauf hinweist, dass die Verunsicherung hinsichtlich des eigenen Geschlechts in den meisten Fällen von alleine verschwindet, der wird als transphob abgestempelt oder ab 2024 gar mit einem Bußgeld abgestraft.

Wer entscheidet zum Wohle des Kindes?

Für die Selbsterklärung vor dem Standesamt ist für 14 – 17-jährige keinerlei Beratung oder ärztliche Stellungnahme notwendig, sondern lediglich die Zustimmung der Eltern (§ 3 Absatz 1 SBGG). Diese kann notfalls auch durch ein Familiengericht ersetzt werden, wenn die Änderungen dem Kindeswohl nicht widersprechen. Man achte auch auf die Beweislast hier: Es muss also nicht festgestellt werden, dass die Änderungen dem Kindeswohl entsprechen, sie dürfen nur dem Kindeswohl nicht widersprechen. Eine ungleich niedrigere Hürde als die Feststellung, dass die Änderungen dem Kindeswohl entsprechen.

Für Minderjährige bis zum 14. Lebensjahr genügt laut § 3 Absatz 2 SBGG eine Erklärung der Eltern, der Minderjährige muss lediglich anwesend sein bei Abgabe der Erklärung.[7] Dies von einer Familienministerin, die sogenannten Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben möchte, womit man als Staat die Kinder vor den eigenen Eltern schützen können möchte.[8] Wo bleiben beim SBGG die Kinderrechte? Warum sollen die Kinder im SBGG dem elterlichen Willen ausgeliefert sein, bei anderen Fragen aber der Staat zum Wohle des Kindes gegen die Eltern vorgehen können? Welcher Maßstab wird für die Bewertung herangezogen, wann es auf die elterliche Einschätzung ankommt und wann man als Staat zum Wohle der Kinder in eine Familie eingreifen muss?

In der bisherigen Regelung war zumindest ein gutachterliches Vorgehen vorgesehen, in dem bestätigt werden musste, dass die geschlechtliche Verunsicherung einen echten Krankheitswert beinhaltete. Krankheitswert bedeutete bis dato, dass das Auseinanderklaffen von biologischem und empfundenem Geschlecht als anhaltend leidvoll erfahren wurde. Da jedoch im Progress der neu geschaffenen Geschlechtsinkongruenz (statt vormals Genderdysphorie oder Geschlechtsidentitätsstörung) eine Entpathologisierung vorgenommen werden soll, darf mithin auch nicht von Krankheit die Rede sein. Was aber soll sowohl eine langjährige Medikamenteneinnahme als auch zahlreiche Operationen anderes sein, wo doch vermeintlich keinerlei Erkrankung vorliegt, als eine Behandlung?

Zu Recht muss hier, auch angesichts der geplanten großen Umwälzungen im Familienrecht zugunsten gleichgeschlechtlicher Paare mit Kinderwunsch,[9] gefragt werden: wer entscheidet über die Zukunft der Kinder? Drohen hier nicht Verschiebungen hin zu Aktivisten, flüchtigen Gefühle oder genderaffine Eltern? Vor diesem Hintergrund gewinnt der Ausdruck SELBST-Bestimmungsgesetz erst recht eine perfide Note. Denn das Selbst ist bei Minderjährigen derart beschaffen, dass es weitreichende Konsequenzen der medikamentösen und operativen Eingriffe nicht abschätzen, Gefühle nicht seinen angemessenen Stellenwert einräumen kann und zu guter Letzt nicht abschätzen kann, wie sehr dieses Selbst durch die omnipräsenten Genderpropaganda beeinflusst und manipuliert wurde.

Die große Hoffnung, die Jugendliche in die Transbehandlung setzen, platzt nur zu oft wie Seifenblasen. Sie erwachen in einem Körper, der durch viele Operationen unumkehrbar gezeichnet ist, sie erleben häufig anhaltende Nebenwirkungen wie Inkontinenz oder fehlender genitaler Empfindung. Sie merken, dass ihre Probleme nicht gelöst sind, weil sie immer noch dieselben Personen sind, auch wenn in einem veränderten Körper. Immer mehr entscheiden sich daher, wieder zu ihrem ursprünglichen Geschlecht zurückzukehren, zu detransitionieren. Eine echte Wiederherstellung der vorherigen Bedingungen eines gesunden Körpers ist jedoch leider nicht mehr möglich.

Fazit

Als Christen im Dienst an Kranken e. V. setzen wir uns dafür ein, die Lügen der haltlosen Versprechen der Transbehandlungen als solche zu entlarven. Wir wollen Eltern, Jugendliche und Kinder davor warnen, den Heilsversprechen der Genderideologie Glauben zu schenken und sich auf letztlich unumkehrbare Behandlungen einzulassen. Wir sind überzeugt, dass ein gedeihliches Leben nur möglich ist, wenn wir in Übereinstimmung mit dem Geschlecht leben, welches unser Schöpfer uns gegeben hat. Was Jugendliche und Kinder benötigen, ist nicht eine Stärkung ihrer flüchtigen und häufig verwirrenden Gefühle, sondern starke und stabile Normen, die ihnen Halt geben. Wir machen uns für diejenigen stark, die eine Behandlung bereits durchgeführt haben und feststellen, dass die Therapie mehr geschadet als genutzt hat. Und wir halten den Politikern und Aktivsten entgegen, dass nicht das Gefühl über unser Geschlecht entscheiden kann, sondern allein derjenige, der den Menschen „als Mann und Frau“ (Gen 1,27) erschuf. Eine Separation vom biologischen zum empfundenen Geschlecht, wie es das Selbstbestimmungsgesetz vorsieht, zerstört den Menschen. Nicht der Mensch, sondern Gott bestimmt die Zuordnung zu männlich oder weiblich. Wer dies negiert, setzt sich nicht für das Wohl des Menschen ein.

 

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Quellen-Nachweis

[1] BT Drucksache 20/9049

[2] Die 2. und 3. Lesung, sowie die Abstimmung nachzulesen unter: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20164.pdf#P.21102 aufgerufen am 18.4.2024

[3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/tipps-fuer-verbraucher/selbstbestimmungsgesetz-2215426#:~:text=Das%20Gesetz%20tritt%20in%20zwei,Transsexuellengesetz%20von%201980%20endgültig%20ab. abgerufen am 20.04.2024

[4] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/niederlande-positiv-guru-ratelband-scheitert-mit-klage-auf-amtliche-verjuengung aufgerufen am 18.04.2024

[5] Vgl. Olson KR, Durwood L, Horton R, Gallagher NM, Devor A. Gender Identity 5 Years After Social Transition. Pediatrics. 2022 Aug 1;150(2):e2021056082. doi: 10.1542/peds.2021-056082.

[6] Korte, A. und Tschuschke, V.: Sturm und Drang im Würgegriff der Medien – Die Leiden der jungen Generation am eigenen Geschlecht. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 2023. 51 (5), 356.

[7] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/queerpolitik-und-geschlechtliche-vielfalt/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg--199332 aufgerufen am 18.4.2024

[8] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/lisa-paus-gratuliert-allen-kindern-und-jugendlichen-zum-weltkindertag-201704aufgerufen am 18.04.2024

[9] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eckpunkte-familienrecht-kindschaftsrecht-eltern-sorgerecht-umgang-wechselmodell-vater-mutter/aufgerufen am 18.04.2024

Foto von Tim Mossholder auf Unsplash


Welchen Nutzen haben ätherische Öle?

Was sind ätherische Öle?

Ätherische Öle sind flüchtige, stark riechende Öle, die sich in verschiedenen Pflanzenbestandteilen finden (Blüten,Blätter, Samen, etc.). Sie werden von den Pflanzen selbst produziert. Im Gegensatz zu anderen Ölen (z. B. Sonnenblumenöl) verdunsten sie rückstandslos. Gewonnen werden ätherische Öle meist durch Destillation oder im Fall von Zitrusfrüchten durch das Pressen der Schale.[1] Die bekanntesten ätherischen Öle sind die des Lavendels, der Zitrone, des Eukalyptus und der Pfefferminze. Ätherische Öle können auch synthetisch hergestellt werden. Es gibt deshalb folgende Unterscheidungen:
• Naturbelassene/naturreine Öle: kommen direkt aus der Pflanze, auf dem Etikett steht der botanische Name, das Herkunftsland, der Pflanzenteil aus dem das Öl stammt
• Natürliche Öle: Mischung von naturbelassenen Ölen
• Naturidentische Öle: werden synthetisch herstellt, gleichen aber in der Molekularstruktur dem natürlichen Öl
• Künstliche Öle: werden synthetisch hergestellt, haben keinen Bezug zum natürlichen Öl
Die Bezeichnung ätherisches Öl ist nicht geschützt. So
können auch die komplett synthetisch hergestellten Öle
als ätherische Öle verkauft werden. Möchte man ein Öl
kaufen, das ganz sicher aus der Pfl anze kommt, deren
Name es trägt (naturbelassenes/naturreines Öl), sollte
man auf oben genannte Kriterien achten.[2]

Einsatzgebiete

Ätherische Öle haben zahlreiche Anwendungsgebiete. Sie können in Form von Inhalation (in der Raumluft oder direkt), Massagen, Wickel, Badezusatz oder oraler Einnahme angewandt werden. Es ist sehr wichtig, dass ätherische Öle niemals unverdünnt verwendet werden, da sie sonst starke Nebenwirkungen bis hin zum Tod haben können![3] Man sollte bei der Anwendung von ätherischen Ölen zwischen „Aromawellness“ und Aromatherapie unterscheiden. In beiden Fällen kann sich der oben genannten Anwendungsarten bedient werden. Allerdings ist Aromatherapie ein fester Bestandteil der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie), die in Deutschland nur von darin ausgebildeten Ärzten und Heilpraktikern durchgeführt werden darf und auf die Behandlung von konkreten Krankheiten abzielt. Unter „Aromawellness“ fällt der Teil der Anwendungen, die im häuslichen, laienhaften Gebrauch zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens durchgeführt werden (z. B. Duftöl zur Erfrischung der Raumluft, Bad mit Lavendelöl zur Entspannung, etc.).[2] Im Weiteren wird auf das große Gebiet der Aromatherapie eingegangen, da sie auch immer mehr im medizinischen Alltag an Bedeutung gewinnt. Aufgrund des Umfangs dieses Themas, kann hier nur ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand gegeben werden.

Aromatherapie

Definition

Die Aromatherapie gehört zur Phytotherapie. Ihr Ziel ist es, mit Hilfe von ätherischen Ölen physische und psychische Erkrankungen zu behandeln und die Gesundheit nachhaltig zu beeinflussen. Sie findet in der Prävention, der Therapie (im professionellen Rahmen und zur Selbstbehandlung), wie auch in der Krankenpflege Anwendung.“[4]

Durchführung

Bei der Aromatherapie wird eine Erkrankung mit den bei ihr wirksamen ätherischen Ölen behandelt. Die Aromatherapie kann bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen, wie andere Phytotherapeutika, alleine angewandt werden. Bei schweren oder chronischen Verläufen spielt sie in der Regel nur eine ergänzende Rolle.[5] In welcher Form die ätherischen Öle verabreicht werden, entscheidet der Verordner. Bekannte Beispiele, die auch im Alltag Verwendung finden, sind die Inhalation von Thymol und Menthol bei Erkältung oder die Einnahme von Lavendelöl bei Schlafstörungen. Aus der Zusammenstellung der verschiedenen Öle und Anwendungsmethoden folgt eine sehr große Palette an möglichen Therapien. Wichtig ist, dass die Öle niemals unverdünnt verwendet werden. Zur äußerlichen Anwendung werden sie in einem Trägeröl gelöst, zur Inhalation mit entsprechenden Geräten verdampft und zur innerlichen Anwendung mit viel Wasser oder in Form von Kapseln eingenommen.

Anwendungsgebiete

Aromatherapie wird hauptsächlich bei Erkältungssymptomatik, Schlafstörungen, Schmerzen, Stress und Angst angewandt.

Ätherisches Öl mögl. Anwendungsgebiet
Lavendel Schlafstörungen, Angst, Schmerz
Eukalyptus Erkältungen
Thymian Erkältung
Orange Stress
Pfefferminz Übelkeit
Bitterorangenblüten Angst, Panik, Depression, Stress
Zitrone Immunmodulation, Fieber

Die Studienlage in jedem dieser Gebiete ist nicht eindeutig, was man auf die meist sehr geringe Studienpopulation, die schwierige Durchführung von randomisiert kontrollierten Studien mit ätherischen Ölen (sie riechen stark, sodass alle Beteiligten wissen, dass ein Öl im Raum ist) und auf die nicht einheitliche Anwendung ätherischer Öle zurückführen kann. Es kann in den Anwendungsgebieten also nur von möglichen Wirkungen gesprochen werden, die weiter erforscht werden müssen. Mögliche Wirkungen von ätherischen Ölen bei Erkältungssymptomatik sind beispielsweise: hustenreizstillend, auswurffördernd, entzündungshemmend und antimikrobiell.[6] Außerdem gibt es Studien, die darauf hindeuten, dass ätherische Öle auch in der Behandlung von Schmerzen[7], Schlafproblemen[8], Stress[9] und Angst[10] eine Rolle spielen können.

Wirkungsweise

Ätherische Öle wirken wahrscheinlich über verschiedene Wege im menschlichen Körper. Die Forschung kann hier nur Ansatzpunkte aufzeigen, da dieses komplexe Thema noch nicht hinlänglich erforscht ist. Eine mögliche Wirkungsweise ist die über das olfaktorische System (den Geruchsinn), wobei hier die Moleküle nicht nur als Geruch erkannt werden und dadurch eine Wirkung haben, sondern auch aufgrund ihrer geringen Größe über die Riechnerven in das Gehirn gelangen und dort zentrale Wirkungen entfalten können. So gibt es Hinweise darauf, dass ätherische Öle in die Regulation verschiedener Systeme (Monoamine, Neutrophine, Neuroendokrine) eingreifen und so zum Beispiel den Cortisol-Spiegel bei Stress senken können. Außerdem wird vermutet, dass ätherische Öle entzündungshemmend wirken und freie Radikale bekämpfen.[11] Eine weitere mögliche Wirkungsweise ist die Aufnahme der Moleküle über die Haut, den Magen-Darm-Trakt und/oder die Atemwege. Hier gelangen die Moleküle ins Blut[12] und können dann möglicherweise direkte Wirkungen an den Organen entfalten.

Nebenwirkungen

Bei der Anwendung von ätherischen Ölen können, wie bei allen anderen Medikamenten, (teils schwere) Nebenwirkungen auftreten. Die hier aufgeführte Liste enthält Beispiele und ist nicht vollständig. Ätherische Öle können hautreizend wirken und sollten deshalb vor ihrer Anwendung zuerst getestet werden. Außerdem wirken einige Öle phototoxisch, was bedeutet, dass sie die Haut empfindlicher für UV-Strahlen machen und so schnell starke Verbrennungen auftreten können, wenn betreffende Areale mit Sonne in Kontakt kommen. Allergische Reaktionen sind ebenfalls nicht auszuschließen. Menschen mit einer Allergie auf Pflanzen können davon ausgehen, dass sie auch auf das entsprechende Öl allergisch reagieren. Bei der falschen, übermäßigen Einnahme von ätherischen Ölen kann es außerdem zu starken organischen Schäden kommen, die zum Tod führen können.[13]

Wechselwirkungen

Ätherische Öle sind nicht Extrakte von Pflanzen, die nur gut riechen. Wie oben gezeigt, haben sie im menschlichen Körper durchaus Wirkungen, die über das Geruchsempfinden hinausgehen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sie in Wechselwirkung mit den unterschiedlichsten Medikamenten (von Schlafmitteln über Blutdrucksenker bis Gerinnungshemmer) treten können. Diese Wechselwirkung entsteht hauptsächlich durch die Modifikation von Enzymen, die die Medikamente abbauen. So werden beispielsweise Schlafmittel oder Gerinnungshemmer langsamer abgebaut, was eine verlängerte Wirkung zur Folge hat. Blutdrucksenker können dagegen schneller abgebaut werden, wodurch die blutdrucksenkende Wirkung schneller nachlässt.[14] Hier ist es wichtig vor der (Eigen-)Therapie mit ätherischen Ölen mögliche Wechselwirkungen derselben mit der bestehenden Medikation durch den behandelnden Arzt abklären zu lassen.

Kritikpunkte

Die Behandlung von Krankheiten mit ätherischen Ölen erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit, unter professionellen Anwendern wie auch unter Laien. Leider können die Studien zu diesem Thema aufgrund ihres Aufbaus und ihrer geringen Teilnehmerzahl nur die Richtung weisen, in der weiter geforscht werden muss, sodass Studien mit größeren Populationen und dadurch mehr Aussagekraft durchgeführt werden können. Es sind außerdem kaum Studien zur Grundlagenforschung, die die genaue Wirkungsweise von ätherischen Ölen erfassen, vorhanden.

Falsche Versprechen

Einer der größten Kritikpunkte, der allerdings nichts mit der wissenschaftlichen Seite der Aromatherapie zu tun hat, ist die Vermarktung von ätherischen Ölen unter Laien und die damit verbundene Werbung. In letzter Zeit hat die Vermarktung von ätherischen Ölen nach dem Modell „Tupperabend“ zugenommen. Auch in christlichen Kreisen scheint diese neue, „alternative“ Methode zur Behandlung von Problemen/Krankheiten, angefangen bei Übergewicht bis hin zu Krebs, Wellen zu schlagen. Hier muss jedoch aus wissenschaftlicher Sicht entschieden widersprochen werden. Es gibt keine Mittel, die alles behandeln und heilen können. Wenn Krankheiten, ohne ihren medizinischen Hintergrund und ihre Vorgänge im Körper zu kennen, mit ätherischen Ölen behandelt werden, kann dies gefährliche Auswirkungen haben. Im schlimmsten Fall kann es zum Tod führen, wenn schwere oder chronische Erkrankungen ineffektiv mit ätherischen Ölen behandelt werden, wo nachgewiesenermaßen effektive Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen.

Zusammenfassung

Aktuelle Studien deuten auf ein großes Potential von ätherischen Ölen in der Aromatherapie hin. Die Forschung steht hier aber noch am Anfang und ihre Entwicklung muss zur genauen Einordnung der Wirksamkeit der Therapie weiter beobachtet werden. Es ist ebenfalls wichtig, das Vertrauen nicht in die Werbung der Hersteller oder Verkäufer der Öle zu setzen, die durch das gesteigerte Interesse an alternativen Heilmethoden Versprechungen von der verbesserten Gewichtsabnahme bis zur Heilung von Covid-19[15] machen. Außerdem sollten Christen prüfen, ob das Öl die mit ihm in Verbindung gebrachte Wirkung wirklich hat/haben kann oder ob diese allein unter esoterischen Gesichtspunkten besteht. Der Umgang mit ätherischen Ölen sollte aufgrund ihrer möglichen Neben- und Wechselwirkungen immer reflektiert erfolgen und ihre Wirkung sollte nicht über- oder unterschätzt werden. Ätherische Öle sind weder Allheilmittel, noch einfach nur gut riechende „Ölchen“.

 

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Quellen-Nachweis

[1] Brockhaus, Bd. 1, S. 395. wissenmedia GmbH, Gütersloh/München, 2010.
[2] https://www.chemie.de/lexikon/%C3%84therisches_%C3%96l.html, letzer Zugriff : 26.04.2022 9:51Uhr
[3] Farrar A., Farrar F. Clinical Aromatherapy. Nurs Clin N Am 55 (2020) 489-504
[4] https://fl exikon.doccheck.com/de/Aromatherapie (letzter Zugriff 27.05.2022, 6:38 Uhr)
[5] Stefl itsch W. Aromatherapie: wann können ätherische Öle medizinisch eingesetzt werden? Dtsch Med Wochenschrift 2017, 142, 1936-1942
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] Hamzeh S. et. al. Effects of Aromatherapy with Lavender and Peppermint Essential Oils on the Sleep Quality of Cancer Patients: A Randomized Controlled Trial. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine. Volume 2020, Article ID 7480204, 7 pages
[9] Jaafarzadeh M, Arman S, Pour FF. Eff ect of aromatherapy with orange essential oil on salivary cortisol and pulse rate in children during dental treatment: A randomized controlled clinical trial. Adv Biomed Res 2013; 2:10.
[10] Kang H., Nam E. How Strong is the Evidence for the Anxiolytic Efficacy of Lavender?: Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. Asian Nursing Research 13 (2019) 295-305
[11] Fung, T.K.H.; Lau, B.W.M.; Ngai, S.P.C.; Tsang, H.W.H. Therapeutic Effect and Mechanisms of Essential Oils in Mood Disorders: Interaction between the Nervous and Respiratory Systems. Int. J. Mol. Sci. 2021, 22, 4844.
[12] Steflitsch W. Aromatherapie: wann können ätherische Öle medizinisch eingesetzt werden? Tabelle 1. Dtsch Med Wochenschrift 2017, 142, 1936-1942
[13] Farrar A., Farrar F. Clinical Aromatherapy. Nurs Clin N Am 55 (2020) 489-504
[14] Golos M., Buchbauer G. Ätherische Öle und ihr Einfl uss auf Arzneimittelwirkungen: Einige Beispiele. MMP, 38. Jhg. 08/2015, 290-296
[15] Farrar A., Farrar F. Clinical Aromatherapy. Nurs Clin N Am 55 (2020) 489-504

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Phytotherapie - eine Domäne für sich

Unter Phytotherapie (griechisch phyton = Pflanze, therapeia = Pflege) versteht man die Anwendung von Phytopharmaka zur wirksamen Behandlung, Linderung, Heilung und Vorbeugung von Krankheiten. Phytopharmaka sind Fertigarzneimittel aus frischen oder getrockneten Pflanzenteilen (in der pharmazeutischen Fachsprache auch Drogen oder Teedrogen genannt) oder deren Zubereitungen (zum Beispiel Extrakte). Im Unterschied zu chemisch-synthetischen Wirkstoffen, die als Einzelstoffe weiterverarbeitet werden, bestehen Phytopharmaka aus einem komplex zusammengesetzten Vielstoffgemisch an Pflanzeninhaltsstoffgruppen, kurz gesagt: der Wirkstoff eines Phytopharmakons ist der Pflanzenextrakt. Häufig werben Inverkehrbringer von Nichtarzneimitteln auf ihren Verpackungen mit Schlagworten wie „pflanzlich“, „Naturkraft“ oder „natürlich“ – dies suggeriert eine nachgewiesene Wirksamkeit, was aber leider nicht immer der Fall ist. Im Dschungel der angepriesenen pflanzlichen Substanzen ist es daher wichtig, die einzelnen Präparateklassen auseinanderzuhalten. Die folgende Übersicht gibt dem Laien Unterscheidungsmerkmale an die Hand:

Phytopharmaka:

Sie müssen für die Marktzulassung die gleichen im Arzneimittelgesetz festgeschriebenen Anforderungen hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllen wie chemisch-synthetische Arzneimittel. Sie enthalten Angaben zu verwendeten Pflanzenteilen, Droge-Extrakt-Verhältnis und Auszugsmitteln.

Je nach Zulassungsstatus unterscheidet man:
1. Rationale oder well-established Phytopharmaka mit Zulassungsnummer (Zul.Nr.) auf der Umverpackung und einer klaren Indikation, zum Beispiel „Pflanzliches Arzneimittel gegen…“.
2. Traditionelle Phytopharmaka, die nur als solche registriert werden können, wenn die Wirksamkeit auf einen 30-jährigen plausiblen Einsatz zurückzuführen ist. Sie tragen dann eine Registrierungsnummer (Reg.Nr.) auf der Verpackung und haben keine eindeutige Indikation, zum Beispiel „Zur Unterstützung bei…“.

Medizinprodukte:

Sie wirken auf rein physikalischem Wege und haben keine pharmakologische Wirkung, das heißt, sie greifen nicht in den Stoffwechsel des Menschen ein.

Beispiel hier sind Isla®Moos Hustenpastillen mit Schutzfilmbildung auf trockenen Mundschleimhäuten.
Erkennungsmerkmal beim Medizinprodukt ist das CE-Kennzeichen.

Nahrungsergänzungsmittel:

Sie werden auf der Verpackung auch als solche deklariert, verfügen über eine Nährwerttabelle und gehören zu den Lebensmitteln.
Sie werden seitens der Behörden weder registriert noch zugelassen, noch auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft. Sie müssen nur beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angezeigt werden.

Darreichungsform und Verpackung von diesen ähnelt einem „Arzneimittel-Outfit“ wie beispielsweise ipalat® Halspastillen.
Neben Vitaminen und Mineralstoffen dürfen auch pflanzliche Wirkstoffe enthalten sein, aber auf der Verpackung darf rechtlich keine Nennung einer Indikation erfolgen.

In den Medien, aber auch in der Apotheke wird Phytotherapie völlig undifferenziert, vor allem in der Selbstmedikation, neben Homöopathie und Anthroposophie gestellt. Aber: Phytotherapie und letztgenannte Therapien sind keine Einheit. Sie folgen anderen Gesetzmäßigkeiten und Denkweisen! Die Homöopathie folgt dem Simile Prinzip: „Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt“. Also etwas, was Fieber auslöst, wird verdünnt, um dann gegen Fieber eingesetzt zu werden. Die Anthroposophie, wörtlich übersetzt „Weisheit vom Menschen“, durchgeistigt den Menschen durch Zuschreibung verschiedener Wesensglieder und gibt jedem Krankheitsbild und der Therapie eine spirituelle und übersinnliche Dimension. Beiden Denkweisen liegt ein esoterisches, der Bibel widersprechendes Heilsverständnis zu Grunde. Nachfolgende Merkmale auf Verpackungen helfen Laien bei der Unterscheidung zu Phytopharmaka:

Sie gehören zur Alternativmedizin nach Samuel Hahnemann.
Sie enthalten unter anderem pflanzliche Ausgangsstoffe in Urtinkturen, die durch mehrfach abgestufte Verdünnung (sogenannte Potenzierung) in Form von Zuckerkügelchen (sogenannte Globuli), Tabletten oder Tropfen erhältlich sind. Die dabei erreichten Konzen-trationen können so niedrig ausfallen, dass der Stoff, dem man eine Wirkung zuschreibt, nicht mehr auf atomarer Ebene nachgewiesen werden kann.
Auf ihrer Verpackung findet sich immer eine Potenzangabe wie zum Beispiel D6 oder C30, die den Grad dieser Verdünnung beschreibt. Das „D“ steht für „Dezimale“, was bedeutet, dass bei einer D6-Potenz die ursprüngliche Substanz sechs Mal hintereinander im Verhältnis 1:10 verdünnt wurde. Der Arzneigehalt beträgt damit 0,0001 Prozent.
C-(Centisimal)-Potenzen (von lateinisch centum = 100) werden in einem Verhältnis 1:100 verdünnt.

Sie sind als solche auf der Verpackung deklariert. Für sie werden weder eine bestimmte Wirkung noch ein Anwendungsgebiet angegeben. Ein Wirkungsnachweis entfällt. Sie enthalten unter anderem pflanzliche Ausgangsstoffe, die nach homöopathischen oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren nach dem Begründer Rudolf Steiner verarbeitet worden sind, zum Beispiel Veraschung, Röstung oder Verkohlung.

Resümierend lässt sich festhalten: Die in der Phytotherapie eingesetzten Mittel, die sogenannten Phytopharmaka, folgen den Gesetzmäßigkeiten der evidenzbasierten Medizin. Unter Evidenz versteht man die wissenschaftliche Aussagekraft, die sich auf empirisch nachgewiesene Grundlagen, sprich experimentelle Studien, stützt. Phytopharmaka sind immer als einzelne Produkte zu betrachten, denn nicht die Stammpflanze ist ausschlaggebend als Wirkstoff, sondern das, was mit der Stammpflanze gemacht wurde, um den Pflanzenextrakt zu gewinnen. Die Zusammensetzung dieses Pflanzenextraktes variiert je nach
– verwendetem Pflanzenteil der Stammpflanze (Wurzel oder Blüte),
– Auszugsmittel (Wasser = löst nur hydrophile Inhaltsstoffe oder Alkohol = löst auch lipophile),
– Herstellungsprozess (Extraktionszeit, Temperatur, Druck, Schnittgröße) und
– verwendetem Droge-Extrakt-Verhältnis.
Analysiert man einen pflanzlichen Extrakt, besteht er als Vielstoffgemisch je nach verwendeter Stammpflanze aus vielen einzelnen Wirkstoffgruppen (unter anderem Flavonoiden, ätherischen Ölen, Saponinen, Bitterstoffen, Gerbstoffen, Cumarinen), die erst in ihrer Gesamtheit das Wirkspektrum ergeben. Extrakte kann man je nach Herstellungsaufwand in standardisierte Extrakte, quantifizierte Extrakte und Spezialextrakte einteilen, wobei die Spezialextrakte eine besondere Stellung einnehmen. Spezialextrakte sind patentierte Extrakte, die von Herstellern mit viel Forschungseifer durch Anreicherung wirksamkeitsbestimmender pflanzlicher Inhaltsstoffe und Entfernung unerwünschter Substanzen entwickelt werden. Diese Spezialextrakte müssen vor Zulassung wie auch synthetisch-chemische Arzneimittel randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudien durchlaufen. Diese Forschungsschritte auf hohem Niveau schlagen sich auch dementsprechend auf den Marktwert der einzelnen Phytopharmaka nieder. Ergebnisse von Studien mit Phytopharmaka sind aufgrund der unterschiedlichen Herstellungsprozesse und Wirkstoffanteile also nicht grundsätzlich für eine Pflanze gültig, sondern nur für das eine getestete Präparat mit seinem individuellen Extrakt. Folglich können Präparate von unterschiedlichen Herstellern, die aus der gleichen Stammpflanze bestehen, selten gegeneinander ausgetauscht werden. Im Folgenden zeigt eine Tabelle einige Präparate der rationalen Phytotherapie mit hohem Evidenzgrad.

*Bitte beachten: Phytotherapeutika sind Arzneimittel, die ebenso Wirkstoffe enthalten, wie synthetisch hergestellte Präparate. Daher kann es bei der Einnahme zu Wechsel- und Nebenwirkungen kommen. Diese Auflistung an Medikamenten dient nicht als Anleitung zur Selbsttherapie, sondern dazu, sich einen besseren Überblick über das breite Angebot an Phytotherapeutika zu verschaffen. Neue Medikamente sollten nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt oder Apotheker eingenommen werden.

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Tabelle einiger Präparate der rationalen Phytotherapie mit hohem Evidenzgrad zum Download
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Tabelle ansehen

Legende der Fachtermini zur Tabelle:


antiphlogistisch

entzündungshemmend

antiviral

gegen Viren wirkend

antibakteriell

gegen Bakterien wirkend

zytoprotektiv

zellschützend

sekretomotorisch

den Abtransport von zähem Schleim verstärkend

sekretolytisch

die Bildung von dünnflüssigem Schleim anregend

broncho-spasmolytisch

wirkt entkrampfend auf die Bronchialmuskulatur

uteral

die Gebärmutter betreffend

neuroprotektiv

Nervenzellen und Nervenfasern werden vor dem Absterben bewahrt

synaptosomal

in Synapsen auftretende Vesikel betreffend

synaptische Plastizität

Fähigkeit von Synapsen, je nach Abhängigkeit ihrer Aktivität sich umzubauen. Sie dient dazu, die Funktion des Nervensystems zu erhalten, anzupassen und gegebenenfalls zu erweitern

Neurotransmission

die Kommunikation über Botenstoffe im Nervensystem

carminativ

blähungstreibend, sodass der Abgang von Darmgasen erleichtert wird

motilitätsregulierend

wirkt unterstützend bei Magen-Darm-Beschwerden, die auf unstimmige Bewegungsabläufe der Magen-Darm-Muskulatur und Störungen des enterischen Nervensystems („Bauchhirn“) zurückzuführen sind

antiemetisch

gegen Übelkeit wirkend

cholagog

gallentreibend

choleretisch

den Gallenfluss fördernd

hepatoprotektiv

die Leber schützend

spasmolytisch

entkrampfend

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Unterschiedlich verdrahtet

Bereits während der Schwangerschaft entwickelt sich das Gehirn von Jungen und Mädchen verschieden. Der „kleine biologische Unterschied“ geht weit über die primären Geschlechtsmerkmale hinaus. In der schrillen Diskussion um die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen ist häufig von dem lediglich „kleinen biologischen Unterschied“ die Rede, womit die primären Geschlechtsmerkmale gemeint sind. Ein genauer Blick in den menschlichen Körper jedoch widerlegt diese Behauptung. Die Biologie geht weit über diesen „kleinen Unterscheid“ hinaus: Alle Körperzellen eines Mannes sind mit XY (männlich) markiert, alle weiblichen dagegen mit XX (weiblich), auch wenn dies nicht direkt sichtbar ist.[1] Auch das Hormonsystem unterscheidet sich radikal voneinander. Insbesondere das Gehirn ist in Bezug auf das Geschlecht kein unbeschriebenes Blatt, welches „nur“ durch Erziehung und andere Einflüsse geschlechtsspezifisch geformt wird. Im Gegenteil: Ein Baby kommt bereits mit einem typisch männlichen oder weiblichen Gehirn zur Welt.

Drei Pubertäts-Phasen

Bereits in der Embryonalentwicklung werden geschlechtsspezifische Hormone – angetrieben von der DNA – tätig. Sie bewirken im Jungen die Anlage von Hoden und durch diese die Produktion von Testosteron. Infolge des Testosterons kommt es nun in zwei Schüben zu einer typisch männlichen Ausprägung des Gehirns: in der 10.–24. Schwangerschaftswoche sowie ab ca. der Mitte der Schwangerschaft bis zum sechsten Lebensmonat.[2] In diesen Phasen kommt es zu einem stark erhöhten Testosteronspiegel (zum Teil 15-fache Testosteronkonzentration im Serum im Vergleich zu gleichaltrigen Mädchen).[3] Diese Hormon-Peaks führen dazu, dass – neben vielen anderen Strukturen – sich auch das Gehirn auf geschlechtsspezifische, männliche Weise formt. Bei den Mädchen führt die Abwesenheit des hohen Testosteronspiegels in diesen sensiblen Entwicklungsphasen dazu, dass sich ihr Gehirn klassisch weiblich entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt hat noch keinerlei Erziehung in diesen Prozess hineingewirkt. Das Gehirn von Mädchen hat ausgeprägtere Areale für Gesichtserkennung (Gyrus fusiformis), was zu einer Vorliebe für Spielzeuge mit Gesichtern führt – auch Puppen genannt. Das Gehirn von Jungen ist durch eine Vereinseitigung (Lateralisierung) der Gehirnhälften gekennzeichnet, welche dazu führt, dass räumlich-visuelle Fähigkeiten stärker ausgeprägt sind. Dies führt dazu, dass bewegte Gegenstände, wie zum Beispiel Spielautos, rasch ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit anderen Worten: Jungen spielen bevorzugt mit Autos und Mädchen mit Puppen, weil ihr Gehirn so verschaltet wurde und nicht etwa, weil ihre Eltern ihnen diese Spielzeuge aufdrängen oder bevorzugt anbieten. Die dritte „klassische“ Pubertät schließlich, die in der Lebensphase von 9–14 Jahren verortet wird, geht mit großen Veränderungen des Gehirns (vor allem des Präfrontalhirns) einher, welche mit Entscheidungen, Begründungen, Planung, Impulskontrolle, Verständnis von Langzeitentscheidungen und ähnlichen Funktionen zusammenhängen.[4]

Wie groß ist der Unterschied?

In der Diskussion um die neurologischen Unterschiede von Männern und Frauen werden häufig Ausnahmen als Gegenbeweis zur Geschlechtsspezifität des Gehirns herangezogen. Die neurowissenschaftliche Untersuchung der unterschiedlichen Verdrahtung zielt jedoch – wie sonst auch in der wissenschaftlichen Vorgehensweise – auf eine statistische Mittelung von Männern und Frauen ab.[5] Der durchschnittliche Mann unterscheidet sich also signifikant von der durchschnittlichen Frau – auch in neurowissenschaftlicher Hinsicht.[6] Ausnahmen widerlegen diese Tatsache nicht, sondern sind vielmehr aus statistischer Sicht zu erwarten. Im Durchschnitt ist das Gehirn des Mannes 11 % größer im Vergleich zum Gehirn der Frau und unterscheidet sich anatomisch insbesondere in den Hirnregionen der Amygdala (sogenanntes Furchtzentrum), dem Hippocampus, der Inselregion sowie einigen Teilen des Frontallappens. Ein Bereich des Gehirns ist dabei in seinem anatomischen Aufbau in der Hirnforschung schon früh als besonders geschlechtstypisch aufgefallen: der Hypothalamus. Diese kleine Hirnregion unterscheidet sich besonders stark bei Männern und Frauen. Makroanatomisch sichtbar wird der Unterschied anhand eines bestimmten Kerns (Ansammlung von Hirnzellkörpern) innerhalb des Hypothalamus: der geschlechtsdimorphe Kern (SDN).[7] Frauen haben weniger Nervenzellen sowie ein geringeres Volumen pro Zelle, Männer dagegen haben sowohl mehr Zellen als auch ein größeres Volumen pro Zelle in diesem Kerngebiet.[8] Das Volumen des SDN ist bei Männern ungefähr doppelt so groß. Die unterschiedliche anatomische Struktur des Hypothalamus spiegelt eine geschlechtsspezifische Funktionsweise wider, die unter anderem Folgende Aspekte umfasst: Regulation von Tag- und Nachtrhythmus, Hunger- und Durstgefühl, Blutdruckregulation, sexuelle Erregung.[9]

Emotionales Verarbeiten

Nicht nur die Neuroanatomie unterscheidet sich – auch die Funktionsweise bestimmter Hirnareale arbeitet anders. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist das sogenannte Furchtzentrum – die paarig angelegte Amygdala. So verfügen Männer über ein größeres relatives Volumen der Amygdala, während Frauen ein größeres relatives Volumen in paralimbischen Kortexbereichen aufweisen.[10] Die unterschiedlichen Volumina repräsentieren eine verschiedenartige Verdrahtung der emotionalen Schleifen. Erinnert sich beispielsweise eine Frau an zurückliegende emotionale Inhalte (zum Beispiel einen Streit), so wird nach vorgeschalteten Stationen schließlich verstärkt die linke Amygdala aktiviert, welche genaue Details aus dem Gedächtnis abruft. Mit anderen Worten: Frauen können häufig sehr genaue Details eines emotional gefärbten Gedächtnisinhalts wiedergeben. Bei Männern dagegen wird vor allem die rechte Amygdala aktiviert, was dazu führt, dass nur die Hauptmerkmale eines emotionalen Ereignisses abgerufen werden, nicht jedoch genaue Details.[11] Das Erinnern von emotionalem Erleben und Verarbeiten ist beispielhaft für den Umgang mit Emotionen insgesamt. Frauen und Männer verarbeiten sie auf unterschiedliche Weise. Hier wird der Grund dafür liegen, dass Frauen häufiger unter Depressionen oder Angststörungen leiden, Männer dagegen haben häufiger Schizophrenie.

Stressreaktion

Männer und Frauen reagieren neuropathophysiologisch völlig gegensätzlich auf anhaltenden körperlichen oder psychischen Stress. Während der Mann Nervenzellen im Hippocampus (einer Hirnregion, die für Emotionen und Gedächtnisverarbeitung wichtig ist) abbaut, ändert sich die Anzahl und Verbindung der Nervenzellen bei den Frauen kaum.[12] Zugleich bewirkt Stress bei Frauen einen Anstieg nicht nur von Cortisol, sondern auch von Östrogen. Dies scheint zu einer Reduktion des Botenstoffs Serotonin zu führen[13] und depressive Symptome zu fördern. Männer hingegen neigen unter anhaltendem Stress zu vermehrten risikoreichen Verhaltensweisen.[14] Außerdem reagieren Männer auf Stress öfter mit somatischen Beschwerden wie Übergewicht, hohem Blutdruck, erhöhten Cholesterinwerten und dadurch begünstigten Herz- und Kreislauferkrankungen, insbesondere Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Sprachbegabung

Erleiden Frauen einen Schlaganfall in einem Bereich, der Sprache verarbeitet, so sind die Defizite weniger stark ausgeprägt als bei Männern mit einem vergleichbaren Schlaganfall. Zudem erholen sie sich rascher als Männer. Dies hängt mit einer besonderen Verschaltung des weiblichen Gehirns zusammen. Es verfügt sowohl über insgesamt mehr Neuronen (Nervenzellen) als auch über eine stärkere Verdrahtung der beiden Hirnhälften, als es beim männlichen Gehirn der Fall ist. Die Folge ist, dass neugeborene Mädchen rascher und intensiver auf Stimmen reagieren. Sie fangen im Durchschnitt einen Monat früher an zu sprechen und verfügen im Kleinkindalter über einen zwei- bis dreimal so großen Wortschatz wie Jungen. Auch der Redeanteil ist deutlich erhöht. Entscheidend für die Sprachentwicklung ist die Mutter-Kind-Interaktion in den ersten Jahren.[15] Kommt es zum Beispiel durch eine fehlende feste Bezugsperson (in der Regel die Mutter) oder andere Stressfaktoren zu Störungen in dieser sensiblen Phase, so sind es aufgrund der oben genannten Hirnverschaltungen meistens die Jungen, die zuerst und ausgeprägtere Defizite in der Sprachentwicklung erkennen lassen. Nicht zuletzt das Masken-Tragen von Erwachsenen hat zu einer massiven Verlangsamung und Behinderung des Spracherwerbs beigetragen – allen voran bei Jungen.[16] Auch im Erwachsenenalter dominieren die Frauen im Bereich der Sprache – sie übertreffen die Männer im Wortschatz, im Leseverständnis, in der Sprachproduktion und -geschwindigkeit sowie im verbalen Gedächtnis.

Räumlich-mathematisches Verständnis

In räumlich-mathematischen Aufgaben ist der Mann in der Regel der Frau überlegen. Dies betrifft die räumliche Wahrnehmung, die räumliche Visualisierung, die Rotation von Gegenständen in Gedanken[17] sowie den Bereich höherer Mathematik. Vermutlich liegt es daran, dass das männliche Gehirn eine andere Art hat, die Nervenzellen miteinander zu verbinden. Zum einen hat es – obzwar weniger Nervenzellen – mehr Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen. Zum anderen sind diese Verbindungen (Synapsen) stärker regional und innerhalb einer Hirnhälfte anzutreffen als bei der Frau.

Fazit

Gott schuf den Menschen als Mann und als Frau (vergleiche 1. Mose 1,27) – geschlechtsspezifisch mit unterschiedlichen Begabungen und Stärken. Diese erleichtern es uns häufig, die Rolle auszufüllen, die der Schöpfer in der Bibel jeweils spezifisch Männern und spezifisch Frauen zuweist (vergleiche unter anderem Titus 2). Seit dem Sündenfall wird Gottes perfekt konzipiertes Gehirn nun von Verhaltensweisen durchdrungen, die nicht seinem Willen entsprechen. Von uns aus wollen wir lieber unsere eigenen Wünsche befriedigen, statt Gottes Willen für unsere Aufgaben als Mann oder Frau zu bejahen. Doch Gott kann uns samt unserer Hirnverschaltung verändern! Wir sind nicht dazu verdammt, unsere selbstsüchtige Neigung auszuleben. Unser Gehirn ist plastisch und anpassungsfähig. Wir dürfen es von demjenigen prägen und umformen lassen, der uns designt hat und daher wirklich weiß, welche Ziele sich mit dem Wunderwerk des Gehirns umsetzen lassen, damit Er geehrt wird!

 

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Quellen-Nachweis

[1] Dies führt nicht „nur“ zu den unterschiedlichen Ausprägungen der Keimbahnen, sondern umfasst jeden Bereich des Körpers, beispielhaft sei hier das Immunsystem genannt, vgl. hierzu Diab-Elschahawi, Magda et al: Gibt es Geschlechterunterschiede bei Infektionen? In: Krankenhaushygiene up2date 8. 2013. S. 101 ff. DOI: 10.1055/s-0033-1344235
[2] Vgl. Bakker, Julia: The role of steroid hormones in the sexual differentiation of the human brain. Journal of Neuroendocrinology. 2021. DOI: 10.1111/jne.13050
[3] Vgl. Lautenbacher, Stefan; Güntürkün, Onur; Hausmann, Markus (Hrsg.): Gehirn und Geschlecht. Neurowissenschaft des kleinen Unterschieds zwischen Frau und Mann. Springer. 2007. S. 5; 35f.; 56.
Vgl. außerdem: Lobardo, Michael V. et al.: Fetal Testosterone Influences Sexually Dimorphic Gray Matter in the Human Brain. 2012. DOI: 10.1523/JNEUROSCI.4389-11.2012. Vgl. Knickmeyer, Rebecca Christine et al.: Fetal testosterone and sex differences. 2006. DOI: 10.1016/j.earlhumdev.2006.09.014. Vgl. Marco Hirnstein, Kenneth Hugdahl & Markus Hausmann: Cognitive sex differences and hemispheric asymmetry: A critical review of 40 years of research, Laterality: Asymmetries of Body, Brain and Cognition. 24:2, 204-252, 2019. S. 209. DOI: 10.1080/1357650X.2018.1497044.
[4] Vgl. dazu die ausgewiesene Expertin für Phänomene von Transsexualität bei Jugendlichen Dr. C. Vonholdt: https://www.christl-r-vonholdt.de/english/transgender-issues-in-children-and-adolescents/#more-505 (zuletzt abgerufen am 26.09.2022)
[5] Wobei durch Bildung gleicher Vergleichspaare möglichst viele weitere Bias (Fehlerquellen) wie Alter, Erkrankungen, IQ etc. minimiert werden.
[6] Vgl. u. a. Nostro, Alessandra D. et al.: Correlations Between Personality and Brain Structure: A Crucial Role of Gender. Cerebral Cortex; 27: 3698–3712. 2017. DOI: 10.1093/cercor/bhw191.
[7] SDN-POA: sexually dimorphic nucleus of the preoptic area.
[8] Vgl. Swaab DF, Hofman MA: Sexual differentiation of the human hypothalamus in relation to gender and sexual orientation. Trends Neurosci. Jun;18(6):264-70. 1995. PMID: 7571001.
[9] Vgl. McEwen, Bruce S. et al.: Understanding the Broad Influence of Sex Hormones and Sex Differences in the Brain. Review. Journal of Neuroscience Research 95:24–39. 2017. DOI: 10.1002/jnr.23809
[10] Vgl. Spreng, Manfred: Adam und Eva – Die unüberbrückbaren neurophysiologischen Unterschiede. In: Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie. Logos Editions. 7. Auflage. 2015. S. 42.
[11] Vgl. Lautenbacher et al. 2009. S. 95. (vgl. Fn. 2)
[12] Vgl. Marrocco J. et al.: Sex in the brain: hormones and sex differences, Dialogues in Clinical Neuroscience, 18:4, 373-383. 2016. DOI: 10.31887/DCNS.2016.18.4/jmarrocco
[13] Vgl. Bethea C. L. et al.: Ovarian steroid action in the serotonin neural system of macaques. Novartis Found Symp. 230:112-30; discussion 130-3. 2000. DOI: 10.1002/0470870818.ch9.
[14] Vgl. Barel E. et al.: Sex Hormone/Cortisol Ratios Differentially Modulate Risk-Taking in Men and Women. Evol Psychol. Jan;15(1):1474704917697333. 2017. DOI: 10.1177/1474704917697333.
[15] Luby et al.: Maternal support in early childhood predicts larger hippocampal volumes at school age. 109 (8) 2854-2859. 2012. DOI: 10.1073/pnas.1118003109
[16] Vgl. https://www.gov.uk/government/publications/education-recovery-in-early-years-providers-spring-2022/education-recovery-in-early-years-providers-spring-2022 (abgerufen am 21.09.2022)
[17] S. unter anderem Hodgetts, S. et al.: Sex/Gender Differences in Brain. Lateralisation and Connectivity. Behav Neurosci 62: 71-100. 2023. DOI: 10.1007/7854_2022_303

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Gottes Schöpfungsordnung – häretisch oder harmonisch?

„Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde” [1]

1. Mose 1,1

So selbstverständlich, wie wir obige Worte lesen, sollte auch die Schlussfolgerung sein, dass Gott seiner Schöpfung eine besondere Ordnung gab. Längst ist diese Ordnung durch die Naturwissenschaften in der Tiefe und Breite auch von Atheisten erforscht, entdeckt und erkannt worden. Man macht sich viele Entdeckungen aus der Natur in technischen Anwendungen zunutze. Nur der letzte Schluss folgt so oft nicht. Zwar werden Jahr für Jahr Nobelpreisträger erkoren und geehrt, doch über dieses forschende Nachdenken wird zu selten Gott, dem HERRN, Dank und Ehre gebracht. Vielmehr liegt eine zunehmende Spannung in der Luft. Durch eine selektive, geradezu häretische[2] Wahrnehmung der Realität und der Ordnung in der Natur kommt es zu einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung.

1. DIE HERRLICHE SCHÖPFUNG UND IHRE ORDNUNG

Wir Menschen staunen über die vielen Wunder der Natur, über Sternenhimmel, das nächtliche Gewitter, über Berge und Seen, Tiere und Pflanzen. Die Schöpfungsordnung Gottes wird teilweise als herrlich und harmonisch empfunden. Zugleich werden die göttliche Ordnung und Bestimmung von Ehe und Familie inzwischen geradezu als Irrlehre bekämpft. Der natürliche Mensch zeigt darin seine Feindschaft gegen Gott. Aus der Natur und Schöpfung Gottes lassen sich keine für Menschen verbindlichen ethisch-moralischen Grundsätze zum Thema Ehe, Familie oder Sexualität ableiten. Gott hat diese in der Heiligen Schrift offenbart. Und nur durch die Bibel erfahren wir, warum die Schöpfung seit dem Sündenfall ihre grausamen und schrecklichen Seiten zeigt. Sie ist durch Gott der Vergänglichkeit unterworfen auf Hoffnung hin.[3] Trotz aller Vergänglichkeit und Spuren der Sünde können wir Menschen über die Wunder der Natur staunen. Wir bewundern die Brandung des Meeres, die Vogelschwärme am Himmel, den tosenden Wasserfall. Wir sind fasziniert vom Flügelschlag des Schmetterlings, vom Duft der Rose.

Die Wahrnehmung für wahr nehmen
Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und seine Göttlichkeit werden seit der Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut (vergleiche Römer 1,19–29). Diese ‚Wahrnehmung des Erkennbaren‘ macht uns voll vor Gott verantwortlich. Ihn sollten wir Menschen verherrlichen und ihm Danke sagen. Aber das geschieht nicht einfach so, da wir Menschen aufgrund unserer Trennung von Gott durch Sünde weder verständig sind noch nach ihm fragen.[4] Nur die Heilige Schrift gibt uns Licht über die Herkunft und Zukunft der Schöpfung. Die Bibel lehrt uns weit mehr, als was wir aus der Natur über Gott, seine ewige Kraft und Ordnungen ablesen können.

Woher kam die Ordnung?
Die Heilige Schrift sagt im Buch Genesis, wie Gott alles begonnen und geordnet hat. Das sehen viele Leute noch immer völlig anders. Und mit dem Glauben an die Schöpfung verbinden viele die Idee einer von Gott gelenkten Evolution. Bis dahin, dass die Hypothese des Urknalls in die christliche Theologie fast vollständig aufgenommen wurde. Nein, die Bibel ist kein wissenschaftliches Lehrbuch, aber sie spricht deutlich über die Schöpfung und den Schöpfergott, der die Welt an sechs Tagen erschaffen und weise geordnet hat. Psalm 19,2: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk.“ Gott schuf Himmel und Erde voll Schönheit und Herrlichkeit.

2. DIE ABLEHNUNG DES SCHÖPFERS

Der natürliche Mensch denkt und handelt losgelöst von Gott und dessen Ordnungen. Er schlägt sie in den Wind. Gott fragte Hiob: „Kennst du die Gesetze des Himmels, oder bestimmst du seine Herrschaft über die Erde?“ (Hiob 38,33) Also nicht wir Menschen bestimmen und herrschen über die von Gott geschaffenen Ordnungen und Naturgesetze. Sie bestimmen uns. Die aktuellen Entwicklungen wie zum Beispiel Gender, Transgender, das geplante Selbstbestimmungsgesetz sind heillose Versuche, das Menschsein nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu bestimmen. Sprache, Geschlecht, Ehe und Familie werden einem Neusprech unterworfen und umgedeutet. Ganz so wie es den Menschen ohne Gott gefällt.

Der große Knall
Erst die Ablehnung Gottes als Schöpfer führte zu einer Wissenschaft und Lebensweise ohne Gott. Die Forderung nach einer anderen Ursache brachte die Idee des Urknalls hervor. Sie steht als Lückenbüßer für das, was nicht sein darf. Neue Technologien nach dem Vorbild der Natur werden seit Jahrzehnten vorangetrieben. Dazu gab es bereits vor zwanzig Jahren beachtliche Publikationen von Bionikern. Sie zeigen auf, wie man die Ordnung der Natur und ihre Baupläne erforscht und sich zunutze macht.[5] Ganz selbstverständlich wird dabei die Evolution als kreative Kraft hinter Konstruktionen der Natur vorausgesetzt. Kurt G. Blüchel spricht in seinem Buch vom „Einfallsreichtum“ der Pflanzen, von „Methoden der Evolution, welche scharfsinnigen mathematischen Optimierungsverfahren allem Anschein nach weit überlegen sind“.[6] Diese Beobachtungen führen dennoch erstaunlich selten zur Anerkennung des Schöpfers. Eine gedanklich klare Verknüpfung zu Gott als dem Ordnungsgeber kommt auf diesem Wege nicht zwangsläufig zustande. Vielmehr sehen wir heute, wie Transhumanisten einen besseren Menschen ganz ohne Gott erschaffen möchten.

“Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, ...“

1. Korinther 14,33

 

Die Schere im Kopf
Da denken also kluge Forscher über die genialen Konzepte und Pläne der Natur nach. Sie kommen zu erstaunlichen Entdeckungen. Und doch beginnen sie nicht über den Schöpfer und seine Weisheit zu staunen. Die Schere im Kopf ist aktiv, Gott als Schöpfer des Menschen nach seinem Bild, das gilt als unwissenschaftlich, ja gesellschaftlich als häretisch. Und doch sagt das Wort Gottes: „Der HERR hat durch Weisheit die Erde gegründet und durch Einsicht die Himmel festgestellt“ (Sprüche 3,19). Nicht der Zufall, sondern Gottes Weisheit gilt als Werkmeister.[7] Christen haben Dank der Gnade Gottes geöffnete Augen des Herzens. Sie können für solche Entdeckungen Gott mit frohem Herzen Danke sagen. Der rettende Glaube kommt eben nicht durch das Studium der Natur, sondern durch das Hören von Gottes Wort.[8]

Durch Glauben verstehen
Christen sprechen von Schöpfungsordnung, weil sie durch Glauben verstehen, dass der Schöpfergott alles in seiner Weisheit und Macht herrlich geordnet hat.[9] Das betrifft dann auch die Ebene der Schöpfungsordnung im Bereich von Ehe und Familie. Das Prinzip von Ordnung ist unübersehbar. Im biblischen Kontext ist Ordnung nicht nur eine wissenschaftliche Kategorie. Sie wirkt sich direkt auf menschliche Beziehungen aus und ist auch eine moralisch-ethische Kategorie. Der Apostel Paulus stellte den zerstrittenen Korinthern einen Gott des Friedens und der Harmonie vor Augen: „Denn Gott ist nicht [ein] Gott [der] Unordnung, sondern [des] Friedens, ...“ (1. Korinther 14,33). Paulus gebrauchte nicht das zu erwartende Gegenwort Ordnung. Er stellt vielmehr der menschlichen Unordnung den Gott des Friedens gegenüber. Gott ist kein kalter Bürokrat, der seine Checklisten abarbeitet. Er ist ein liebender Gott des Friedens. In Jesus hat er sich offenbart als der großartige Friedensstifter[10] und Fürst des Friedens[11]. Befolgen wir Menschen die Schöpfungsordnung demütig aus Glauben an den Schöpfer, dürfen wir inneren und äußeren Frieden und Harmonie erwarten.

Der zunehmende Streit
Welche Zerstörung es bedeutet, Gott und seine ethischen Ordnungen zu missachten, ist seit Satans Fall unübersehbar. Die Abrissbirnen der Spötter, Frechen und Übermütigen wollen alles einreißen.[12] Der Streit um die Ehe und in Ehen und Familien hat selbstverständlich auch mit der Auflehnung gegen Gottes Ordnungen zu tun. Diese Zusammenhänge können Christen verstehen. Gottes Ordnung macht Leben möglich und wirklich lebenswert. Der Atheist lehnt eine vorgegebene göttliche Ordnung ab. Er verweigert sich ihrem ethischen Anspruch. Die Würde des Menschen, der Wert der Ehe und Familie sind für Atheisten keine beständigen Normen. Sie sind eine dem Zeitgeist unterworfene Verhandlungsmasse. Die moralischen Ordnungen Gottes werden von Atheisten als häretisch bekämpft und verachtet. Für Christen sind sie heilig, weil sie an den einen heiligen Gott glauben, der sich in der Schöpfung, in der Heiligen Schrift und in Jesus Christus offenbarte.

3. DIE SCHÖPFUNGSORDNUNG IN DER FAMILIE

Gott schuf die Menschen nach seinem Bild als Mann und Frau. 1. Mose 1,27: „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie.“ Gott schuf Adam und Eva als hetero-sexuelles Paar. 1. Mose 2,24–25: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein. Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und sie schämten sich nicht.“ Viele verwerfen die Ehe oder Familie, weil sie nicht verstehen, wie Gott sie sich gedacht hat. Andere verwerfen sie, weil sie Gott verworfen haben. Die Ehe wurde von Gott als eine herausragende Beziehung erschaffen. Mann und Frau unterscheiden sich deutlich von den übrigen Geschöpfen. Sowohl von Tieren als auch von Engeln. Die Ehe ist eine Ordnung Gottes für alle Menschen. Ungeachtet dessen, ob sie an Gott glauben oder nicht. Das Leben in Ehe und Familie ist wahrlich kein Spaziergang. Die Ehe ist, wie es jemand einmal nannte, die Hochschule des Lebens. Es ist unter dem heutigen gesellschaftlichen Klima keine leichte Aufgabe eine Ehe über Jahre zu bewahren und sich darin zu bewähren. Hier ist gegenseitige Stärkung unter Familien gerade in den örtlichen christlichen Gemeinden wichtig. Dass eine Ehe ein Glücksfall und kein Unglücksfall wird, hat damit zu tun, ob man versteht, wie Gott sie sich gedacht hat. Und ob man Gott dabei in die Mitte nimmt!

Der dreifache Zweck der Ehe
Gott beabsichtigte mit der Ehe (1) eine Gemeinschaft von Mann und Frau gegen Einsamkeit[13]; (2) eine treue monogame Beziehung für soziale Strukturen; (3) eine lebenslange Einheit in der Ein-Fleisch-Beziehung. Der erste Aspekt bedeutet, dass der jeweilige Ehepartner die Einsamkeit des anderen beendet. Wobei die Frau die notwendige Gehilfin für den Mann ist.[14] Die Überwindung der Einsamkeit durch Zweisamkeit führt in eine sich völlig ergänzende Gemeinsamkeit in der Ehe. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Aussage „seiner Frau anhängen“. Adam soll mit Zuneigung und Loyalität zu seiner Frau halten. Die Ehe ist enge, intime und vertrauensvolle Beziehung. Aus ihr können Kinder hervorgehen. Sie ist von Einigkeit geprägt. Der dritte Aspekt bezieht sich auf die innigste Verbindung zwischen zwei Menschen. Sie bezieht sich nicht nur auf die physische Vereinigung. Es geht auch um geistlich, moralisch, emotionale oder gedankliche Aspekte dieser Einigkeit. Diese Ein-Fleisch-Beziehung betont die Einheit, ohne die Unterschiede der beiden Geschlechter zu verwischen. Jesus Christus lehrte die dauerhafte lebenslange Monogamie (Matthäus 19,5–6; Markus 10,8–9). Die Ehe bleibt ein Bund bis zum Tod einer der beiden Partner (Römer 7,2).

Gott schützt die Ehe
Die Bibel belehrt uns ausgehend vom Schöpfungsbericht über die verbindliche Ordnung der Ehe und Familie. Gott sprach einst zu Abimelech, der die verheiratete Sara zur Frau nehmen wollte, „Siehe, du bist des Todes wegen der Frau, die du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Ehefrau.“ (1. Mose 20,3) Gott schützte Abrahams Frau und verhinderte, dass Abimelech Sara berührte. Er drohte Abimelech mit dessen Tod, würde er Sara nicht zurückgeben. So heilig ist Gott die Ehe. Auch in den Zehn Geboten schützt Gott die Ehe als einzigartige Gemeinschaft mit dem siebten Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ (2. Mose 20,14); und unter anderem im zehnten Gebot „ ...Du sollst nicht begehren, die Frau deines Nächsten, ...“ (2. Mose 20,17).

Die rasante Abkehr von Gottes Familienordnung
Hätte man vor etwa 50 Jahren Schulanfänger nach ihrer Familie befragt, so hätten die meisten gesagt, Papa geht seinem Beruf nach, Mama ist daheim und kümmert sich um mich. Gewiss würde das Ergebnis heute anders aussehen. Andere Beziehungsmodelle laufen der traditionellen Ehe den Rang ab. Gehört die Ehe auf den Schrottplatz der Geschichte? Der Zeitgeist diktiert das Motto: „Lose Beziehungen, statt lebenslanger Treue.“ Das traditionelle Bild von Ehe und Familie wird heutzutage geringschätzig betrachtet und verächtlich gemacht. Wer aber fragt nach dem Wohl und Bedürfnis der Kinder? Wollen die Kleinen schon mit zwei Jahren in die Kita? Und leider ist es so, dass es in einigen Fällen auch aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht mehr anders geht. Doch spielt gerade in den frühen Jahren der Kindheit die Bindung an eine Bezugsperson, bevorzugt die Mutter, eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Kindes. Zur Bildung im weitesten Sinne gehört nämlich auch die Bildung des Herzens zur Beziehungs- und Bindungsfähigkeit.

Gegenwind statt Rückenwind
Gesellschaftlich betrachtet erfährt die Familie mächtigen Gegenwind. Dabei ist seit Jahrzehnten zu beobachten, wie sich der Abbau spezifisch weiblicher und spezifisch männlicher Verhaltensmerkmale vollzieht. Die Angleichung der Geschlechter im Sinne einer Nivellierung zeigt sich. Da laut Friedrich Engels, die Ehe und Familie als Grundpfeiler kapitalistischer Wirtschaftsordnung gedeutet werden, muss Erziehung, die das kapitalistische System überwinden will, spezifisch weibliches Verhalten abbauen, um so der Ehe und Familie entgegenzuwirken. Der Autor des Buches Alarm um die Schule erklärt: „Abbau spezifisch weiblicher beziehungsweise männlicher Verhaltensweisen unterstützt den Kampf der Marxisten gegen die Ehe und Familie und damit gegen unsere Gesellschaftsordnung. Diese neue Weise der Selbsterfahrung der Geschlechter ist allerdings nur ein Ausschnitt dieses Kampfes, der seinen Höhepunkt hat in einer neuen Sexualmoral, die Ehe und Familie zu zerstören zum Ziele hat. Gott schuf den Menschen als Mann und als Frau. Er schuf die Frau als Gehilfin des Mannes, Gehilfin heißt „gegenüber“, „Ergänzung“. Jede Absicht, die speziellen Wesensmerkmale von Mann und Frau auf ein Niveau zu bringen, widerspricht Gottes Ordnung.“[15] Die Androgynität, dass jeder Mensch zu gleichen Teilen Männlichkeit und Weiblichkeit besitzt, gilt als Leitprinzip des New Age.[16]

Fromm getarnter Angriff auf die Bibel
J. Robertson McQuilkin sollte Recht behalten mit seiner These aus dem Jahr 1977. Er warnte vor dem Einfluss von Verhaltensforschern aus den Disziplinen der Psychologie, Soziologie und Anthropologie im Hinblick auf Relativierung biblischer Inhalte: „Meine These ist, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten die größte Bedrohung für die biblische Autorität der Verhaltensforscher ist, der guten Gewissens auf die Barrikaden gehen würde, um die Vordertür gegen jeden Theologen zu verteidigen, der die Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift angreift, während er selbst den Inhalt der Heiligen Schrift durch kulturelle oder psychologische Interpretation durch die Hintertür hinausschmuggelt.“[17] Die Relativierung biblischer Wahrheit ist gerade durch die humanistische Psychologie und kulturelle Brille in vollem Gange. Das betrifft die schleichende Relativierung der Schöpfungsordnung Gottes in Bezug zur Familie und der Rolle von Mann und Frau in der Ehe und Gemeinde.

Neue Hermeneutik
Was uns Christen betrifft, so ist Selbstkritik im eigenen Lager angebracht. Die kritische Hinterfragung der binären Geschlechter von Mann und Frau in der modernen und inzwischen auch postevangelikalen Theologie hat ihre Wurzeln in einer fehlgeleiteten neuen Hermeneutik, welche darauf abzielt, die Aussagen der Bibel der Weltanschauung des gefallenen Menschen und dessen sündigen Neigungen anzupassen. Es ist darum sehr wichtig unablässig auf die Chicago-Erklärung zur Biblischen Hermeneutik hinzuweisen.[18] Es fällt heute bei Diskussionen auf, welche Unwissenheit über die Prinzipien biblischer Hermeneutik herrscht.

Die neue Moral
Inzwischen liegen über vierzig Jahre Kampf für eine neue Sexualmoral hinter uns. Und heute begegnet uns Gender-Sprech als Neusprech oder Kunstsprache. Uns Bürgern wird dadurch ein anderes Denken über Sexualität, Geschlechter und Moral aufgedrängt. Wir haben nicht darum gebeten und wurden auch nicht danach gefragt. Das Ergebnis führt zu Uneindeutigkeit und Sprach-Verwirrung. Der deutschen Sprache wird mit so manchem gegenderten Unsinn Gewalt angetan. Birgit Kelle sagt: „Selten hat eine Ideologie mit Weltverbesserungsanspruch derart großen Unterhaltungsfaktor. Und deswegen hat Gender Mainstreaming es verdient, als das betrachtet zu werden, was es ist: eine große Satireshow. Bühne frei!“[19] Dass weiße Menschen nicht zu den PoCs (People of Color) gehören steht fest. Denn zu ihnen gehören alle Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe. Die Zuordnung zu den PoCs hingegen ist gar nicht so einfach. Es gibt auch die BPoC (genannt: Black People of Color), die man früher als „Schwarze“ bezeichnet hat, was heute als diskriminierend gilt. Es sei denn, jemand nennt sich selbst so, dann ist das ok. Bei der Zuordnung von Latinos und Asiaten wird es dann schwieriger mit der Unterscheidung. Man ist sich da nicht einig, ob sie zu den Weißen oder zu den benachteiligten PoC gehören.[20] Da scheint doch noch viel Klärungs- und Ordnungsbedarf! Die Verwirrung wird nicht geringer, wenn wir in die Schweiz blicken. In Bern gilt die amtliche Empfehlung die biologistischen Begriffe Vater und Mutter durch Elter 1 und Elter 2 zu ersetzen. Das ist auch darum „sinnvoll‹, weil das Geschlecht neuerdings nur noch eine soziale Konstruktion ist. Wenn also der Vater – sprich Elter 1 – nun nicht mehr Rainer, sondern plötzlich Erika heißt, dann passt das besser. Das biologische Geschlecht zählt nicht mehr, es geht um die Abschaffung der biologisch gut begründeten Kategorie Geschlecht. Und wenn ihnen bei dieser Vorstellung nun schlecht wird, ist das gar nicht übel. Denn das Ganze hat Methode!

Selbstbestimmung und Geschlechtsumwandlung
Mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz hat die deutsche Ampelregierung erneut ein vom Namen her wohlklingendes, aber inhaltlich höchst fragwürdiges Gesetz geplant. Bereits seit über 40 Jahren ist es in Deutschland durch das Transsexuellengesetz möglich, sein amtlich eingetragenes Geschlecht und seinen Vornamen ändern zu lassen. Die dafür notwendigen psychologischen Gutachten werden allerdings von einigen Transsexuellen und ihrer Lobby als diskriminierend angesehen. Deshalb soll in dem neuen Gesetzesvorhaben nicht nur die Notwendigkeit dieser Gutachten abgeschafft werden, außerdem soll es Kindern ab 14 Jahren ohne die Zustimmung ihrer Eltern möglich sein, ihre Geschlechtsangabe amtlich ändern zu lassen. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz soll es beim Geschlechtseintrag und der Änderung der Vornamen künftig unerheblich sein, ob es sich um einen transgeschlechtlichen, nicht-binären oder intergeschlechtlichen Menschen handelt. Gutachten zur sexuellen Identität oder ein ärztliches Attest sollen als Voraussetzung für eine Änderung nicht verlangt werden. Der moderne Trend der Geschlechtsumwandlung und Verabreichung von Pubertätsblockern unter Kindern und Jugendlichen hinterlässt eine Schneise der Verwüstung im Leben der Betroffenen. Die biblische Antwort: Erkenne, wer du bist, denn Gott sagt Ja zu dir!

Würdigung statt Entwertung
Der Wert einer Münze ergibt sich aus der Prägung durch die Münzanstalt. Eine Münze hat zwei Seiten. Wappen und Zahl verleihen einer Münze Echtheit und Wert. Gott verleiht einer Ehe Wert und Würde. Sie besteht aus Mann und Frau. Bei schwulen oder lesbischen Paaren kann man häufig etwas Interessantes beobachten: dass in einer solchen Beziehung der eine Partner eine feminine und der andere eine maskuline Seite zeigt. Selbst in solchen Beziehungen schimmert eine gewisse Polarität durch. Paulus scheint in 1. Korinther 6,9 mit den beiden Begriffen, die mit „Weichlingen“ und „Knabenschänder“ übersetzt werden, auf diese Zweiseitigkeit hinzuweisen. Hier nehmen Ausleger an, dass es sich bei „Weichlingen“, nach Bauer auch Lustknaben, um den passiven Homosexuellen handelt, der sich sexuell missbrauchen lässt. Hingegen wird der Begriff „Knabenschänder“ (vergleiche 1. Timotheus 1,10) für den aktiven Homosexuellen gebraucht. Schnabel merkt an, dass zu jener Zeit der sexuelle Verkehr mit Kindern oder Jugendlichen (Päderastie) die am weitesten verbreitete Form homosexuellen Verhaltens war und deshalb viele mit „Knabenschänder“ übersetzten.[21] „Weichlinge“ und „Knabenschänder“ beziehen sich beide laut MacArthur auf diejenigen, die die normalen Rollen und Beziehungen von Männern und Frauen vertauschen und zerstören.[22] Die gerne vorgebrachte Problematik der Intersexualität sollte nicht aufgrund falscher Zahlen überbetont werden, obschon sie für betroffene eine schwere Belastung darstellt. Es ist davon auszugehen, dass lediglich 0,018 % der Bevölkerung als intersexuell gelten und damit keinem biologischen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können.[23]

Von Gott gerettet und verändert
Paulus nennt in 1. Korinther 6,9–10 eine ganze Gruppe von Ungerechten, die jeweils der Ordnung und den Geboten Gottes zuwider leben: „Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte [das] Reich Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht! Weder Hurer noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Weichlinge, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Schmäher, noch Räuber werden [das] Reich Gottes erben.“ Der Apostel erinnert also an Gottes Ordnung, dass nämlich alle aus dieser genannten Gruppe das Reich Gottes nicht erben werden. Allerdings fügt er zur Ermutigung an, dass unter den Korinthern solche gewesen sind und betont, „aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (1. Korinther 6,11). Das bedeutet, Gottes Schöpfungsordnung wurde nicht durch den Sündenfall aufgehoben. Vielmehr bewirkte Gott das Wunder einer völligen Veränderung und Umkehr in denen, die an Jesus Christus glaubten. So kommt es zur Reinigung, Heiligung, Rechtfertigung und dem Frieden mit Gott durch eine versöhnte Beziehung mit ihm (vergleiche Römer 5,1–2).[24] Durch die Erlösung in Christus haben die betreffenden Leute aus Korinth eine tiefgreifende Reinigung, Heiligung und Veränderung erlebt. Jesus Christus, der gestern, heute und in Ewigkeit derselbe ist, vermag das auch heute zu bewirken. Oder sollte Gott ein Ding unmöglich sein? Gottes Schöpfungsordnung ist gut und harmonisch, weil Gott gut ist und unser Bestes will. Wo wir als Christen gegen Gottes gute Ordnungen verstoßen haben, dürfen wir um Reinigung und Vergebung bitten. Die neue Erde und Himmel werden kommen. Bis dahin ruft Gott unserer von Sünde, Häresien und Irrtümern geplagten Menschheit zu:

„Tut Buße und glaubt an das Evangelium“

Markus 1,15

 

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Quellen-Nachweis

[1] Bibeltexte zitiert aus Die Heilige Schrift, CSV Elberfelder © 2006
[2] häretisch im Sinne von der gängigen Lehre abweichend. Vgl. auch abweichende Lehre, Häresie vom griechischen Wort hairesis „das Erwählte, Denkweise, Irrlehre“. Hier geht es um den Hinweis auf die selektive Auswahl und einseitige Wahrnehmung der Schöpfungsordnung Gottes.
[3] Römer 8,20
[4] Römer 3,11: da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. Vgl. auch Epheser 4,18: verfinstert am Verstand, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens.
[5] Werner Nachtigall, Kurt G. Blüchel, Das große Buch der Bionik, Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart München, Auflage 2001, 399 Seiten.
[6] Kurt G. Blüchel, S. 117, S. 108.
[7] Sprüche 8,30
[8] Römer 10,17
[9] Das Verstehen kommt aus dem Glauben vgl. Hebräer 11,3: Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist.
[10] Vgl. Kolosser 1,20
[11] Vgl. Jesaja 9,5.
[12] Vgl. Maleachi 3,15.19
[13] 1. Mose 2,18: Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.
[14] Die Frau ist dem Mann als dessen „Gehilfin“ oder „Hilfe“ zur Seite gestellt. Adam war vor Eva da. Der Mann hat die Aufgabe, in der Ehe zu führen. „Denn Adam ist zuerst geschaffen worden, danach erst Eva“ (1. Timotheus 2,13).
[15] Immanuel Lück, Alarm um die Schule, Kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Erziehungs-Situation – die neomarxistische Unterwanderung, Veröffentlichung im Auftrag des Theologischen Konvents der Konferenz Bekennender Gemeinschaften, Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1979, S. 201-202.
[16] John Piper, Wayne Grudem (Hrsg.), Zweimal einmalig – eine biblische Studie, Die Rolle von Mann und Frau in der Bibel, 3L Verlag 2008, S. 400.
[17] J. Robertson McQuilkin, „The Behavioral Science Under the Authority of Scripture“, JETS 20 (March 1977): S. 37.
[18] Bibeltreue in der Offensive?! Die drei Chicagoerklärungen zur biblischen Irrtumslosigkeit, Hermeneutik und Anwendung. Herausgegeben und übersetzt von Thomas Schirrmacher, Verlag für Kultur und Wissenschaft 3. überarbeitete Auflage 2009.
[19] Birgit Kelle, Gender Gaga, Wie eine absurde Idee unseren Alltag erobern will, adeo-Verlag in der Gerth Medien GmbH 2015, S. 16.
[20] Vgl. hierzu: Eckhard Kuhla (Hrsg.), Die Gender Fibel, Ein irres Konversationslexikon, fontis 2021.
[21] Eckhard. J. Schnabel, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Brockhaus Verlag Wuppertal 2006, S. 319.
[22] John MacArthur, 1. Korintherbrief, CLV-Bielefeld 2006, S. 156.
[23] Es treffe nicht zu, dass 1,7 % der Bevölkerung „zwischen den Geschlechtern“ geboren sind: https://statsforgender.org/wp-content/uploads/2022/12/The-proportion-of-people-with-DSDs-.pdf abgerufen am 6.5.2023.
[24] Römer 5,1-2: Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, [so] haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns in [der] Hoffnung der Herrlichkeit Gottes.

Foto von Greg Rakozy auf Unsplash


Umgang mit fragwürdigen Arzneimitteln & Behandlungsmethoden

Es gibt einige Arzneimittel und Behandlungsmethoden, die oberflächlich betrachtet als nützlich und hilfreich erscheinen, bei ihrer Anwendung für einen Christen im Nachhinein aber für Gewissensprobleme sorgen können oder sich sogar als Sünde herausstellen. Gemeint sind hier Arzneimittel und Behandlungsmethoden, die aufgrund ihrer möglichen (Nicht-)Wirkung, ihrer Herstellung oder ihres entstehungsgeschichtlichen und kulturellen Hintergrundes kritisch zu beurteilen sind. Hierzu zählen beispielsweise Verhütungsmittel mit abtreibender Wirkung[1], homöopathische Präparate[2] und andere sogenannte „Alternativmedizin“ oder Arzneimittel, die mit Hilfe von fetalen Zelllinien hergestellt wurden.[3] Diese Arzneimittel und Behandlungsmethoden werden von den meisten Ärzten ohne weitere Aufklärung verordnet und sind in der allgemeinen Bevölkerung als „Medizin“ anerkannt (z. B. Homöopathie, Akkupunktur, etc.). Oft gilt der Grundsatz „Wer (was) heilt, hat recht.“ Es kann also geschehen, dass Christen diese Arzneimittel oder Behandlungsmethoden unbefangen anwenden, da sie sich nicht darüber im Klaren sind, welchen Hintergrund sie haben. An dieser Stelle soll es ausdrücklich nicht um den Umgang mit der Tötung ungeborenen Lebens (Abtreibung) oder der aktiven Sterbehilfe gehen, da hier bewusst der Tod eines Menschen herbeigeführt wird, was offensichtlich eine Sünde darstellt.[4]

Wie gehe ich damit um, wenn ich die Mittel/Methoden angewandt habe?

Wenn wir erkannt haben, dass die Mittel/Methoden nicht haltbar sind, sollten wir zuerst die Anwendung unterlassen und uns stattdessen auf die Suche nach Alternativen begeben. Wenn es sich um Arzneimittel handelt, die beispielsweise mithilfe von fetalen Zelllinien hergestellt werden, aber für uns essentiell wichtig sind, sollte die Suche nach Alternativen natürlich in Absprache mit den Ärzten erfolgen. Es ist ein Unterschied, ob ich z. B. ein Medikament dringend brauche, um weiterleben zu können oder ob ich eine fernöstliche „Sportart“ anwende, um mich besser zu fühlen. Die Entscheidung im Einzelfall ist hier sehr wichtig und darf nicht verallgemeinert werden. Deshalb ist es wichtig, dass sich jeder persönlich kritisch damit auseinandersetzt, welche Medikamente, Präparate oder medizinische Therapien ihm verordnet oder vorgeschlagen werden. Wenn wir die Anwendung der Mittel/Methoden als Sünde erkannt haben, dann gilt auch hier „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er (Gott) treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ (1. Johannes 1,9)

Wie kann ich mich zukünftig schützen?

Zum Einen durch kritisches Hinterfragen und Recherchieren. Das nüchterne Prüfen sollte sich nicht auf Fragen des Glaubens beschränken. Vielmehr ist ein sorgfältiges Prüfen in allen Bereichen unseres Lebens, auch in den Fragen der Gesundheit, anzustreben. Dazu gibt es die Möglichkeit den Arzt des Vertrauens zu fragen oder (Fach-)Literatur zum Thema zu lesen. Zum Anderen wird allerdings immer ein Restrisiko bleiben. Die Medizin ist eine Wissenschaft und befindet sich deshalb zwangsläufig im Wandel. Wissenschaftliche Diskussionen können immer wieder neue Erkenntnisse hervorbringen. Das heißt vereinfacht: Nur weil etwas vor 20 Jahren als bedenklich oder unbedenklich galt, heißt das nicht, dass dies auch noch dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entspricht. Auch hier können wir die Parallele zur Prüfung unseres Zeitgeistes ziehen. Wir sind als Christen zu jeder Zeit dazu angehalten „alles zu prüfen und das Gute zu behalten“ (1. Thessalonicher 5,21). Das erfordert Arbeit, birgt aber auch großen Segen und es gibt Menschen und Hilfsmittel, die uns dabei zur Seite stehen. Lassen Sie sich also nicht entmutigen. Prüfen Sie die Dinge, die Sie betreffen, im Licht von Gottes Wort!

 

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Quellen-Nachweis

[1] https://www.cdkev.de/app/download/25897579/Wirken+Verh%C3%BCtungsmittel+abtreibend_Rahel+Hedrich_CDK.pdf
[2] https://www.cdkev.de/alternativmedizin/hom%C3%B6opathie/
[3] fetale Zelllinien: siehe S. 29
[4] Siehe dazu folgende Artikel: https://www.cdkev.de/app/download/25615118/Assistierter+Suizid++Menschenw%C3%BCrde_+Eine+biblisch-theologische+Einordnung_+J.+Koberschinski.pdf, https://www.cdkev.de/app/download/25110720/Die+fortschreitende+Aush%C3%B6hlung+des+Rechts+auf+Leben.pdf

Foto von Nataliya Vaitkevich: https://www.pexels.com/de-de/foto/gesund-blatt-behandlung-pulver-7615616/

Euthanasie

Euthanasie im Licht der Heiligen Schrift

Nicht der Mensch, sondern Gott ist der Herr jedes menschlichen Lebens.

Gott hat jeden Menschen geschaffen. Gott hat mit jedem Menschen einen Plan.

Wer sein Ohr nur ein wenig am Nerv der Zeit hat, weiß, dass diese Problematik heute kein wirklichkeitsfernes Thema ist.  In Westeuropa gibt es seit Ende der 70er Jahre des 20. (vergangenen) Jahrhunderts so genannte Euthanasiegesellschaften. Diese Euthanasiegesellschaften haben in den verschiedenen Ländern Westeuropas zum Teil unterschiedliche Ziele. Doch ein gemeinsames Ziel aller Euthanasiegesellschaften ist die Legalisierung des Tötens auf Verlangen.

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1. Einleitung

Ich bin darum gebeten worden, zu Ihnen zu sprechen zum Thema Euthanasie, oder wie man auch sagt: „Sterbehilfe“.

Wer sein Ohr nur ein wenig am Nerv der Zeit hat, weiß, dass diese Problematik heute kein wirklichkeitsfernes Thema ist. In Westeuropa gibt es seit Ende der 70er Jahre des 20. (vergangenen) Jahrhunderts sogenannte Euthanasiegesellschaften.
Diese Euthanasiegesellschaften haben in den verschiedenen Ländern Westeuropas zum Teil unterschiedliche Ziele. Doch ein gemeinsames Ziel aller Euthanasiegesellschaften ist die Legalisierung des Tötens auf Verlangen.

Ich möchte jetzt nicht über die gesellschaftlichen Entwicklungen in Westeuropa etwas sagen, die dort zu dieser unterschwelligen Veränderung in der Einstellung zur Euthanasie geführt haben, sondern es geht mir im folgenden darum, dass wir uns darüber besinnen wie die Euthanasie im Licht des Wortes Gottes zu beurteilen ist.

2. Euthanasie - Was versteht man darunter?

Der Ausdruck „Euthanasie“ stammt aus dem Griechischen. Er ist zusammengesetzt aus zwei Worten eû und thánatos. „eu“ meint soviel wie „gut“, „schön“, „angenehm“, „glücklich“, „thanatos“ meint Tod. Euthanasie ist also zu übersetzen mit: guter, schöner, angenehmer Tod. Häufig begegnen im Zusammenhang mit der Euthanasie Begriffe wie: „aktive Euthanasie“, „passive Euthanasie“, „direkte Euthanasie“ oder „indirekte Euthanasie“.

Was versteht man darunter?

Unter „aktiver Euthanasie“ versteht man das absichtliche lebensverkürzende Handeln (z. B. durch Medikamente). Man sucht den Todeseintritt zu beschleunigen. Dieses kann freiwillig geschehen, also der Wunsch kann vom Patienten ausgehen. Dann spricht man von „Tötung auf Verlangen“. Dieses kann auch unfreiwillig geschehen, z. B. dann, wenn jemand an das Erbe des zu Tötenden herankommen möchte oder wenn es ihm zu lästig ist, den Betreffenden (weiter) zu pflegen.

Unter „passiver Euthanasie“ versteht man gewöhnlich das absichtliche Unterlassen von lebensverlängerndem Handeln. Zum Beispiel: Der Arzt erkennt, dass der Patient sterben wird, er kann ihm nicht mehr helfen. Dann beendet er die Behandlung und lässt ihn sterben, unternimmt also nichts.

„Direkte Euthanasie“: Während die Begriffe „aktive“ und „passive“ Euthanasie den motorischen Vollzug der Handlung im Auge haben, wird bei der Verwendung von „direkter Euthanasie“ nach der Motivation gefragt. Direkte Euthanasie meint dann soviel wie: Es ist meine Absicht, den Patienten auch töten.

Im Unterschied dazu sprechen wir von „indirekter Euthanasie“ in den Fällen, in denen als unbeabsichtigte Nebenwirkung einer notwendigen Medikamentierung, meist wird es sich um Zufügung starker Schmerzmittel handeln, der Eintritt des Todes (möglicherweise) beschleunigt wird. Der Arzt verabreicht ein starkes Morphinpräparat, um die Schmerzen zu stillen. Gleichzeitig kann von diesem Morphinpräparat jedoch eine dermaßen dämpfende Wirkung auf das Atemzentrum ausgehen, dass es bei bestimmten Erkrankungen der Lunge zu einem früheren Eintritt des Todes kommen kann. Diese Möglichkeit wird zwar häufig überschätzt, denn die Verabreichung ausreichender Schmerzmittel verlängert durch ihre beruhigende und stabilisierende Wirkung das Leben eher, als dass es dieses verkürzt, gleichwohl ist die Möglichkeit einer Verkürzung des Lebens durch Verabreichung von Schmerzmitteln denkbar.

3. Zehn generelle Aspekte zur Beurteilung der Euthanasie im Licht der Heiligen Schrift

Wie haben nun Christen, die Gott und seinem Wort glauben und gehorchen wollen, über die Euthanasie zu urteilen?

Ich möchte Sie dazu zunächst auf einige biblische Aspekte hinweisen, die bei der Beurteilung der Euthanasie generell bedacht werden müssen. Erst danach gehe ich auf die konkreten Punkte ein, also wie aktive, passive und indirekte Euthanasie zu beurteilen sind.

Ich nenne zehn Punkte:

Erstens. Unzweifelhaft ist für die Beurteilung der Euthanasie auf das Gebot Du sollst nicht töten zu achten. Was der Wille Gottes zur Frage des Tötens ist, ist mit Hinweis auf das sechste Gebot deutlich (2.Mos. 20,15; 5.Mos. 5,17). Manche Ausleger der Bibel weisen darauf hin, dass bei dem Tötungsverbot, das Gott seinem Volk am Berg Sinai gab, beachtet werden muss, dass Israel zur Zeit der Sinai-Gesetzgebung ein Nomadenvolk war. Dieses Gebot hatte also gerade die Schwierigkeiten vor Augen, die alte, kranke und gebrechliche Menschen dem gesamten Stamm bei der Wanderung durch die Wüste bereiten konnten. Von daher ist es nicht unwichtig, dass unmittelbar vor dem Gebot „Du sollst nicht töten“ das Gebot steht „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Es besteht ein innerer, sachlicher Zusammenhang zwischen dem Gebot der Elternehrung und dem Tötungsverbot. Anders formuliert: Die Missachtung des Gebotes, die Eltern zu ehren, zeigt ein latentes Gefälle hin zur Missachtung des Tötungsverbotes.

Als zweiten grundsätzlichen Aspekt weise ich andererseits darauf hin, dass die Bibel nicht das ethische Prinzip einer absoluten Ehrfurcht vor dem Leben kennt. Das Tötungsverbot (2.Mos. 20,13) meint nicht, dass ein Christ, der dem Wort Gottes glaubt, einem Prinzip der „absoluten Ehrfurcht vor dem Leben“ zustimmen kann: Wir haben nicht das Leben zu ehren, sondern den Herrn des Lebens. Es ist Gott, der da tötet und wieder lebendig macht, der zerschlägt und heilt (5.Mos 32,39; 1.Sam. 2,6). Leben und Tod sind keine selbstständigen Mächte, vor denen wir uns beugen müssen, sondern Leben und Tod beugen sich vor dem Gott, dem alle Mächte unterworfen sind (Röm. 8,38ff; Eph. 1,20; Kol. 1,16). Darum gibt Gott dem Menschen auch das Recht, pflanzliches (1.Mos. 1,29), tierisches (1.Mos. 9,3), und bisweilen auch menschliches Leben anzutasten (1.Mos. 9,6; Röm. 13,4) die Todesstrafe. Bisweilen hat der Mensch sogar sein eigenes Leben für Gott oder den Nächsten zu opfern (Richt. 16,28ff; Mt. 16,25; Luk. 14,26; Röm. 16,3-4; Phil. 2,30). Also: Nicht das menschliche Leben, sondern das Gebot Gottes ist die höchste Norm für die Ethik.

Als dritten Aspekt weise ich Sie auf einen Begriff hin, der zweimal im letzten Buch der Bibel vorkommt, und zwar in Offb. 21,8 und 22,15. Ich meine das Wort pharmakoi, das in der Regel mit „Zauberer“ übersetzt wird. Mit diesem Wort bezeichnete man in der Antike unter anderem Ärzte/ Mediziner, die (auch) schädliche Mittel verabreichten, wie zum Beispiel Drogen, Abortiva und eben auch Euthanatica. Diesen pharmakoi („Kurpfuschern“), wird angedroht, dass sie vom Himmlischen Jerusalem ausgeschlossen werden.

Als vierten Aspekt ist in diesem Zusammenhang festzuhalten: Nicht der Mensch, sondern Gott ist der Herr jedes menschlichen Lebens. Gott hat jeden Menschen geschaffen (1.Mos. 2,7-8; Jer. 1,5; Ps. 139,13-15). Gott hat mit jedem Menschen einen Plan. Nichts geschieht ohne Gottes Willen, auch nicht Leiden und Sterben oder Altersdemenz. Denn Gott ist der Gott der „Geister allen Fleisches“ (4.Mos. 27,16). Das heißt: Gott hat auch die Macht über den Geist des Menschen (Ps. 31,5; Hiob 27,3). Kurzum: Jeder Mensch und alles untersteht dem Schöpfer und Lenker dieses Universums (Jes. 49,1.5; Jer. 1,5; Luk. 1,15; Gal. 1,15). Daraus geht klar hervor: Das menschliche Leben ist ein Geschenk Gottes. Das heißt: Einzig und allein Gott darf dem Menschen das Leben wieder nehmen. Kein Mensch darf einem anderen Menschen das Leben nehmen, übrigens auch nicht sich selbst.

Fünftens: Der Mensch ist wertvoll in den Augen Gottes. Aus dem Umstand, dass Gott die Menschen geschaffen hat und sich um sie kümmert, ergibt sich sein Wert. Er ist im Bild Gottes geschaffen. Jedes menschliche Leben besitzt die Würde der Gottesbildlichkeit (1.Mos. 1,27-28; 5,1-2). Das heißt: Der Mensch ist wertvoll, und zwar unabhängig davon, was er aus sich macht oder welchen Nutzen er für die Gesellschaft bringt. Denn seine Würde beruht nicht auf menschlichen Fähigkeiten, Qualitäten oder Leistungen, sondern sie ist ihm von Gott beigelegt, geschenkt. Bei einem Christen kommt noch hinzu, dass sein Leib ein Tempel Gottes bzw. ein Tempel des Heiligen Geistes ist (1.Kor. 3,16-17; 6,19). „Ihr seid teuer erkauft“, schreibt der Apostel Paulus (1.Kor. 6,20). Bei Christen gilt ferner: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2.Kor. 12,9). Für unsere Fragestellung heißt das: Weil jeder Mensch im Bild Gottes geschaffen ist, und von daher einen ihm von Gott beigelegten Wert hat, darf sich niemand an dem menschlichen Leben vergreifen, sei es nun, um es zu verkürzen oder zu beenden (1.Mos. 9,6).

Sechstens: Leiden und Sterben sind eine Folge des Sündenfalls. Menschen, die nach Leib und/ oder Geist missgebildet sind, wenn man so will „unnormal“ sind, zeigen, dass die Schöpfung dem Gericht und der Nichtigkeit unterworfen ist (Röm. 8,20-25).
Insofern ist es nicht falsch zu sagen, dass Krankenhäuser, Altenheime und Nervenheilanstalten von dem Zorn Gottes über alle Menschen zeugen: „Das Macht dein Zorn, dass wir so vergehen“ (Ps. 90,7). Das heißt: Weil wir als Menschheit insgesamt, das heißt von Adam her, gefallen sind, dürfen wir uns auch nicht vor den Folgen des Falles drücken. Vielmehr ist es unsere gemeinsame Aufgabe, Leiden zu lindern. Das heißt nicht zuletzt, dass wir besonders diejenigen unterstützen, die sich in einem schweren Leidensprozess oder in einem Sterbeprozess befinden.

Siebtens: Gott offenbart sich den Menschen im leidenden Christus. Nach dem Sündenfall hat Gott das, was „Gottebenbildlichkeit“ meint, in Christus offenbart. Er ist das Ebenbild Gottes (Kol. 1,15-20). Dieses Ebenbild Gottes trat unter den Menschen auf „ohne Gestalt und Hoheit“, „voller Schmerzen und Krankheit“ (Jes. 53,2-3). Als der Weltenrichter zeigt sich Christus eins mit dem Hilfsbedürftigen (Mt. 25,31ff). Aus dieser Perspektive ist der kritische Maßstab, an dem alle Menschenbilder zu messen sind, nicht irgendeine starke, gesunde Persönlichkeit, sondern der leidende, der gekreuzigte Christus. Leiden erniedrigt nicht den Menschen, so dass er dadurch unter das Maß des Menschenunwürdigen stürzen würde. Die Konsequenz für die Praxis lautet: Christen, nicht zuletzt diejenigen, die im vollzeitlichen Dienst an Kranken stehen, also Ärzte und Pflegekräfte, haben die Aufgabe, den leidenden, sterbenden Nächsten zu tragen. Sie tragen ihn auch dann, wenn es scheinbar unerträglich ist - in Liebe. Denn jedes Leben, auch das schwache, senile oder bewußtlose verdient Schutz und Pflege.

Achtens: Gott gebietet, sich um die Hilfsbedürftigen zu kümmern. Gerade der Leidenden/Sterbenden haben wir uns anzunehmen.(Luk. 10,25-37; Mt. 25,25-36), also auch derjenigen, die aufgrund ihrer Krankheit, ihrer Gebrechen aus der Gesellschaft ausgestoßen sind. Vergessen wir bitte nicht, dass gemäß dem, was unser Herr in der Bergpredigt sagt, nicht nur das Töten (Ermorden) untersagt ist, sondern es geht dem Herrn auch darum, das Leben des Nächsten zu schützen und zu erhalten.(vergleiche auch: 1.Joh. 3,16-17). So ist es unsere Aufgabe, den Schwachen, den Senilen und den Sterbenskranken heilend und pflegend beizustehen.

Neuntens: Das menschliche Leiden darf gelindert werden. Derselbe Gott, der nach dem Sündenfall das Leiden als einen Fluch dem Menschen auferlegt hat (z.B. 1.Mos. 3,16), schenkt auch die Mittel, um die Leiden zu erleichtern. So soll der Arzt mit Öl und Balsam das Leid lindern (Jes. 1,6; Jer. 8,21-22; 51,8). Auch Jesus heilte bekanntlich das Fieber der Schwiegermutter und andere Krankheiten (Luk. 4,39). Spr. 31,6 fordert auf: „Gebt starkes Getränk dem, der zugrunde geht und Wein denen, deren Leben bitter ist“ (die betrübter Seele sind). Die Konsequenz für uns lautet: Gerade in den letzten Tage vor dem Tod des Betreffenden soll alles getan werden, um die leiblichen und emotionalen Leiden zu lindern/ erleichtern. Dabei ist Christen deutlich, dass sie die Überwindung des Todes nicht von der modernen medizinischen Forschung und ihren Versuchen, das Leben zu verlängern, erwarten, sondern von Christus. Er ist es, der den Tod durch seine Auferstehung besiegt hat (z.B. 2.Tim. 1,7). Anders gesagt: Der Sieg über den Tod wird nicht durch den Menschen vollbracht, sondern er ist für den Menschen bereits gewirkt worden am Kreuz von Golgatha. Die Glaubenden sind erlöst, jedoch im Blick auf unseren Leib sind wir errettet auf Hoffnung (Röm. 8,24). Die Erlösung des Leides erwarten wir erst bei der Auferstehung (Röm. 8,23).

Zehntens: Der Tod: ein Feind. Gegenwärtig wird häufig der Tod gesehen als etwas, das zum Leben dazugehört. Zum Beispiel spricht man von ihm als von einem „Zwillingsbruder des Lebens“. Die Heilige Schrift aber spricht über den Tod als von einem Eindringling: Der Tod drang in die ursprüngliche gute und heile Schöpfung Gottes ein (Röm. 5,12). Wie wir den Tod verstehen, hängt entscheidend davon ab, wie wir uns in den hier besprochenen Situationen verhalten. Nach der Heiligen Schrift ist der Tod nicht etwas Natürliches. Auf der anderen Seite lehnen Christen auch die Auffassung ab, dass absolut alles, um jeden Preis getan werden müsse, um das Leben eines Menschen zu retten. Denn Christen wissen aus der Bibel, dass „im Körper“ zu sein, soviel meint wie „ausheimisch“ vom Herrn zu sein (2.Kor. 5,6). Demgegenüber sind Christen dann, wenn sie „außerhalb des Körpers“ sind, „zu Hause beim Herrn“ (2.Kor. 5,8). Insofern ist das Sterben ein Gewinn für den Christen (Phil. 1,21). Ein Christ ist nicht an diese Erde gebunden. Er ist nicht auf diese Erde fixiert, und er übt darum auch keine Operationen aus, um das Leben nur wenige Stunden oder Tage auszudehnen.

4. Konsequenzen für die Beurteilung der verschiedenen Formen der Euthanasie.

Erstens: Zur aktiven Euthanasie. Aus dem, was wir eben gerade grundsätzlich aus der Heiligen Schrift festgestellt haben, ist deutlich, dass die aktive Euthanasie verboten ist, also jede Form, in der eine Person, sei es nun ein Arzt, eine Pflegekraft oder sonst jemand, den Tod eines Patienten beschleunigt oder verursacht. Dabei ist es gleichgültig, ob die betreffende Person um die Tötung gebeten hat oder nicht. Ich weise hier noch einmal hin auf das 6. Gebot (2.Mos. 20,13; 5.Mos. 5,17) sowie auf das Urteil Gottes über die Pharmakoi (Offb. 21,8; 22,15). Es ist Gott, der dem Menschen das Leben gegeben hat, und darum darf kein Mensch, sondern allein Gott es auch wieder nehmen.

Zweitens: Die Unterscheidung zwischen Beendigen des Lebens und Beendigen der Behandlung ist im Prinzip legitim. Während Beendigung des Lebens („aktive Euthanasie“) unerlaubt ist, kann das Beenden der Behandlung geboten sein, um eine medizinische Behandlung nicht bis zum bitteren, sondern bis zum verantwortbaren Ende fortzusetzen. Einerseits darf man den Patienten nicht töten, andererseits haben wir ihn sterben zu lassen. Es ist vor Gott unverantwortlich, das Leben eines anderen zu nehmen. Aber es ist auch unverantwortlich, das Leben eines Menschen beliebig zu verlängern. Die Frage, wann der Zeitpunkt eintritt, an dem es verantwortet werden kann, eine Behandlung zu beenden, kann hier nicht für jeden Fall vom grünen Tisch aus festgelegt werden. Auch kann die Unterscheidung zwischen Beenden des Lebens und Beenden der Behandlung zeitlich sehr oft zusammenfallen. Aber dadurch wird ein Beenden der Behandlung noch nicht zur Euthanasie. An diesem Punkt ist die Einstellung des Arztes zu beachten. Diese Einstellung ist beim Beenden des Lebens eine völlig andere als beim Beenden der Behandlung.
Wenn ein Arzt vor dem Angesicht Gottes sagen kann, dass er eine Behandlung bei einem Patienten abbricht, den nicht er, sondern den Gott an das Ende seines Lebens gebracht hat, dann ist das etwas anderes als die Aussage: „Ich will das Leben dieses oder jenes Menschen beenden.“ Hier ist nach der Intention zu fragen. Darum ist der Ausdruck „passive Euthanasie“ ungeeignet. Heute wird in der Regel das Beenden der Behandlung „passive Euthanasie“ genannt. Doch halte ich diesen Ausdruck nicht für glücklich, weil man dadurch das Beenden einer Behandlung im Bereich der Euthanasie einordnet. Das aber schafft m. E. für die ethische Beurteilung nur Verwirrung.

Drittens: Die Grundpflege ist auf jeden Fall, auch nach Abbrechen der Behandlung zu leisten. Die Grundpflege besteht in allen jenen Verrichtungen der Krankenpflege, die dem Wohlbefinden des Patienten dienen. Dazu gehören Schmerzlinderung, Reinigung, also alle Maßnahmen der Körperhygiene, Bettung, das heißt, der Lagerung des Patienten, Ernährung, eventuell der Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung, auch bei bewusstlosen Patienten. Solange der Patient bei Bewusstsein ist, gehört darüber hinaus alles zur Grundpflege, was für sein seelisches Wohlbefinden erforderlich ist, erörtert wurden nicht zuletzt die mitmenschliche Zuwendung und das Ansprechen (Gespräche). Nach dem Abbrechen der Behandlung bleibt als vorrangiges Ziel die Schmerzlinderung und die Sorge um ein erträgliches, möglichst schmerzfreies Leben, sofern möglich in vertrauter Umgebung. Eine Verweigerung, den Grundbedürfnisse zu entsprechen, etwa mit der Begründung, dass das Leben nur noch ein lebensunwertes, bewusstloses dahinvegetieren sei, das für andere eine kaum erträgliche oder gar unerträgliche Last sei, ist im Licht des Wortes Gottes vorbehaltlos zurückzuweisen. Es wäre Ausdruck von Menschenverachtung.

Viertens. Ein Wort zur indirekten Euthanasie. Von indirekter Euthanasie sprechen wir, wenn aufgrund einer medizinischen Therapie als Nebenwirkung das Leben - unbeabsichtigt - verkürzt wird. Zum Beispiel kann eine Schmerztherapie, zum Beispiel eine Morphinschmerztherapie bei Sterbenden, unbeabsichtigt („indirekt“) dazu führen, dass der betreffende Patient früher stirbt als ohne diese Schmerztherapie. Hier ist zu antworten: Wenn das primäre Ziel, eine Hilfeleistung für den Patienten ist, also nicht Tötung, sondern eben Schmerzbekämpfung, so ist es ethisch unbedenklich, dem Patienten diese Hilfe zu leisten. Denn noch einmal: Das Ziel der Maßnahme ist nicht die Lebensverkürzung, sondern die Schmerzlinderung.

Fünftens: Auseinandersetzung mit dem Argument, die Euthanasiedebatte sei erst wegen der technisierten Medizin („unmenschliche Apparatemedizin“), aufgekommen. Nicht selten wird behauptet, dass die gegenwärtige Diskussion über Formen der „Sterbehilfe, insbesondere über die „Tötung auf Verlangen“ nur eine Reaktion auf die der Medizin teils unterstellten, mitunter aber wirklich vorkommenden inhumanen lebensverlängernden Behandlungen ist, also ein Problem der Technokratie ist. Aber die Geschichte der „Euthanasiedebatte“ macht deutlich, dass die grundlegenden ethischen Probleme des Sterbens nur zu einem sehr geringen Teil Folgen der medizinischen Technik sind. Der Grund liegt allenfalls sekundär in problematischen Lebens- bzw. Sterbensverlängerungsmaßnahmen durch die medizinische Technik. Vor allem sind es weltanschauliche Vorgaben, die zu einer Änderung in der Euthanasieeinstellung geführt haben. Geändert haben sich also keineswegs nur die medizinischen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krankheiten und Tod, sondern auch die Einstellung zum Leben, vor allem zu Krankheit und Tod. Dieses alles kulminiert in dem Begriff der Entscheidungsfreiheit. Der Mensch hat das Recht, sich selbst zu entscheiden, ob er sterben will oder nicht.

Sechstens: Auseinandersetzung mit dem Autonomieverständnis des australischen Philosophen Peter Singer (Er lehrt jetzt in den USA). Peter Singer vertritt eine völlig säkulare Ethik. Er geht davon aus, dass die normsetzende Wirkung des Christentums in unserer Zeit überholt ist: Das Christentum ist nicht mehr die einzige anerkannte Grundlage unserer moralischen Überzeugungen und Gesetze. In einer pluralistischen Gesellschaft, die die Trennung von Kirche und Staat akzeptiert, lassen sich, so Singer, Gesetze nicht damit rechtfertigen, dass sie mit den Lehren einer bestimmten Religion übereinstimmen.[1]

Stattdessen bekennt sich Singer in seiner moralphilosophischen Arbeit zu den Prinzipien des Nützlichkeitsdenkens, des Utilitarismus im weiteren Sinne.[2]  Indem sein Kriterium das Maß des Leidens ist, argumentiert er folgendermaßen: Leiden verspüren die Tiere ebenso wie die Menschen. Beim erwachsenen Menschen wird durch die bewusste Erwartung des Leidens das Ausmaß an Leiden gegenüber dem Tier, aber auch gegenüber einem Baby vergrößert. Darum muss man einen Erwachsenen in einem höheren Maße gegen Leiden schützen als ein Tier oder als ein Baby. Wer Experimente an Tieren befürwortet, so Singer, darf nicht schwer geistig behinderte Menschen und Babys von diesen Experimenten ausnehmen. Denn diese Lebewesen gehören nach Singer in dieselbe Kategorie.[3]. Es geht Singer in seinem Einsatz für die Gleichheit von Mensch und Tier nicht darum, geistig behinderte Menschen wie Tiere zu behandeln: „Ich möchte allerdings unsere Überzeugung, dass es unrecht wäre, geistig behinderte Menschen so zu behandeln, gern auf nichtmenschliche Lebewesen übertragen wissen, die auf einer ähnlichen Stufe des Selbstbewußtseins stehen und ähnliche Leidensfähigkeit besitzen.“[4].

Aber Singer lehnt es ab, einen qualitativen Unterschied zu sehen zwischen einem nicht-selbstbewußten Tier und einem nicht-selbstbewußten Menschen. Von diesem Boden aus geht Singer auf die Frage ein, warum Töten Unrecht ist. Singer lehnt dazu den spezifisch religiösen Sinn des Begriffes „Heiligkeit des Lebens“ (Unantastbarkeit des Lebens) im Sinne der besonderen Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens ab.[5].

Er wendet sich gegen diese besondere Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens, und er drängt darauf, den Begriff „menschliches Wesen“ neu zu definieren: Nicht jedes Mitglied der Species Homo sapiens sei bereits ein menschliches Wesen. Die alte Definition würde auch einen Fötus von der Zeugung an, sowie ein geistig behindertes menschliches Wesen einschließen.[6]. Das lehnt Singer ab. Singer stellt eine Liste mit „Indikatoren für Menschsein“ auf, die folgendes umfasst: Selbstbewußtsein, Selbstkontrolle, Sinn für Zukunft, Sinn für Vergangenheit, die Fähigkeit, mit anderen Beziehungen zu knüpfen, sich um andere zu kümmern, Kommunikation und Neugier.“[7] An dieser Stelle also tauchen bei Singer Autonomie und Selbstbestimmung bzw. ihre psychischen Voraussetzungen auf.

Man kann vereinfachend formulieren: Nach Singer wird ein menschliches Wesen durch die Fähigkeit zur Autonomie definiert, während die Unfähigkeit zur Autonomie den nichtmenschlichen Status anzeigt. Indem Singer von dem Begriff der Autonomie ausgeht, sucht Singer den Begriff „menschlich“ zu vermeiden. Stattdessen teilt er die Menschen ein in „Mitglieder der Spezies Homo sapiens“ und in „Personen“. Nicht jedes Mitglied der Spezies Homo sapiens ist in seinen Augen eine Person, nicht jede Person ist ein Mitglied der Spezies Homo sapiens. Seines Erachtens kann ein nicht-selbstbewußtes Wesen von einem Schutz seines Lebens gar nicht wirklich profitieren: „Wenn ein Wesen nicht in der Lage ist, sich selbst als ein Wesen zu begreifen, das in der Zeit existiert, brauchen wir nicht auf die Möglichkeit Rücksicht zu nehmen, dass es wegen der Verkürzung seiner künftigen Existenz beunruhigt sein könnte.“[8]

Das heißt, ein solches Wesen darf getötet werden. Aber dazu ist zu sagen. Ein solches Freiheitsverständnis steht im Gegensatz zum christlichen Verständnis von Freiheit. Freiheit im Sinn der Heiligen Schrift ist Bindung an und Abhängigkeit von Gott.

Das zur Begründung der Selbsttötung und der „Tötung auf Verlangen“ meist ins Feld geführte Argument, es gehöre zur spezifischen Freiheit des Menschen, dass er über die Sinnhaftigkeit des Lebens, seinen Wert und das eigene Leben selbst uneingeschränkt verfügen und sich den Tod, sofern er will, geben dürfe, ist im Licht des Wortes Gottes zu bestreiten.

Ein solches Verfügungsrecht steht nur dem Schöpfer des Lebens selbst zu. Kein Mensch ist dazu berechtigt, über das eigene und erst recht nicht über das Leben eines anderen ein letztgültiges Urteil zu fällen und ihm ein Ende zu setzen. Dagegen ist es ist für einen Menschen nicht unwürdig, in Krankheit und Sterben die Entmächtigung seiner Persönlichkeit zu erfahren. Im Sterben und Tod wird der Mensch sich ganz entrissen und auf Gott geworfen.
Darum sind Sterben und Tod zu erleiden.

Sterben und Tod sind keine Taten des Menschen, durch die er sich selbst vollendet oder seinem Leben in Freiheit selbst ein Ende setzt. Ich weise Sie in diesem Zusammenhang auf Röm. 1,18ff: Dort, wo die Menschen von Gott abfallen, kollabiert auch die Ethik.

Christliche Ethik geht aus von der Ebenbildlichkeit Gottes, und damit von der Bindung an Gott.

Ich breche hier ab.

Aber ich denke, ich konnte Ihnen einige Orientierungsdaten bieten, zur Beantwortung der Frage, wie Christen, die Gott und seinem Wort glauben und gehorchen in der Frage der Euthanasie Stellung beziehen müssen.

[1] Peter Singer u. Helga Kuhse, Muss diese Kind am Leben bleiben?: Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener, Übers. Jutta Schust. (Erlangen: Harald Fischer Verlag, 1993), S.159.

[2] Singer, Praktische Ethik, S.29.

[3] Singer, Praktische Ethik, S.87-88.

[4] Ebd., S.109-110.

[5] Ebd., S.116.

[6] Ebd., S.118.

[7] Ebd.

[8] Ebd., S.125.


Stellungnahme des CDK e. V. zur Presseerklärung der Anwälte für Aufklärung e. V. vom 3. Juli 2023

Stellungnahme des CDK e. V. zur Presseerklärung der Anwälte für Aufklärung e. V. vom 3. Juli 2023

Der Verein "Christen im Dienst an Kranken e. V.” begrüßt die wesentlichen Ergebnisse des Kongresses der Anwälte für Aufklärung e.V. vom 3. Juli 2023 zum Thema „WHO-Pandemievertrag.“ Wir lehnen ebenfalls die Ausarbeitung eines WHO-Pandemievertrages sowie die geplante Ausweitung der Befugnisse der WHO im Rahmen von zukünftigen Pandemien ab. Diese Pläne verstoßen gegen verschiedene biblische Prinzipien, von denen wir lediglich zwei erwähnen möchten.

Erstens:

Wir unterstreichen die biblische Wahrheit, dass der Mensch in Gottes Ebenbild erschaffen wurde (1. Mose 1,27). Hieraus ist abzuleiten, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Kein einzelner Mensch leitet seinen Wert von seiner Nützlichkeit oder sonstigen externen Faktoren ab, sondern ist Kraft seiner Erschaffung durch den Schöpfer selbst mit Würde und unermesslichem Wert ausgestattet. Das Ebenbild Gottes umfasst auch die Fähigkeit und Beauftragung des Menschen, verantwortungsvoll über die Schöpfung zu herrschen (1. Mose 1,28). Zur Schöpfung gehört der verantwortungsvolle Umgang mit dem eigenen Körper als Teil dieser Schöpfung. Jeder einzelne Mensch ist in der Lage und verantwortlich, mit diesem anvertrauten Körper so umzugehen, wie es den Vorgaben seines Schöpfers entspricht. Die Pläne zur Ausweitung der WHO-Befugnisse räumen einer internationalen Organisation die Erlaubnis ein, über die Nützlichkeit jedes einzelnen Menschen zu entscheiden, indem abstrakte Regelungen getroffen werden können, die die Fähigkeit des Einzelnen, verantwortungsvolle Entscheidungen im Umgang mit seinem Körper in Verantwortung vor Gott zu treffen, unmöglich machen. Es wird den Menschen verwehrt, über ihren Körper selbst zu entscheiden und ihn nach bestem Wissen und Gewissen für die Anbetung Gottes zu verwenden.

Zweitens:

Wir unterstützen die Gewaltenteilung, weil Macht unter Menschen aufgeteilt werden muss, um Missbrauch vorzubeugen. Jeder Mensch ist seit dem Sündenfall als Sünder geboren und darum in der Lage sich selbst, anderen Menschen und seiner Umwelt unfassbaren Schaden zuzufügen. Um dieses Potenzial zum Bösen einzudämmen, bedarf es im modernen Jargon gesprochen “checks and balances”, damit nicht ein oder einige wenige Menschen über das Schicksal der anderen unbegrenzt entscheiden können. Denn besonders unbegrenzte Macht kann zum Schaden anderer missbraucht werden. Die geplante Ausweitung der Befugnisse der WHO würde einer Institution ohne wirksame Kontrollen weitreichende Entscheidungsgewalt über die Bürger dieser Welt einräumen.
Wir schließen uns den Ausführungen und Einschätzungen der Presseerklärung der „Anwälte für Aufklärung e. V.“ bezüglich der geplanten Aufgabenänderung der WHO ausdrücklich an. Die geplanten Kompetenzerweiterungen widersprechen rechtsstaatlichen Prinzipien. Sie widersprechen auch zumindest in den zwei genannten Punkten biblischen Prinzipien. Darum sagen auch wir: Nein zum WHO-Pandemievertrag und Nein zur Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften!


Leiden, Krankheit und Tod im Licht der Bibel

Leiden, Krankheit und Tod im Licht der Bibel

Schon der griechische Philosoph Epikur beruhigte sich mit dem Gedanken:

Der Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist der Tod nicht da.
Wenn er da ist, leben wir nicht mehr.

Leid hat viele Gesichter. Im folgenden Vortrag will ich mich auf jene Teilmenge/Form von Leid konzentrieren, mit der Sie als Mediziner in besonderer Weise befasst sind: (Körperliche) Krankheit und Tod. Krankheit und Tod sind enge Verwandte, sie gehören zur selben Familie, sie entstammen einer gemeinsamen Quelle. Wir werden Krankheit und Tod nur dann angemessen verstehen und einordnen können, wenn wir die Quelle kennen.

Sie merken: Mit dieser Fragestellung bewegen wir uns in einem Bereich, der über die klassische Medizin hinausführt. Wir suchen nach Informationen, die nicht allein durch empirische Forschung als Erfahrungswissen gewonnen werden können. Der Standort, von dem aus wir unser Thema in den Blick nehmen, wird im zweiten Teil der Überschrift benannt: Krankheit und Tod im Licht der Bibel. Das ist die große Freude und das Vorrecht der Christen – das macht auch den Unterschied zwischen einem christlichen und einem nichtchristlichen Medizinerkongress aus: Unser Leben gehört keinem toten, sondern einem lebendigen Gott. Dieser Gott „ist keine Illusion… und er schweigt nicht“ (Francis Schaeffer). Er hat uns seine Gedanken in einem schriftlichen Dokument offenbart. Darum haben wir durch die Bibel Zugang zu einer einzigartigen Informationsquelle, die uns den Menschen (auch den kranken Menschen) tiefer und besser verstehen lässt als jedes andere Lehrbuch der Welt.

Deshalb fühle ich mich als Theologe auf einem Medizinerkongress sehr wohl und überhaupt nicht fehl am Platze. Wir kümmern uns beide, Mediziner und Theologen, um den gleichen Menschen. Wir brauchen beide den interdisziplinären Austausch. (In der praktischen Seelsorge gibt es immer wieder Situationen, in denen ich einen Mediziner zu Rate ziehe.) Und wenn wir beide Christen sind – das ist weder für Mediziner noch für Theologen selbstverständlich – und dieser einzigartigen Bibel vertrauen, dann sind wir ausgerüstet, um uns miteinander den schweren Fragen nach Leid und Tod zu stellen.

Um uns herum, unter unseren säkularen Zeitgenossen, breitet sich aus, was Philosophen die „postmoderne Fragmentierung“ nennen: Alles bleibt nur Stückwerk (Fragment) – es gibt keinen zusammenhängenden Sinn. Geschichte ist nicht mehr als eine Ansammlung von Zufällen. Es gibt keine verbindlichen Maßstäbe, keine allgemeingültigen Wahrheiten - und darum auch keine wirkliche Antwort auf Krankheit und Tod. Nur der Starke überlebt – Darwin nennt das „survival of the fittest“ – aber auch der Starke überlebt nur für kurze Zeit. Der Tod bleibt stärker. Die Postmoderne entlässt unsere Zeitgenossen, gleich ob sie arm oder reich sind, in einen hoffnungslosen Nihilismus.

Sicher, auch Christen haben nicht für jede einzelne Frage eine Patentantwort. Aber wir haben ein Koordinatensystem, eine Gesamtschau, eine umfassende Weltanschauung. Wir wissen, dass Leben und Sterben nicht ein zufälliges Wechselspiel darstellen. Gottes Offenbarung sagt uns, woher der Mensch kommt, wozu er lebt, worauf er hoffen darf. Jeder einzelne Mensch zählt.

Und Gottes Offenbarung sagt uns ebenso, wie es dazu kommen konnte, dass Krankheit und Tod eine solch bedrohliche Macht über den Menschen gewannen.

Das war nicht immer so. Es gab einen Zeitpunkt in der Geschichte, da konnte Gott sein gesamtes Schöpfungswerk, auch den Menschen, mit einem ungetrübten Gütesiegel versehen: „Es war alles sehr gut.“ (Gen.1,27.31)

Aber es blieb nicht sehr gut. Und damit stehen wir vor der ersten Wahrheit, welche uns die Bibel über Krankheit und Tod mitteilt:

Krankheit und Tod haben eine beschreibbare Ursache.

Krankheit und Tod sind Brüder, die aus einer gemeinsamen Quelle entspringen. Sie gehen zurück auf ein historisches Ereignis, das im 3. Kapitel der Bibel berichtet wird. Gen.3,16-19 beschreibt das Ergebnis der Tragödie.

Was war zuvor geschehen:

Die ersten Menschen lehnen sich gegen Gottes Gebot auf. Die Rebellion beginnt nicht mit ihren Händen, sondern in ihren Herzen. Bevor Sünde zur Tat wird, ist sie bereits Gedanke, Gesinnung. Das erste Menschenpaar misstraut seinem Schöpfer, verweigert ihm den bedingungslosen Glauben. Sie lassen sich von der Lügenpropaganda des Satans zur Sünde anstiften. Und kurz danach müssen sie feststellen, dass die Schlange sie betrogen hat. Das Paradies ist verloren – und die Folgen sind dramatisch: Trennung von Gott. Und diese Trennung hat weitere Folgen: Auch die Beziehung zwischen Mensch und Mensch wird nun schwer belastet. Schon unter den Söhnen von Adam und Eva beginnt es mit Mord und Totschlag (Gen.4).

Jenseits von Eden muss der Mensch mit Mühsal, Schmerzen und Krankheit kämpfen. Wer vom ewigen Gott getrennt ist, wird vergänglich, sterblich. Nachdem der Mensch die Beziehung zu seinem Schöpfer schuldhaft zerstört hat, muss er die Folgen am eigenen Leibe erfahren.

Der Apostel Paulus bringt die Situation auf den Punkt:

Rö.6,23: Der Sünde Sold (Lohn) ist der Tod.

Rö.5,12: Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und der Tod durch die Sünde.

Damit erfüllt Gott sein Wort, das er schon vor dem Sündenfall gesprochen hatte (Gen.2,17): „Sobald du davon isst [also Gottes Gebot übertrittst], wirst du gewiss sterben.“ Der Tod ist der Lohn der Sünde. Der Tod ist Gottes spürbares Urteil über unsere Sünde.

Darum sagt Mose: „Du lässt die Menschen zum Staub zurückkehren.“ (Ps.90,3) Auch er stellt den Zusammenhang zwischen Schuld und Tod her: „Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen… denn unsere Missetaten stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.“ (Ps.90,7-8)

Warum wählt Gott als Strafe für die Sünde ausgerechnet den Tod? Bedenken wir: Adam und Eva, angestiftet vom Satan, wollten selbst „sein wie Gott“ (Gen.3,5). Mit dem Tod setzt Gott ihnen eine unüberwindbare Grenze, die von jetzt an zwischen Gott und Mensch unterscheidet: Gott ist ewig – der Mensch ist vergänglich.

Was mit einem durch Unglauben vergifteten Herzen beginnt (Mt.15,17ff.), endet mit einem von Krankheit zerfressenen Körper. Sünde zieht am Ende immer den Tod nach sich. Dabei unterscheidet die Bibel zwei verschiedene Modi (Arten) des Todes:

Am Anfang steht der geistliche Tod – die Trennung vom heiligen Gott und damit von der Quelle des Lebens (Eph.2,1-3; vgl. Lk.15,24).

Die äußere Folge ist der leibliche Tod, der sich wiederum ankündigt in den Vorboten der Krankheit.

So also lautet die erste Antwort der Bibel auf die Frage von Krankheit und Tod: sie haben eine beschreibbare Ursache. Sie gehen zurück auf ein konkretes Ereignis, das sich zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte an einem bestimmten Ort zugetragen hat. Da hat der Mensch seinen Tod selbst verschuldet.

Schon hier wird der Gegensatz zur Weltanschauung der Evolution überdeutlich: dort ist der Tod schon in der Welt, bevor es den Menschen überhaupt gibt. Dort werden Mutation und Selektion als Werkzeuge des Lebens verherrlicht. Durch den Kampf ums Überleben, Töten und Getötetwerden, kommt es zur Höherentwicklung der Arten. Als der Mensch endlich entsteht, ist dem schon eine lange Geschichte des Kämpfens und Tötens (eben der Selektion) vorausgegangen. Der Tod ist konstruktiv und produktiv, er schafft Leben, so wollen es die Darwinisten glauben.

Während der Mensch sich so mit Hilfe der Evolutionstheorie selbst entschuldigt und seine moralische Verantwortung ignoriert, konfrontiert uns der Schöpfer mit seiner Diagnose, die da lautet: Du bist schuldig – deshalb musst du sterben. Seit jenem Ereignis, seit dem sog. „Sündenfall“, steht der Mensch unter dem verdienten Zorn des heiligen und gerechten Gottes. Das müssen wir wissen, um uns darauf einzustellen, um richtig darauf zu reagieren.

Zu gern würden wir auch noch eine andere Herkunftsfrage beantworten: Woher kam die Schlange? Genauer: Woher kam der Satan, der sich dieser Kreatur bediente? Wie konnte es in einer perfekten Schöpfung zur Existenz des Teufels kommen? In der Theologie wird diese Frage mit dem lateinischen Begriff „unde malum“ umschrieben (woher kommt – ursprünglich - das Böse?).

Offenkundig müssen wir die Antwort auf diese Frage nicht unbedingt wissen, denn Gott hat uns darauf keine genaue Antwort offenbart. Wie die böse Gesinnung in Satans Herzen wachsen konnte, erfahren wir nicht. Wir werden über unsere Schuld aufgeklärt und können uns nicht hinter dem Teufel verstecken. Das hatte bekanntlich schon Eva versucht. Als Gott sie zur Rechenschaft zieht, verweist sie auf die Schlange (Gen.3,13). Gott aber macht sie – und nicht zuletzt ihren Mann – für den Sündenfall mit verantwortlich.

Und was für Adam und Eva gilt, das macht auch vor ihren menschlichen Nachkommen nicht halt. Dies führt uns zur zweiten These über die biblische Sicht von Krankheit und Tod:

Krankheit und Tod haben eine universale Reichweite.

Rö 5,12: …wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.

Paulus formuliert hier eine Regel ohne Ausnahme. Die Folgen des Sündenfalls bleiben nicht auf die unmittelbar Beteiligten beschränkt, sondern bekommen eine universale Reichweite. Von nun an ist die ganze Menschheit in den Strudel der „Erbsünde“ hineingezogen. Menschsein ist Sündersein. Jeder von uns, obgleich immer noch Geschöpf Gottes, wird in diese Verfallsgeschichte hineingeboren. Wir sind Opfer und Täter zugleich. Die sündige Gesinnung, das Misstrauen gegen Gott und der Egoismus liegen uns von Geburt an im Blut. Wenn wir wollten, dass unsere Kinder zu Kriminellen würden, müssten wir sie nur ohne jegliche Erziehung lassen. Wir müssten nur ihrem Eigenwillen freien Lauf lassen – dann wäre die Katastrophe vorprogrammiert. Denn die Sünde liegt uns allen im Blut.

Wir sind immer auch Täter, wir machen kräftig mit beim Aufstand gegen den heiligen Gott und seine Gebote. Wir sind moralisch voll verantwortlich und stehen alle unter dem gerechten Gericht Gottes. Darum müssen alle sterben.

Der Theologe D.A. Carson betont zu recht, dass wir unseren Tod mitverschuldet haben: Der Tod widerfährt mir nicht von selbst. Ich sterbe, weil ich ein Sünder bin. …ich bin das Subjekt meines Todes, nicht nur sein Objekt.[1]

In meiner Doktorarbeit habe ich mich u.a. mit einem Theologen beschäftigt, der Ihnen allen besonders nahe stehen müsste – denn er war von Haus aus Mediziner, und ein sehr begabter Mediziner dazu: Martyn Lloyd-Jones (1899-1981). Oft hat er darum die Arbeit des Arztes und des Predigers miteinander verglichen, wie auch in folgendem Zitat:

Das erste, was der Mediziner von seinem Patienten erfragt, sind dessen Beschwerden und Symptome. In gründlicher Detailarbeit wird so die Krankengeschichte ermittelt und manchmal bis in die Kindheit zurückverfolgt. (…) Der Prediger dagegen muss die einzelnen persönlichen Fakten seiner Adressaten nicht ermitteln. Weil er weiß, dass alle Menschen, die vor ihm sitzen, an derselben Krankheit leiden – an der Sünde. Die Symptome dieser Krankheit mögen bei den Einzelnen von Fall zu Fall sehr unterschiedlich aussehen. Aber die Aufgabe des Predigers besteht nicht darin, sich vorwiegend mit Symptomen zu befassen. Er muss die eigentliche Krankheit behandeln.[2]

Loyd-Jones verweist hier auf eine doppelte Totalität der Sünde: Sie erfasst alle Menschen. Und sie erfasst jeden dieser Menschen ganz. Der Mensch tut nicht nur einzelne Sünden (Lloyd-Jones nennt das „Symptome“), sondern er ist in seinem Herzen Sünder. Aus der faulen Wurzel (dem Herzen) erwachsen die einzelnen faulen Früchte (die Worte und Taten) – so hat es Jesus selbst gesagt (Mt.15,17-20).

Und genauso wie wir alle an der Sünde teilhaben, sind wir alle von ihren Konsequenzen betroffen. Darum haben Krankheit und Tod eine universale Reichweite. Hier werden alle Menschen gleich, wie groß auch sonst die Unterschiede sein mögen im Hinblick auf Besitz, Bildung, Können, Anerkennung. Der Politiker Benjamin Franklyn hat diese ernste Wahrheit in Humor gekleidet: „Es gibt in dieser Welt nichts Sichereres als die Steuern und den Tod.“

Allerdings müssen wir uns gegenüber einem Missverständnis verwahren, dem viele Menschen anhängen. Wenn die Bibel Krankheit und Tod mit der Sünde begründet, dann sagt sie nicht, dass jede einzelne Krankheit eines Menschen auf eine bestimmte Sünde zurückzuführen ist. Das hat Jesus ausdrücklich zurückgewiesen (Joh.9,1-3). Einzelne Krankheiten können aus Gottes Perspektive verschiedene Ursachen haben und sind nicht in jedem Fall Gottes Antwort auf eine bestimmte Sünde. Gewiss gibt es auch solche Beispiele, wenn wir etwa an den Tod von Ananias und Saphira denken, als Gott ihre Lügen direkt mit dem Tod bestraft (Apg.5).[3] Aber in dem Fall wissen wir es nur deshalb, weil die Bibel es ausdrücklich sagt. Unseren Zeitgenossen können wir nicht ins Herz schauen und ihnen auf den Kopf zusagen, dass ihr Nierenleiden eine Strafe Gottes sei. Diese Kompetenz haben wir nicht.

Viel wichtiger aber ist dieser Grundsatz, den uns die Bibel ausdrücklich lehrt: dass es überhaupt Krankheit gibt, dass wir Menschen überhaupt hinfällig und sterblich sind, ist darauf zurückzuführen, dass wir Sünder sind und in einer sündigen Welt leben.

Ja, auch in dieser Hinsicht muss die Reichweite, die Auswirkung von Krankheit und Tod als universal bezeichnet werden: die gesamte Schöpfung, nicht nur die Menschheit, wurde in die Folgen des Sündenfalls mit hineingezogen. In Rö.8 sagt Paulus, dass auch „die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen ist“ (V. 20) und „bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet“ (V.22). Genauso wie der Mensch ist auch die übrige Schöpfung von dieser unsäglichen Spannung gezeichnet: Wir tragen nach wie vor den „Fingerabdruck Gottes“ an uns, wir sind immer noch seine Geschöpfe, ausgestattet mit Schönheit und großartigen Möglichkeiten. Zugleich aber hat die Sünde ihr Zerstörungswerk an uns getan und unser Wesen bis ins Mark verdorben. Deshalb sind wir der Krankheit, Vergänglichkeit und schließlich dem Tod ausgeliefert.

Nach wie vor gilt die Größenordnung, die Psalm 90,10 vorgibt: „Unser Leben währet 70 Jahre – und wenn’s hoch kommt, so sind’s 80 Jahre.“

Angesichts der universalen Reichweite des Todes könnte man erwarten, dass die Bibel den Tod als etwas ganz Normales bezeichnet, mit dem wir uns eben abfinden müssten: „Alle Menschen müssen sterben – darum füge dich in dein Schicksal, du kannst ihm ohnehin nicht entkommen.“

Aber nein – das ist nicht die Sichtweise der Bibel[4]. Sie bezeichnet Krankheit und Tod weder als harmlos noch als „normal“, was uns zur dritten These führt:

Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar.

Die Menschen versuchen in ihrer Geschichte immer wieder und mit allen Mitteln das Gespenst des Todes zu vertreiben. Der Evolutionismus verherrlicht den Tod als Lebensspender (Selektion bewirkt Entstehung höherer Entwicklungsstufen). Ein moderner „Trick“, das Grauen des Todes durch einen mystischen „Zuckerguss“ erträglicher zu machen, ist die sog. „Sterbeforschung“. Zu ihren führenden Vertretern gehören Namen, die sicher auch bei Ihnen bekannt sind: Elisabeth Kübler-Ross, Raymond Moody, Robert A. Monroe

Wir haben jetzt nicht die Zeit, uns ausführlich mit ihren Thesen auseinander zusetzen, darum beschränke ich mich hier auf wenige Hinweise[5]:

Die von den „Sterbeforschern“ verbreiteten Erfahrungsberichte sind keine wirklichen Sterbeerlebnisse, weil ja die Befragten die Grenze zum Tod nicht überschritten haben.

Die Forscher selbst berichten von seltsamen Geisterfahrungen und Erlebnissen, die auf okkulten Hintergrund schließen lassen: E. Kübler-Ross habe persönlich Astralreisen und Zustände unbeschreiblicher Angst erfahren habe, auch habe sie Kontakt zum „Geist“ einer Verstorbenen gehabt. Monroe will ebenfalls Kontakte mit Geistwesen gehabt haben, die sich ihm als Verstorbene vorstellten.

Immer wieder taucht in den sog. „Sterbeerlebnissen“ ein rätselhaftes Lichtwesen auf, das den Menschen suggeriert, nach dem Tod werde für alle alles gut. Vom Tod gehe keinerlei Gefahr aus.

Die Botschaft des Lichtwesens bedeutet eine starke Verführung, da sie den Menschen einredet, sie müssten sich nicht auf das Sterben vorbereiten (und etwa ihr Leben mit Gott in Ordnung bringen), da ihnen ja nichts passieren könne.

Summa: Es gibt nur einen, der ein Interesse daran hat, Menschen auf diese falsche Fährte zu schicken. Das ist der Satan, dessen großes Ziel darin besteht, dass am Ende die Hölle möglichst gut gefüllt sein möge – mit ahnungslosen Sündern, die dem Tod unvorbereitet in die Arme liefen.

Die Bibel dagegen entlarvt den Tod in seiner ganzen Gefährlichkeit. Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar. Der Tod ist ein ernstzunehmender Gegner des Menschen. Als Jesus, der HERR des Lebens, zum Grab seines Freundes Lazarus kommt, da weiß er: Gleich werde ich ihn auferwecken (siehe Joh.11). Dennoch, obwohl Jesus in wenigen Minuten die Macht des Todes brechen und den Verwesungsprozess umkehren wird, heißt es von ihm, als er das Grab des Freundes und die Tränen der Trauernden sieht: „Und Jesus gingen die Augen über.“ (11,35)[6]

Paulus bezeichnet den Tod als den „letzten Feind“ des Menschen (1.Kor.15,26). Wir ahnen etwas davon, wenn wir am Grab eines vertrauten Menschen stehen: der Tod ist ein grausamer Bruch. Er macht die innere Hässlichkeit der Sünde äußerlich sichtbar.

Worin aber besteht nun die eigentliche Bedrohung, die vom Tod ausgeht? Immer wieder haben Menschen behauptet, sie hätten wohl Angst vor dem Sterben, den damit verbundenen Schmerzen und der Trennung von ihren Lieben. Aber sie hätten keine Angst vor dem Tod. Schon der griechische Philosoph Epikur (341-270 v.Chr.) beruhigte sich mit dem Gedanken: Der Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist der Tod nicht da. Wenn er da ist, leben wir nicht mehr.

Das Wort Gottes entlarvt diese Haltung als gefährliche Selbsttäuschung. Mit dem Tod ist eben nicht alles aus, genauso wenig ist der Tod der große Gleichmacher, wie es ein deutsches Volkslied behauptet: Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alles gleich…

Vielmehr kommt nach dem Tod die große Bilanz. Im Hebräerbrief (9,27) teilt Gott uns mit, was dann passieren wird: Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben – danach aber das Gericht (Gottes).

Hier liegt die eigentliche Bedrohung, die Krankheit und in ihrer Folge der Tod für den Menschen bedeuten: Der Tod ist das Tor, durch welches der Mensch in Gottes Gericht hineingeht. Im Augenblick des Todes wird die Sünde des Menschen verewigt. Anders ausgedrückt: Wer bis zu seinem Tod keine Bereinigung seiner Sünde gesucht und gefunden hat, wird auf ewig an sie gebunden bleiben. Die Bibel warnt davor, dass es ein „zu spät“ gibt, jenseits dessen wir nicht mehr zu Gott umkehren und Gnade erbitten können.

Heute, wenn Ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.

Hebr.4,7

Wer diesseits des Todes nicht zu Jesus Christus als seinem Retter findet, dem bleibt jenseits des Todes nur die ewige Verdammnis (Offb.20,12-15). Darum, weil die Situation des Menschen unter der Sünde als fundamental bedroht anzusehen ist (Joh.3,36), verpflichtet Paulus sich und seine Mitarbeiter zu leidenschaftlicher Mission:

Weil wir nun wissen, dass Gott zu fürchten ist, versuchen wir Menschen zu gewinnen.

2.Kor.5,11

Diese Formulierung sagt präzise, worin die eigentliche Bedrohung besteht. Paulus schreibt nicht: „Weil wir wissen, dass der Tod zu fürchten ist…“ – nicht der Tod ist das Hauptproblem, sondern das anschließende Gericht. Gott ist zu fürchten, ja, der heilige Gott, der seine Menschen liebevoll erschaffen hat und sie noch als Sünder voller Liebe erhält und zur Umkehr ruft. Dieser Gott ist zu fürchten, weil er als der Heilige keine Sünde dulden und in keiner Weise mit ihr Gemeinschaft haben kann.

„Meiner Sünde wegen habe ich den gerechten Zorn Gottes auf mich gezogen. Und dieser Zorn ist nicht nur die Folge irgendwelcher unpersönlicher Prinzipien…, sondern die persönliche, höchstrichterliche Reaktion Gottes auf die Sünde, der ich mich als verantwortlich handelnde Person hingegeben habe.“[7]

Paulus schreibt, dass Gott „seinen Zorn vom Himmel her offenbart“ (Rö.1,18) - und das ist nirgendwo deutlicher geschehen als am Kreuz von Golgatha. Kein anderer als sein sündloser Sohn Jesus Christus konnte die Sünde wegtragen. Niemand sonst hätte unsere Schuld auf sich nehmen und Sühne schaffen können. Nur das fehlerlose Lamm Gottes (Jes.53,4-6) hatte diese Kraft.

Der Theologe John Piper hat die Botschaft des Kreuzes so zusammengefasst:

Das Kreuz ist ein Zeuge für den unendlichen Wert der Ehre Gottes und ferner ein Zeuge dafür, wie riesengroß die Sünde meines Stolzes ist. Es sollte uns schockieren, dass wir Gottes Ehre so sehr mit Füßen getreten haben, dass nicht weniger als der Tod seines Sohnes nötig war, um diese Ehre zu verteidigen. So ist das Kreuz ein Zeuge für den unendlich großen Wert Gottes und das unendlich große Ausmaß meiner Sünde.[8]

Darin nun besteht die eigentliche Bedrohung, die vom Tod ausgeht: er liefert den Menschen dem Gericht des heiligen Gottes aus. Und der spricht das letzte Wort – nicht der Tod!

Damit kommt eine vierte Wahrheit in den Blick, die uns die Bibel über Krankheit und Tod offenbart:

Krankheit und Tod stehen unter der Macht Gottes.

Es gehörte zu den klassischen Kennzeichen des öffentlichen Wirkens von Jesus Christus, dass ER viele Kranke heilte (Mt.4,23; 9,35). Auch Tote wurden von IHM wieder zum Leben erweckt (Luk.7,14f.; Luk.8,54f.; Joh.11,43f.).

Damit bewies der HERR seine souveräne Macht über Krankheit und Tod. Die Wunderzeichen waren ein Ausweis seiner Messianität (Mt.11,2-6) und gaben eine Vorschattung davon, wie es in seinem ewigen Reich sein wird, wo Tod und Krankheit überhaupt keine Macht mehr haben dürfen (Ofb.21,1-7).[9]

Den endgültigen Beweis dafür, dass der lebendige Gott stärker ist als Krankheit und Tod, erbrachte die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Seitdem gilt Jesu Machtansage (Ofb.1,18):

Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit – und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.

Weil Jesus den Schlüssel hat, kann er aufschließen, wem er will. Damit ist angezeigt, wo der Ausweg aus der Sackgasse von Krankheit und Tod zu finden ist. Das führt uns zu einer 5. These.

Zuflucht vor Krankheit und Tod gibt es nur bei Jesus Christus.

Schon auf dem Friedhof von Bethanien, als ER die Leiche des Lazarus zum Leben erweckte, hat Jesus sich selbst als die einzige Zuflucht zu erkennen gegeben:

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, selbst wenn er stirbt. Und wer in seinem Leben zum Glauben an mich kommt, der wird nie mehr (wirklich) sterben. (Joh.11,25f.)

So schonungslos wie die Bibel den Tod und seine Härte entlarvt, so eindeutig und gewiss verspricht sie, dass es eine sichere Zuflucht und Rettung gibt. Dabei müssen wir präzise erfassen, worin das Versprechen Jesu besteht.

Manche haben gedacht: Weil Jesus alle Krankheiten heilen konnte, wird jeder, der an Jesus glaubt und zu ihm betet, auch heute von allen Krankheiten geheilt. So ist es von manchen Vertretern der Pfingstbewegung und Charismatischen Bewegung propagiert worden. Wenn das so wäre, müssten Christen logischerweise nicht mehr sterben.

Ich muss es hier mit Nachdruck sagen: Diese Verheißung gibt uns die Bibel an keiner Stelle.

Auch Christen haben in dieser Welt keinen Anspruch auf Heilung. Wir dürfen um diese beten und darauf vertrauen, dass Gott in seiner Weisheit das tun und geben wird, was für sein Kind in der jeweiligen Situation das Beste ist (vgl. Jak.5,13-20): Sei es Heilung, sei es Linderung, sei es mehr Kraft, um die Krankheit zu tragen. Diesseits des Himmels hat Gott keine körperliche Heilung um jeden Preis versprochen. Aber das hat er verheißen, „dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Rö.8,28). In diesem Sinne kann Paulus angesichts wechselhafter Lebensumstände feststellen: „ich vermag alles, durch den, der mich mächtig macht“ (Phil.4,13).

Auch wenn Jesus uns für dieses Leben keine körperliche Heilung versprochen hat, ist doch für alle, die an IHN glauben – und nur für die! -, das Verhältnis zu Krankheit und Tod grundlegend und nachhaltig verändert.

Die Ursache von Krankheit und Tod, das Wurzelproblem der Sünde, hat Jesus Christus für uns gelöst. Wer an ihn glaubt, wird von Gott freigesprochen, wird für gerecht erklärt. Das wird möglich, weil Jesus Christus die ganze Schuld für uns bezahlt, die ganze Strafe für uns getragen hat.

Mit seinem Sühnetod hat Jesus die Ursache von Krankheit und Tod entmachtet. Nun kann uns unsere Sünde nicht mehr von Gott trennen. Damit aber ist die eigentliche Bedrohung von Krankheit und Tod überwunden. Denn wir müssen uns nicht mehr vor Gottes Gericht fürchten. Wer sich vor Jesus als seinem Retter beugt, der wird schon in diesem Leben freigesprochen. Er ist schon hier dem geistlichen Tod entrissen und zum neuen Leben erweckt. Jesus sagt, dass alle, die an ihn glauben, „das ewige Leben HABEN“ (Joh.3,16). Damit aber wird für die Christen der körperliche Tod zum endgültigen Eintritt in das ewige Leben, das schon hier beginnt.

Am Ende erweist sich der Tod eben nicht als der große Gleichmacher, sondern als der große Zweiteiler. Die einen werden durch den Tod dem Gericht Gottes und damit der ewigen Verdammnis ausgeliefert (doppelter Ausgang der Geschichte). Für die anderen führt der Tod „in die Arme Jesu Christi“. Deshalb konnte Paulus sich freuen:

Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein.(Phil.1,23; vgl. Luk.23,43)

Paulus wusste, welch großartiges Ziel der allmächtige Gott für seine Kinder bereithält. Er wird uns mit einem Leib ausstatten, der dem Auferstehungsleib Jesu gleicht und dann nicht mehr von Krankheit und Tod angegriffen werden kann (Phil.3,20-21). Verglichen mit diesem Auferstehungsleib ist unser jetziger Körper nur wie eine „baufällige Hütte“, die wir einmal verlassen werden, um dann für immer in einem „strahlenden Palast“ zu leben:

Denn wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. (2.Kor.5,1).

Ich fasse zusammen: Weil der lebendige Gott die letzte Macht über Krankheit und Tod innehat (These 4.), ist auch bei ihm die einzige und wirkliche Zuflucht vor Krankheit und Tod zu finden (These 5.).

Schließlich ergibt sich aus Gottes Macht über Krankheit und Tod noch eine weitere Konsequenz, die wir in unserer 6. These festhalten (aber aus Zeitgründen nur noch kurz ausführen können):

6. Krankheit und Tod können von Gott zu aufbauenden Zwecken eingesetzt werden.

In der Gemeinde von Korinth hat Gott einige Gemeindeglieder mit Krankheit oder sogar Tod belegt, weil sie Frevel mit dem Abendmahl getrieben hatten und keine angemessene Ehrfurcht vor Gott zeigten (1.Kor.11,27-32). Es ist nicht gesagt, dass die Christen ihr Heil verloren haben. Die Krankheitsfälle dienten der Erziehung und Korrektur, die Todesfälle gar führten der Gemeinde vor Augen, wie ernst Gott sein Wort und seine Gebote nimmt.

Manchmal lässt Gott aber auch gehorsame Christen leiden (auch durch Krankheit), weil sie dadurch etwas Besonderes lernen und in besonderer Weise Gottes Nähe erfahren sollen. Ein bekanntes Beispiel ist der Apostel Paulus. Er hatte Gott mehrfach darum gebeten, ihm eine bestimmte Krankheit abzunehmen, aber dann eingesehen, dass Gott etwas anderes mit ihm vorhat: „Las dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2.Kor.12,9) Die Krankheit sollte Paulus in seiner Abhängigkeit von Jesus und dessen Gnade stärken. Gott ist souverän – darum kann er auch Krankheit und Tod zum Besten seiner Kinder dienen lassen.

Damit kommen wir am Ende zu einer 7. und letzten These, die das praktische Ergebnis unserer Überlegungen zusammenfasst.

Bisher konnten wir feststellen:

1. Krankheit und Tod haben eine beschreibbare Ursache.

2. Krankheit und Tod haben eine universale Reichweite.

3. Krankheit und Tod stellen für den Menschen eine reale Bedrohung dar.

4. Krankheit und Tod stehen unter der Macht Gottes.

5. Zuflucht vor Krankheit und Tod gibt es nur im Glauben an Jesus Christus.

6. Krankheit und Tod können von Gott zu aufbauenden Zwecken eingesetzt werden.

Daraus ergibt sich eine 7. Wahrheit, die uns Gott über Krankheit und Tod lehrt:

Krankheit und Tod haben für Christen ihren letzten Schrecken verloren.

Damit ist nicht gesagt, dass Christen mit Leichtigkeit über das Leid hinweggehen und das Sterben in jedem Fall wie einen fröhlichen Spaziergang erledigen. Auch Paulus kannte dunkle Stunden, in denen ihn Traurigkeit und Verzagtheit anfielen. Auch Paulus wollte lieber gleich von Gott „überkleidet“ als zunächst „entkleidet“ werden (2.Kor.5,4). Mit anderen Worten: Ihm wäre es sicher auch lieber gewesen, wenn Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiedergekommen wäre und dem Paulus und seinen Mitchristen dadurch das Sterben erspart geblieben wäre. Wer wünschte sich das nicht.

Auch als Nachfolger Jesu Christi singen wir dieses Lied manchmal mit bangem Herzen:

Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut: Mach’s nur mit meinem Ende gut.

Jesus selbst hat uns auf diese Probleme vorbereitet: „In der Welt habt ihr Angst…“

Doch dann fügt er hinzu: „…aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Joh.16,33

Auch als Kinder Gottes sind wir nicht immer unerschrocken, aber wir stehen unter dem Schutz eines Stärkeren. Darum muss sogar der Tod seinen letzten Schrecken verlieren, weil Jesus uns sicher durch die Stürme und hin zum Ziel bringt. Martin Luther hatte folglich recht, als der dem Tod entgegenhielt:

Tod, wie schreckst du mich. Kennst du nicht den einen, der von sich sagt: Ich habe die Welt überwunden. Die Zähne kannst blecken, aber fressen kannst nicht. Denn Gott hat uns den Sieg über dich gegeben.

Mediziner, die mit dieser Gewissheit und mit den hier genannten Einsichten leben, haben für ihren Dienst eine besondere Chance. Sie können Ihre Patienten aus Gottes Perspektive sehen – als Geschöpfe und Sünder zugleich. Sie wissen, wie Krankheit und Tod ursprünglich entstanden sind. Sie kennen persönlich den HERRN über Gesundheit und Krankheit, über Leben und Tod. Sie wissen, dass sowohl Krankenhaus als auch Friedhof nur Durchgangsstationen sind – keine Endstationen. Sie wissen auch, dass körperliche Gesundheit nicht das Wichtigste und nicht das Entscheidende ist. Und Sie wissen zugleich, dass die Möglichkeiten der Medizin eine gute Gabe des Schöpfers darstellen, mit der Sie den Menschen dienen können.

Aber selbst dort, wo Ihre medizinischen Möglichkeiten nicht mehr weiterhelfen, wo alle medizinischen Hoffnungen an ihr Ende kommen, haben Sie immer noch einen Ausweg, ja mehr noch: einen Retter, auf den Sie Ihre Patienten hinweisen können. Sie kennen den größten Arzt, den es gibt. Und der kann sogar die schlimmste Krankheit heilen, die „Krankheit zum Tode“.

Wer in Jesus Christus seinen Arzt gefunden hat, darf sich auf das ewige Leben freuen!

 

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Quellen-Nachweis

[1] Ach Herr, wie lange noch? Gedanken über das Leiden und andere Nöte, dt. Marburg 1993, S.7.

[2] Preaching and Preachers, Grand Rapids 1972, S.133f.. Deutsche Übersetzung in Nestvogel, Dynamisch evangelisieren, Wuppertal 2001, S.123f..

[3] Vgl. auch das böse Ende des Herodes (Apg.12,19-23) oder den Aussatz des Gehasi (2.Kö.5,20-27). In anderen Fällen ist Krankheit die natürliche Folge von Sünde, wenn wir z.B. an Geschlechtskrankheiten oder eine durch homosexuelle Praxis hervorgerufene Aids-Erkrankung denken.

[4] So lehrt vielmehr die Philosophie der Stoiker, wie sie im 4. Jh. vor Christus begründet wurde.

[5] Ausführlicher siehe: Rudolf Möckel, Ist Sterben doch ganz anders?, hg. von der Bekenntnisbewegung, Filderstadt.

[6] Man kann auch übersetzen: „Und Jesus begann zu weinen.“

[7] Carson, aaO (vgl. Anm.1), S.107.

[8] The Supremacy of God in Preaching, Grand Rapids 2000, S.32, Übersetzung nach Nestvogel, op.cit., 144f..

[9] Zur Funktion der Zeichen und Wunder bei Jesus und seinen Aposteln siehe ausführlicher meinen Aufsatz: „Zeichen und Wunder der apostolischen Zeit – Maßstab für heute?“, Neudruck beim Bibelbund-Verlag: Hammerbrücke 2003.


Heilungsvorstellungen zwischen Wissenschaft und Glaube

Heilungsvorstellungen zwischen Wissenschaft und Glaube

„Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister,
ob sie aus Gott sind, denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen.“

1. Johannes 4,1

1. Einleitende Worte

Dieser Artikel entstand auf der Grundlage eines Vortrags, der auf dem CDK-Seminar 2016 in Hannover von mir gehalten wurde. Aufgrund des begrenzten Umfanges dieses Artikels, kann das Thema bei weitem nicht umfassend und auch nicht ausreichend ausgewogen bearbeitet werden. Ich beschränke mich bewusst auf einige wenige Aspekte des genannten Themas, versuche dabei aber aus meiner Sicht wichtige Schwerpunkte zu setzen.
Der auf dem Seminar gehaltene Vortrag kann über CDK bezogen werden.

2. Einleitung

Wie uns die Bibel berichtet, gab es nach der Erschaffung des Menschen im Garten Eden keine Krankheiten. Es war vielmehr alles „sehr gut“ . Erst durch die Sünde der ersten Menschen, durch den ersten Ungehorsam mit dem Griff nach der von Gott verbotenen Frucht, kam das Böse und damit auch der Tod und die verschiedenen Leiden in die Welt. Genesis 3,16 + 19 (auszugsweise):

Zu der Frau sprach er: Ich werde sehr vermehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären!
Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen,
bis du zurückkehrst zum Erdboden, denn von ihm bist du genommen.
Denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren!

Die uns vorliegenden archäologischen Zeitzeugen legen nahe, dass der Mensch bereits kurz nach dem Sündenfall mit verschiedentlichen Arten der Heilkunst und Heilkunde die jetzt auftretenden Krankheiten zu behandeln begann. Dabei führte der Wunsch des Menschen Leiden zu lindern und Krankheiten zu heilen zwangsläufig dazu, sich mit der Herkunft und den Ursachen der Erkrankung auseinanderzusetzen. Es mussten im weitesten Sinne letztlich Antworten auf folgende Fragestellungen gefunden werden:

  • Was ist Gesundheit?
  • Was ist Krankheit?
  • Welche Krankheitskonzepte haben wir?
  • Wie sehen unsere Heilungskonzepte aus?

An der Medizingeschichte kann man sehr gut aufzeigen, dass die Vorstellung von der Welt, der Glaube / die Religion und die Sicht auf den Menschen unweigerlich einen großen Einfluss auf die Krankheits- und Heilungskonzepte hat. So ist uns aus dem Schamanismus ein magisch-mystisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit bekannt. Man versucht innerhalb dieses Konzeptes einen Kranken dadurch zu therapieren, indem man durch Beschwörungen den sog. krankheitsverursachenden Dämon aus dem Körper des Kranken vertreiben möchte.

Im Altertum herrschte ein sog. theurgisches Medizinmodell vor. Dazu gehörte die Vorstellung, dass Krankheit eine Strafe der Götter ist.
In Europa des Mittelalters war sehr lange Zeit die gängige vertretene Lehrmeinung die Humoralpathologie. Entstanden in der Antike setzte sich dieses Lehrkonzept bis in das 19. Jahrhundert immer wieder durch. Erst Robert Koch und Rudolf Virchow brachten dieses Krankheits- und Heilungskonzept durch ihre geniale Forschung zum Einsturz.
Heute stehen in der Medizin auf der einen Seite die Krankheitskonzepte der wissenschaftlich geprägten modernen Medizin den alternativen Verfahren im weitesten Sinne gegenüber. Dabei wenden sich in der westlichen Welt - aufgrund vielerlei Ursachen - immer mehr Menschen von den „reinen“ wissenschaftlichen Behandlungen ab und den Behandlungen der sog. „alternativen Heilverfahren“ mit einem anderen weltanschaulichen Hintergrund (Esoterik, Anthroposophie, Traditionell-Chinesische Medizin) zu. Dies kann man allein schon an den für diese Verfahren ausgegebenen Geldern problemlos nachweisen.

Für den an Jesus Gläubigen kommt als Patient aber auch als Behandler damit die Frage auf, „Wie sollten die verschiedenen Krankheits- und Heilungskonzepte bewertet werden? Wie sieht die Bibel Krankheit?

3. Was sagt die Bibel zu Krankheit und Heilung?

3.1 Das biblische Menschenbild

Wenn wir uns mit der Frage auseinander setzen wollen, was die Bibel zu dem Thema „Krankheit und Heilung“ zu sagen hat, müssen wir als erstes darüber nachdenken, wie die Bibel den Menschen sieht. Die Vorstellung, die wir von dem Menschen haben, wird unweigerlich auch unsere Krankheits- und Heilungsvorstellung prägen. Ob für uns der Mensch ein transzendentales „Gott-/Menschwesen“ ist, ob er das Ergebnis eines langen Evolutionsprozesses ist oder ob er ein Geschöpf Gottes ist, jede dieser Vorstellungen von dem Menschen wird unweigerlich und deutlich Einfluss auf unser Konzept und Verständnis von Krankheit und Heilung haben.

In der Bibel finden wir sehr klar, wer der Mensch überhaupt ist und wozu er da ist. Diese Fragen nach dem Woher und Wozu kann uns keine Wissenschaft schlüssig beantworten.

Die Bibel sagt eindeutig, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist und nach seinem Ebenbild geschaffen wurde. Er ist kein Produkt des Zufalls oder einer unpersönlichen Evolution. In Genesis 1,27 heißt es:

„Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild,
im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie.“

Damit ist klar, dass Gott den Menschen in seinem Bilde als Mann und Frau geschaffen hat. Er ist es, der den Menschen, so wie er ist, geschaffen hat. Er ist der Lebensspender und er ist derjenige, der auch das Leben wieder nimmt. Dabei schafft Gott den Menschen aus Zwei (Geist = „Atem des Lebens“ und Materie = „Staub vom Erdboden“) zu einer Dreiheit (Geist, Seele und Leib) (siehe Graphik)

3.2 Der Sündenfall als eigentlicher Ursprung und Ursache des Todes und aller Leiden

Mit dem Sündenfall des Menschen kam das Leid, die Krankheit und auch der Tod in das Leben der Menschheit hinein.
In Genesis 2,17 lesen wir:

„aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen,
davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst,
musst du sterben!“

und weiter in Römer 5,12:

„Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist
und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben“

Seit diesem Zeitpunkt leidet der Mensch, aber auch die Natur unter dem Sündenfall und erwartet die Erlösung (siehe Römer 8,19-23). In diesem allgemeinen Sinn haben somit alle Krankheiten und alles Leiden seinen letztlichen Grund in dem Sündenfall. Dabei sollten wir darauf achten, dass ein oberflächliches Zurückführen einzelner konkreter Leiden oder Krankheitsfälle immer auf eine bestimmte Sünde dem Befund der Bibel nicht gerecht wird (vgl. Joh 9,2 ff.; 11,3 ff.). Insbesondere das Buch Hiob zeigt uns sehr deutlich, dass es sehr wohl Leid gibt, das nicht auf der persönlichen Schuld des Leidenden zurückzuführen ist.

3.3. Persönliche Schuld vor Gott als Ursache von Krankheit

In einigen Fällen ist die Ursache von Krankheit konkrete Sünde im Leben des Erkrankten. In der Bibel finden wir an vielen Stellen im Alten und Neuen Testament, dass Gott bestimmte Übertretungen seiner Gebote und Anweisungen mit konkreten Krankheiten bestrafen kann. Es ist kein Automatismus und auch nicht immer so, aber es ist durchaus möglich (Beispiele: 2. Könige 5,27; 2. Chronik 26,16.19-21, Joh 5,5-14; Apg 12,23).

Außerdem kann auch eine unbiblische, falsche Lebensweise zu Erkrankungen führen. Ich denke da einmal an eine falsche und übermäßige Ernährung. Jährlich entstehen extrem hohe Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund falscher und übermäßiger Ernährung, die zu vielerlei Folgekrankheiten führt. Die Bibel mahnt an mehreren Stellen sehr einfach aber konkret einen richtigen Umgang mit dem Essen an (Römer 13,13; Galater 5,21). Wenn diese einfache Anweisung der Bibel von uns Christen mehr beachtet würde, könnten viele Erkrankungen, die infolge eines Übergewichtes (Adipositas) auftreten, vermieden werden (z.B. Herzkreislauf-erkrankungen, Bluthochdruck, sog. „Alterszucker“ oder Diabetes mellitus Typ II, Gelenkbeschwerden).

Außerdem führt ein sorgloser und falscher Umgang mit Alkohol (Jesaja 5,11-12; Lukas 21,34; Galater 5,21) neben schweren Erkrankungen auch zur Zerstörung von Ehen, Familien und einer ganzen Gesellschaft. Als Christen sind wir da zu besonderer Wachsamkeit und Rücksichtnahme in Bezug auf den schwachen Bruder aufgerufen.
Weitere konkrete geistliche Ursachen für Erkrankungen können die Missachtung des 5. Gebotes „Ehre Vater und Mutter“ sein (Epheser 6,2-3), ein Leben voller Sorgen (Psalm 127,2; Sprüche 12,25; Matthäus 6,25-34; Lukas 10,40-42), Bitterkeit und Wut (Epheser 4,31-32; Kolosser 3,19), fehlende Vergebungsbereitschaft, aber auch die unwürdige Teilnahme am Mahl des Herrn (1. Korinther 11,30-32). In meiner täglichen Praxis als Arzt habe ich das ganz konkret nicht selten erlebt.

3.4 Weitere Ursachen

Die Bibel zeigt uns noch weitere Ursachen für Erkrankungen auf. Einmal kann Gott eine Krankheit nutzen um uns dadurch zu führen. Manche Möglichkeiten der Evangelisation, der Seelsorge und auch der konkreten persönlichen Führung können aus Erkrankungen erwachsen.

Außerdem nutzt Gott manche Krankheit um uns zu erziehen. Gott nutzt dann die Erkrankung, um eine Sinnesänderung in dem Einzelnen zu bewirken (1. Korinther 5,5; 2. Korinther 12,7-9a; Hebräer 12,6-11).

Gott kann aber auch die Erkrankung zu seiner Verherrlichung nutzen. Dies kann einmal durch eine wundervolle Heilung geschehen. Ein passendes Beispiel finden wir im Johannesevangelium in Kapitel 11, wo Jesus seinen erkrankten Freund Lazarus anfänglich nicht heilt, sondern dann aus den Toten auferweckt, damit Gott dadurch verherrlicht wird (Johannes 11,4). Auch die Erkrankung des Blindgeborenen in Kapitel 9 im gleichen Evangelium ist dafür da, damit durch die Heilung Gott verherrlicht wird (Johannes 9,3).

Aus der Kirchen- und Missionsgeschichte sind viele solcher wundersamen Heilungen bekannt und auch ich habe diese bereits mehrfach in meiner Tätigkeit erlebt. Dabei will ich aus gegebenem Anlass an dieser Stelle ausdrücklich vor den charismatischen Heilungspraktiken warnen. Diesen Praktiken fehlt der biblische Auftrag und das biblische Fundament und man muss davon ausgehen, dass wir es dabei nicht mit der Wirkung des Heiligen Geistes zu tun haben. Manchen Menschen mag es nach so einer „Heilung“ scheinbar wirklich besser gehen, aber ich halte das mehr dem Schwarmgeist geschuldet als wirklich "heilender Kraft". Außerdem wird von dämonischen Belastungen und Schuldgefühlen berichtet. Wer dann nicht geheilt wird, der hat aus Sicht der Charismatiker eben nicht genügend geglaubt. In der Bibel waren die Heilungen ganz anders. Sie kamen aus der Situation heraus, waren unspektakulär, vollständig und umfassend.

Krankheiten können aber auch zur Verherrlichung Gottes dadurch dienen, dass derjenige, der erkrankt ist, diese demütig und geduldig erträgt. Chronisch und z.T. Schwerkranke sind anderen zum Trost und zur Ermutigung grade durch ihr Leid geworden (2. Korinther 1,4-6). Es ergeben sich dadurch manchmal Möglichkeiten der Evangelisation und Seelsorge, die ansonsten ihnen verschlossen geblieben wären.

Die Bibel zeigt uns noch weitere Ursachen (Dämonen / Satan, Vererbung, ein falsches Gottesbild, falsche Glaubensüberzeugungen, etc.) auf die ich an dieser Stelle aufgrund des Umfanges nicht weiter eingehen möchte.
Krankheit und Therapie aus Sicht des „gläubigen“ Patienten

4. Christen können krank werden

Aus dem bisher gesagten ist eigentlich sehr klar ersichtlich, dass auch „treue“ Christen krank werden können. Da dies unter Christen aber immer wieder in Abrede gestellt wird, möchte ich nochmals kurz darauf eingehen.

Als Folge des Sündenfalls sind alle Menschen dem Tod „verfallen“, d.h. der Geist ist „geistlich“ tot, unser aller Seelen rebellieren gegen Gott und unser Körper ist der Vergänglichkeit unterworfen (Krankheit, Verfall und letztlich Tod). Durch die Bekehrung und Wiedergeburt, die durch Jesus Christus geschieht,  bekommen wir ein neues Leben. In Epheser 2,4-10 erklärt Paulus was die Errettung bewirkt: "Aber Gott ... hat ... auch uns, die wir in Sünden tot waren, mit Christus lebendig gemacht." Wir werden geistlich wieder zum Leben erweckt. Zur selben Zeit wird unsere Seele - durch Umkehr (Buße) und Glauben, die durch Gott bewirkt wird - von der Rebellion Gott gegenüber befreit.

Unsere Errettung wirkt sich dann aber auch auf unseren Körper aus. Von der Knechtschaft der Sünde befreit, wird unser Körper zu einem Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt und unsere Glieder werden zu Werkzeugen der Gerechtigkeit (Römer 12,1). Der Körper bleibt aber letztlich der Vergänglichkeit unterworfen bis zur Wiederkehr Jesu Christi. Dann wird unser Körper in einen unsterblichen Leib wie der Leib Christi verwandelt werden.

Wenn wir aufmerksam die Bibel lesen, finden wir neben dem eben gesagten noch weitere Belege dafür, dass Christen durchaus krank sein können. Der Abschnitt in Jakobus 5,13-18 gibt konkrete Anweisung für Christen, die erkrankt sind. Außerdem finden wir das Paulus krank wird und auch seine treuen Mitarbeiter erkrankten (Epaphroditus: Philipper 2,25-26; Timotheus: 1. Timotheus 5,23; Trophimus: 2. Timotheus 4,20). Selbst Jesus identifiziert sich ausdrücklich mit den Erkrankten, wenn er von dem Wert des Krankenbesuches spricht und in Matthäus 25,39 sagt: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“

4.1 Christen können, dürfen und sollten auch medizinische Hilfe in Anspruch nehmen

Bei manchen Christen ist dies nicht selbstverständlich. Die Beobachtung, dass der Arztbesuch des Asa (2. Chronik 16,12) verurteilt wird und der Verheißung „Ich bin der Herr, dein Arzt.“ aus 2. Mose 15,26 führt bei manchen zu dem Schluss, der Einsatz von Medikamenten, Medizin und der Arztbesuch sei für einen Christen nicht statthaft und nicht „gottgewollt“. Dies führt dann zu echten Problemen.

Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Bibel weder eine Verherrlichung der Heilkunst noch eine radikale Medizinkritik zu finden ist, sondern sie spricht sehr objektiv darüber.

So finden wir auf der einen Seite eine positive Wertung der Heilkunst. Als Jesus gegenüber den Schriftgelehrten seine besondere Zuwendung zu Sündern erläutert, begründet er dies mit der Tatsache, dass Kranke eines Arztes bedürfen. Er sagt in Markus 2,17: „Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken“. Diese positive Wertung der ärztlichen Hilfe ist beachtlich. Im Gesetz des Mose war festgelegt, dass wenn jemand einen anderen im Streit körperlich verletzt, er ihm das Ausfallgeld und die Behandlungskosten beim Arzt (!) bezahlen soll (2. Mose 21,19). Es dürfte auch hinlänglich bekannt sein, dass Lukas, einer der Evangelisten Arzt war (Kolosser 4,14).

Auf der anderen Seite ist die Bibel sehr realistisch und zeigt die Begrenztheit der ärztlichen Heilkunst sehr deutlich auf. Ärzte sind keine „Halbgötter in weiß“, sondern Menschen mit sehr begrenzten Fähigkeiten. In manchen Fällen kann von den Ärzten keine wirkliche Hilfe erwartet werden. In Markus 5,25-26 wird uns von einer kranken Frau berichtet, die von vielen Ärzten viel erlitten hatte, all ihr Hab und Gut dafür aufgewandt hatte und es hatte ihr nichts geholfen, sondern es war schlimmer mit ihr geworden.

Ein französisches Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert, das zum geläufigen Kernsatz der Palliativmedizin geworden ist, drückt die Aufgaben des Arztes so aus:
Guerir– quelquefois, soulager– souvent, consoler– toujours.

  • heilen – manchmal
  • lindern – oft
  • trösten – immer

Dies deckt sich sehr gut mit meiner persönlichen Erfahrung als Arzt. Ich habe fast täglich Patienten, denen man aufgrund ihrer Erkrankung eine Heilung nicht versprechen kann.

4.2 Christen sollten beten

Das Problem, dass manche Christen keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, betrifft - wenigstens in der westlichen Welt - sicherlich nur eine Minderheit der Christenheit. Viel häufiger erlebe ich leider das genaue Gegenteil davon. Viele Christen stehen in der Gefahr einer maßlosen Medizingläubigkeit anheim zu fallen.

Das Streben nach Gesundheit ist für viele Menschen in Deutschland zu einer Ersatzreligion geworden, mit der Menschen ihr religiöses Vakuum zu füllen suchen. Nachdem sie Gott den Tod erklärt haben, sind die Menschen - um ihr Vakuum zu füllen - heutzutage sehr empfänglich für Ersatzreligionen geworden. Die innere Leere versuchen sie dann mit anderen Dingen zum Beispiel mit fernöstliche Religionen, ausgiebigen Konsum oder eben der „Gesundheitsreligion“ zu füllen. Dieser „Gesundheitsfetischismus“ der westlichen Welt droht unbewusst auch auf die Christenheit überzuschwappen.

In der Tat: Wir kranken an der Gesundheit. Ohne Frage ist die Gesundheit ein hohes Gut, aber wenn die Gesundheit sich verselbstständigt, jedes Mittel recht ist um Gesundheit zu erlangen und man nur noch damit beschäftigt ist gesund zu bleiben, dann hat man nicht verstanden, dass Gesundheit nur eine Rahmenbedingung für das Leben ist, aber eben nicht das Leben selbst. Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die "Normalen“. Jesus selbst bestätigt dies in Markus 2,17 indem er sagt: „Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.“

Mit diesem Gesundheitswahn versucht man quasi das ewige Leben im Diesseits zu produzieren, was natürlich ein völlig aussichtsloses Projekt ist. Es ist höchst anstrengend, sehr kostspielig, sehr asketisch, und am Ende stirbt man leider doch. Freilich, auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot. Die Bibel spricht bei diesem Projekt unverhohlen vom Götzendienst. Leider erlebe ich das in einem zunehmenden Maße auch bei Christen.

Der regelmäßige Besuch bei diversen Ärzten zur genausten Beobachtung und Buchführung über alle Körperfunktionen (manche holen sich bei Quartalsbeginn 6-8 Überweisungen für diverse Ärzte in der Praxis ab), die regelmäßige Einnahme von verschiedensten nicht benötigten Nahrungsergänzungsmitteln, die dem Kunden gute Gesundheit versprechen und der massive zeitliche Einsatz für den Sport (Sportvereine, Städtemarathons, Fitnessstudios) sprechen dafür, dass es mit dem geistlichen Leben bergab geht. So war es auch bei dem König Asa, der ein zunehmend gottloses Leben führte. „Er suchte auch in seiner Krankheit nicht den Herrn, sondern die Ärzte“ (2. Chronik 16,12). Dies war letztlich ein Ausdruck seines gottlosen Lebens.

Wenn Christen krank werden, sollten sie unabhängig davon, dass sie zum Arzt gehen, sich doch zuerst an ihren Schöpfer wenden (Jakobus 5,13). Gott selbst als der Schöpfer kennt uns als Geschöpfe am Besten und bietet uns seine Hilfe an. Jesus selbst sagt: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Lukas 11,9). Das ist das Angebot, das uns der allmächtige, große Gott macht. Außerdem sollten Christen in ihrer Not auch um das Gebet von Mitchristen bitten (Jakobus 5,16). „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
In diesem Zusammenhang muss man sagen, dass der Text in Jakobus 5,14-18 sehr bekannt, aber praktisch viel zu selten konkret beachtet wird. Christen können die Ältesten der Gemeinde zum Gebet rufen. Jakobus gibt uns hier sehr konkrete Anweisungen, wie ein Kranker in seiner Not dabei vorgehen und was die Ältesten der Gemeinde tun sollen. Ich habe immer wieder erlebt, wie viel Segen grade aus dem konkreten Anwenden dieser Anweisungen erwachsen kann.

4.3 Christen können die praktische, pflegende, seelsorgerliche und liebevolle Begleitung der Geschwister in Anspruch nehmen

Leider ergeht es heute vielen chronisch Kranken so, wie dem Schwerkranken vom Teich Bethesda, der auf sein Problem angesprochen eine denkwürdige Antwort gibt: „Herr, ich habe keinen (helfenden) Menschen.“ (Joh 5,7) Das ist eine dramatische Situation. Obwohl so viele Menschen vor Ort waren, war doch jeder mit sich und seinen Problemen beschäftigt und keiner hatte seit Jahren ein Auge, ein Ohr oder eine helfende Hand für diesen Schwerstkranken. Die, denen es gut geht neigen dazu, die Kranken nicht zu bemerken. Auch in dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37) sehen wir, dass die geistliche Oberschicht kein Auge für den verletzen und bedürftigen Mann am Wegesrand hat. Erst der Samariter nimmt sich seiner an und Jesus zeichnet ihn wegen seiner umfassenden und guten Krankenversorgung aus.

Unterlassene Hilfeleistung unter Christen zeugt vom Fehlen der wichtigsten Dinge, der Liebe und dem Glauben.

 „Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm?“

1. Joh 3,17

„Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen:  Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.“

Jakobus 2,15-17

Barmherziges Mitleid, das sich dann in ganz praktischer Hilfeleistung zeigt, sollte das Zeichen eines jeden Christen sein. Paulus appelliert in seinen Briefen immer wieder nachdrücklich an das Mitleid unter den Geschwistern (Römer 12,13a; 1. Kor 12,26a). Den Christen in Galatien bescheinigt Paulus, dass sie ein besonderes Mitleid mit ihm hatten. Die Christen in Philippi hatten große Sorge um Epaphroditus, als sie erfahren haben, dass er erkrankt sei und Paulus sendet ihn nach seiner Genesung sofort zu den Philippern. Auch zahlreiche andere Gläubige des Neuen Testamentes zeigen wahre Anteilnahme für die anderen notleidenden Christen (z.B. Hebräer 10,33-34).

Es bleibt in vielen der Fälle nicht nur beim Mitgefühl, sondern es kommt in unterschiedlicher Form auch zum helfenden Handeln.

Als Jesus vom Gericht in der Endzeitrede in Matthäus 25,34-40 spricht, geht es um die konkrete, praktische Hilfe der Christen untereinander. Dabei bezieht Jesus diese Hilfe der Geschwister untereinander direkt auf sich:

„Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben?
Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen?
Oder nackt und haben dich gekleidet?
Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Diese Bibelstelle verpflichtet Christen sich der Kranken umfassend anzunehmen.

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Auszug aus dem CDK Rundbrief Nr. 81
RB 81 Seiten 7-16.pdf
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Fotonachweis: Diagramme Dr. R.Hamm, Foto Fotolia.com